muth glauben, und an das Vertrauen mit dem die Rö- mer sich gegen die vertriebnen Tyrannen vor den Rich- terstuhl eines edeln Feindes stellten. Solche Kriege sind die schönsten Augenblicke der Geschichte, und ein Zeit- genosse Pyrrhus hätte in der Wahrheit das Vorbild des höchsten königlichen Edelsinns erblickt dessen Abbild in der Sage von Porsena glänzt. Aber kann es wahrschein- lich, kann es nur glaublich seyn, daß eine Stadt die nie mit Großmuth gegen den Besiegten gehandelt hatte, die von ihren Geschichtschreibern als der Gegenstand des Neids und des Hasses, von der Geschichte als der Ge- genstand der ängstlichen Besorgniß und einer durch un- ermüdliche Herrschsucht erregten Erbitterung ihrer Nach- barvölker geschildert wird, unter jenen harten altitali- schen Völkern, deren Kriege stets Vertilgungskriege wa- ren, eine so milde Behandlung, solche zarte Schonung erfahren hätte?
Vielmehr deutet auch der Verfolg auf eine strenge Unterwerfung Roms unter Porsenas Herrschaft, der Art, wie eroberte Städte Rom unterworfen waren. Aruns, Sohn des Königs, führte eine Abtheilung des Heers gegen Aricia. Dies war offenbar ein Versuch ganz Latium zu unterwerfen, und macht es noch mehr wahrscheinlich daß auch der Feldzug gegen Rom nicht für die Tarquinier sondern als Eroberungskrieg in einem günstigen Zeitpunkt der Theilung und Schwäche unter- nommen war. Die Ariciner erhielten Beystand von dein damals mächtigen Kuma in Opika, das Etruski- sche Heer ward geschlagen und bis Rom verfolgt: wo
muth glauben, und an das Vertrauen mit dem die Roͤ- mer ſich gegen die vertriebnen Tyrannen vor den Rich- terſtuhl eines edeln Feindes ſtellten. Solche Kriege ſind die ſchoͤnſten Augenblicke der Geſchichte, und ein Zeit- genoſſe Pyrrhus haͤtte in der Wahrheit das Vorbild des hoͤchſten koͤniglichen Edelſinns erblickt deſſen Abbild in der Sage von Porſena glaͤnzt. Aber kann es wahrſchein- lich, kann es nur glaublich ſeyn, daß eine Stadt die nie mit Großmuth gegen den Beſiegten gehandelt hatte, die von ihren Geſchichtſchreibern als der Gegenſtand des Neids und des Haſſes, von der Geſchichte als der Ge- genſtand der aͤngſtlichen Beſorgniß und einer durch un- ermuͤdliche Herrſchſucht erregten Erbitterung ihrer Nach- barvoͤlker geſchildert wird, unter jenen harten altitali- ſchen Voͤlkern, deren Kriege ſtets Vertilgungskriege wa- ren, eine ſo milde Behandlung, ſolche zarte Schonung erfahren haͤtte?
