viele Etrusker, durch die freundliche Aufnahme getrö- stet, sich als Bürger niedergelassen haben sollen, obgleich nach andern Nachrichten die tuskische Straße viel älter war. Zum Lohn dafür soll Porsena nicht nur jedem weitern Versuch die Tarquinier durch friedliche Vermitt- lung in ihr Reich herzustellen entsagt, und sie von sich entlassen, sondern sogar den Römern ihre Geisseln, und die abgetretene Vejentische Feldmark zurückgegeben haben. Dies wäre eine sehr freygebige Belohnung des ruhigen Verhaltens eines eben durch Schwerd und Hunger be- zwungenen und entwassneten Volks gewesen, einer Ruhe die durch Geissel aus den ersten Häusern versichert ward; und, wenn man Porsena für den Clusinischen König nimmt, auf Kosten der Unterthanen oder Verbündeten ge- geben worden, ist aber unter ihm ein König der Vejenter zu verstehen, mit einem Opfer. Es ist viel glaublicher daß Roms Abhängigkeit um diese Zeit durch Aufstand ge- brochen ward, den das Unglück bey Aricia veranlassen, und seinen Erfolg möglich machen konnte. Die Latiner hatten Rom verlassen, aber sie empfanden nun auch den Verlust einer Vormauer gegen Etrurien, und es war ihre eigne Sache Rom wieder zu bewaffnen und herzustellen. Auf eine gewaltsame Befreyung deutet der räthselhafte Gebrauch bey Versteigerungen die Habe des Königs Por- sena zu verkaufen 19). Auch Livius findet sich von der Erklärung nicht befriedigt welche er als die erträglichste giebt: Porsena habe den Römern, nach dem Frieden, die Vorräthe seines Lagers geschenkt um den Hunger des
19) Livius II. c. 14.
viele Etrusker, durch die freundliche Aufnahme getroͤ- ſtet, ſich als Buͤrger niedergelaſſen haben ſollen, obgleich nach andern Nachrichten die tuskiſche Straße viel aͤlter war. Zum Lohn dafuͤr ſoll Porſena nicht nur jedem weitern Verſuch die Tarquinier durch friedliche Vermitt- lung in ihr Reich herzuſtellen entſagt, und ſie von ſich entlaſſen, ſondern ſogar den Roͤmern ihre Geiſſeln, und die abgetretene Vejentiſche Feldmark zuruͤckgegeben haben. Dies waͤre eine ſehr freygebige Belohnung des ruhigen Verhaltens eines eben durch Schwerd und Hunger be- zwungenen und entwaſſneten Volks geweſen, einer Ruhe die durch Geiſſel aus den erſten Haͤuſern verſichert ward; und, wenn man Porſena fuͤr den Cluſiniſchen Koͤnig nimmt, auf Koſten der Unterthanen oder Verbuͤndeten ge- geben worden, iſt aber unter ihm ein Koͤnig der Vejenter zu verſtehen, mit einem Opfer. Es iſt viel glaublicher daß Roms Abhaͤngigkeit um dieſe Zeit durch Aufſtand ge- brochen ward, den das Ungluͤck bey Aricia veranlaſſen, und ſeinen Erfolg moͤglich machen konnte. Die Latiner hatten Rom verlaſſen, aber ſie empfanden nun auch den Verluſt einer Vormauer gegen Etrurien, und es war ihre eigne Sache Rom wieder zu bewaffnen und herzuſtellen. Auf eine gewaltſame Befreyung deutet der raͤthſelhafte Gebrauch bey Verſteigerungen die Habe des Koͤnigs Por- ſena zu verkaufen 19). Auch Livius findet ſich von der Erklaͤrung nicht befriedigt welche er als die ertraͤglichſte giebt: Porſena habe den Roͤmern, nach dem Frieden, die Vorraͤthe ſeines Lagers geſchenkt um den Hunger des
19) Livius II. c. 14.
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viele Etrusker, durch die freundliche Aufnahme getroͤ-
ſtet, ſich als Buͤrger niedergelaſſen haben ſollen, obgleich
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war. Zum Lohn dafuͤr ſoll Porſena nicht nur jedem
weitern Verſuch die Tarquinier durch friedliche Vermitt-
lung in ihr Reich herzuſtellen entſagt, und ſie von ſich
entlaſſen, ſondern ſogar den Roͤmern ihre Geiſſeln, und
die abgetretene Vejentiſche Feldmark zuruͤckgegeben haben.
Dies waͤre eine ſehr freygebige Belohnung des ruhigen
Verhaltens eines eben durch Schwerd und Hunger be-
zwungenen und entwaſſneten Volks geweſen, einer Ruhe
die durch Geiſſel aus den erſten Haͤuſern verſichert ward;
und, wenn man Porſena fuͤr den Cluſiniſchen Koͤnig
nimmt, auf Koſten der Unterthanen oder Verbuͤndeten ge-
geben worden, iſt aber unter ihm ein Koͤnig der Vejenter
zu verſtehen, mit einem Opfer. Es iſt viel glaublicher
daß Roms Abhaͤngigkeit um dieſe Zeit durch Aufſtand ge-
brochen ward, den das Ungluͤck bey Aricia veranlaſſen,
und ſeinen Erfolg moͤglich machen konnte. Die Latiner
hatten Rom verlaſſen, aber ſie empfanden nun auch den
Verluſt einer Vormauer gegen Etrurien, und es war ihre
eigne Sache Rom wieder zu bewaffnen und herzuſtellen.
Auf eine gewaltſame Befreyung deutet der raͤthſelhafte
Gebrauch bey Verſteigerungen die Habe des Koͤnigs Por-
ſena zu verkaufen 19). Auch Livius findet ſich von der
Erklaͤrung nicht befriedigt welche er als die ertraͤglichſte
giebt: Porſena habe den Roͤmern, nach dem Frieden, die
Vorraͤthe ſeines Lagers geſchenkt um den Hunger des
19) Livius II. c. 14.
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Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 1. Berlin, 1811, S. 357. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische01_1811/379>, abgerufen am 22.11.2024.
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