Am Anfang seiner Geschichte ist Rom ein sehr kleiner Bezirk Italiens: die Eigenthümlichkeiten, welche das Römische Volk auszeichnen, waren weit größerer Stämme Erbtheil, denen die Römer angehörten, oder von ihnen entlehnten, bis aus der Vereinigung des Vielartigen eine neue und jeder einzelnen Italischen Nation fremde Form sich bildete. Die Völker verschwanden im Licht der Stadt; und die Nation der Bürger verbreitete sich über ganz Italien. Als die Republik fiel, gab es nur Römer in der Halbinsel; alle uns erhaltene Geschichtschreiber haben nicht anders geschrieben als ob die alten Italiker beydes, Rom fremd, und gegen das Römische Volk unbedeutend, gewesen wären. Ein anderes Urtheil hat sich längst ge- bildet, und es ist anerkannt unentbehrlich, so weit es ge- lingen mag; da ein Bild der Völker, welche früher als Rom in Italien groß waren, zum Theil gar nicht, aufs beste aber höchst dürftig, entworfen werden kann; wenig- stens Uebersicht und Sonderung ihrer Stämme und Staa- ten, und Sammlung der über sie aufbewahrten histori- schen und darstellenden Nachrichten zu versuchen.
Unter den historischen Werken des Alterthums, wel- che uns statt dieser Untersuchungen sichre und reichliche
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Das alte Italien.
Am Anfang ſeiner Geſchichte iſt Rom ein ſehr kleiner Bezirk Italiens: die Eigenthuͤmlichkeiten, welche das Roͤmiſche Volk auszeichnen, waren weit groͤßerer Staͤmme Erbtheil, denen die Roͤmer angehoͤrten, oder von ihnen entlehnten, bis aus der Vereinigung des Vielartigen eine neue und jeder einzelnen Italiſchen Nation fremde Form ſich bildete. Die Voͤlker verſchwanden im Licht der Stadt; und die Nation der Buͤrger verbreitete ſich uͤber ganz Italien. Als die Republik fiel, gab es nur Roͤmer in der Halbinſel; alle uns erhaltene Geſchichtſchreiber haben nicht anders geſchrieben als ob die alten Italiker beydes, Rom fremd, und gegen das Roͤmiſche Volk unbedeutend, geweſen waͤren. Ein anderes Urtheil hat ſich laͤngſt ge- bildet, und es iſt anerkannt unentbehrlich, ſo weit es ge- lingen mag; da ein Bild der Voͤlker, welche fruͤher als Rom in Italien groß waren, zum Theil gar nicht, aufs beſte aber hoͤchſt duͤrftig, entworfen werden kann; wenig- ſtens Ueberſicht und Sonderung ihrer Staͤmme und Staa- ten, und Sammlung der uͤber ſie aufbewahrten hiſtori- ſchen und darſtellenden Nachrichten zu verſuchen.
Unter den hiſtoriſchen Werken des Alterthums, wel- che uns ſtatt dieſer Unterſuchungen ſichre und reichliche
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Das alte Italien.
Am Anfang ſeiner Geſchichte iſt Rom ein ſehr kleiner
Bezirk Italiens: die Eigenthuͤmlichkeiten, welche das
Roͤmiſche Volk auszeichnen, waren weit groͤßerer Staͤmme
Erbtheil, denen die Roͤmer angehoͤrten, oder von ihnen
entlehnten, bis aus der Vereinigung des Vielartigen eine
neue und jeder einzelnen Italiſchen Nation fremde Form
ſich bildete. Die Voͤlker verſchwanden im Licht der
Stadt; und die Nation der Buͤrger verbreitete ſich uͤber
ganz Italien. Als die Republik fiel, gab es nur Roͤmer in
der Halbinſel; alle uns erhaltene Geſchichtſchreiber haben
nicht anders geſchrieben als ob die alten Italiker beydes,
Rom fremd, und gegen das Roͤmiſche Volk unbedeutend,
geweſen waͤren. Ein anderes Urtheil hat ſich laͤngſt ge-
bildet, und es iſt anerkannt unentbehrlich, ſo weit es ge-
lingen mag; da ein Bild der Voͤlker, welche fruͤher als
Rom in Italien groß waren, zum Theil gar nicht, aufs
beſte aber hoͤchſt duͤrftig, entworfen werden kann; wenig-
ſtens Ueberſicht und Sonderung ihrer Staͤmme und Staa-
ten, und Sammlung der uͤber ſie aufbewahrten hiſtori-
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Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 1. Berlin, 1811, S. [19]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische01_1811/41>, abgerufen am 23.11.2024.
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