Vielmehr deutet auch der Verfolg auf eine ſtrenge Unterwerfung Roms unter Porſenas Herrſchaft, der Art, wie eroberte Staͤdte Rom unterworfen waren. Aruns, Sohn des Koͤnigs, fuͤhrte eine Abtheilung des Heers gegen Aricia. Dies war offenbar ein Verſuch ganz Latium zu unterwerfen, und macht es noch mehr wahrſcheinlich daß auch der Feldzug gegen Rom nicht fuͤr die Tarquinier ſondern als Eroberungskrieg in einem guͤnſtigen Zeitpunkt der Theilung und Schwaͤche unter- nommen war. Die Ariciner erhielten Beyſtand von dein damals maͤchtigen Kuma in Opika, das Etruski- ſche Heer ward geſchlagen und bis Rom verfolgt: wo
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0378"n="356"/>
muth glauben, und an das Vertrauen mit dem die Roͤ-<lb/>
mer ſich gegen die vertriebnen Tyrannen vor den Rich-<lb/>
terſtuhl eines edeln Feindes ſtellten. Solche Kriege ſind<lb/>
die ſchoͤnſten Augenblicke der Geſchichte, und ein Zeit-<lb/>
genoſſe Pyrrhus haͤtte in der Wahrheit das Vorbild des<lb/>
hoͤchſten koͤniglichen Edelſinns erblickt deſſen Abbild in<lb/>
der Sage von Porſena glaͤnzt. Aber kann es wahrſchein-<lb/>
lich, kann es nur glaublich ſeyn, daß eine Stadt die nie<lb/>
mit Großmuth gegen den Beſiegten gehandelt hatte, die<lb/>
von ihren Geſchichtſchreibern als der Gegenſtand des<lb/>
Neids und des Haſſes, von der Geſchichte als der Ge-<lb/>
genſtand der aͤngſtlichen Beſorgniß und einer durch un-<lb/>
ermuͤdliche Herrſchſucht erregten Erbitterung ihrer Nach-<lb/>
barvoͤlker geſchildert wird, unter jenen harten altitali-<lb/>ſchen Voͤlkern, deren Kriege ſtets Vertilgungskriege wa-<lb/>
ren, eine ſo milde Behandlung, ſolche zarte Schonung<lb/>
erfahren haͤtte?</p><lb/><p>Vielmehr deutet auch der Verfolg auf eine ſtrenge<lb/>
Unterwerfung Roms unter Porſenas Herrſchaft, der<lb/>
Art, wie eroberte Staͤdte Rom unterworfen waren.<lb/>
Aruns, Sohn des Koͤnigs, fuͤhrte eine Abtheilung des<lb/>
Heers gegen Aricia. Dies war offenbar ein Verſuch<lb/>
ganz Latium zu unterwerfen, und macht es noch mehr<lb/>
wahrſcheinlich daß auch der Feldzug gegen Rom nicht<lb/>
fuͤr die Tarquinier ſondern als Eroberungskrieg in einem<lb/>
guͤnſtigen Zeitpunkt der Theilung und Schwaͤche unter-<lb/>
nommen war. Die Ariciner erhielten Beyſtand von<lb/>
dein damals maͤchtigen Kuma in Opika, das Etruski-<lb/>ſche Heer ward geſchlagen und bis Rom verfolgt: wo<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[356/0378]
muth glauben, und an das Vertrauen mit dem die Roͤ-
mer ſich gegen die vertriebnen Tyrannen vor den Rich-
terſtuhl eines edeln Feindes ſtellten. Solche Kriege ſind
die ſchoͤnſten Augenblicke der Geſchichte, und ein Zeit-
genoſſe Pyrrhus haͤtte in der Wahrheit das Vorbild des
hoͤchſten koͤniglichen Edelſinns erblickt deſſen Abbild in
der Sage von Porſena glaͤnzt. Aber kann es wahrſchein-
lich, kann es nur glaublich ſeyn, daß eine Stadt die nie
mit Großmuth gegen den Beſiegten gehandelt hatte, die
von ihren Geſchichtſchreibern als der Gegenſtand des
Neids und des Haſſes, von der Geſchichte als der Ge-
genſtand der aͤngſtlichen Beſorgniß und einer durch un-
ermuͤdliche Herrſchſucht erregten Erbitterung ihrer Nach-
barvoͤlker geſchildert wird, unter jenen harten altitali-
ſchen Voͤlkern, deren Kriege ſtets Vertilgungskriege wa-
ren, eine ſo milde Behandlung, ſolche zarte Schonung
erfahren haͤtte?
Vielmehr deutet auch der Verfolg auf eine ſtrenge
Unterwerfung Roms unter Porſenas Herrſchaft, der
Art, wie eroberte Staͤdte Rom unterworfen waren.
Aruns, Sohn des Koͤnigs, fuͤhrte eine Abtheilung des
Heers gegen Aricia. Dies war offenbar ein Verſuch
ganz Latium zu unterwerfen, und macht es noch mehr
wahrſcheinlich daß auch der Feldzug gegen Rom nicht
fuͤr die Tarquinier ſondern als Eroberungskrieg in einem
guͤnſtigen Zeitpunkt der Theilung und Schwaͤche unter-
nommen war. Die Ariciner erhielten Beyſtand von
dein damals maͤchtigen Kuma in Opika, das Etruski-
ſche Heer ward geſchlagen und bis Rom verfolgt: wo
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 1. Berlin, 1811, S. 356. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische01_1811/378>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.