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Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 1. Berlin, 1811.

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an diesen wilden Muth womit er seiner List Glauben
erwarb, und an des Schicksals seltne Gerechtigkeit welche
seine größere That mit größerem Heil für das Vater-
land segnete als der Erfolg einer alltäglichen verzweifel-
ten Unternehmung hätte gewähren können? Auch gleicht
die Unerschrockenheit und die Schlauheit dem Krieger
einer noch sehr wilden Zeit. Aber das Mucische Ge-
schlecht ist eins der jüngsten unter den großen plebeji-
schen Häusern: erst fast dreyhundert Jahre nach dieser
Zeit finden wir Mucier mit dem Beynahmen Scävola
unter den curulischen Magistraten, etwas früher mögen
sie in einem Zeitraum dessen genauere Geschichte für
uns verlohren ist, zu ihren niederen Graden gelangt
seyn: aber immer bleibt eine lange Dunkelheit welche
das Alter der Familie äußerst verdächtig macht. Ein
adlicher Jüngling wie Livius ihn nennt, konnte er nur
einem Schriftsteller heißen der das Geschlecht der Mu-
cier in seinem späten Glanze kannte: einen patricischen
konnte nur ein Fremder wie Dionysius ihn nennen.
Sehr viele Erzählungen sind in Sagen aus Beynahmen
gebildet für die man einen glänzenden Ursprung suchte,
und dies geschah wahrscheinlich aus dem Beynahmen
Scävola. Wer hier historische Wahrheit glaubt, der
muß es entsetzlich finden daß der Retter des Vaterlands
durch einige Aecker, nicht durch Consulate belohnt ward,
die kein Recht der Form denen vor ihm zusagen konnte
für die er in den Tod gegangen war: aber ich wieder-
hohle es solche Wahrheit darf hier nicht gesucht wer-
den. -- Eben so gern möchte man an Porsenas Edel-

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an dieſen wilden Muth womit er ſeiner Liſt Glauben
erwarb, und an des Schickſals ſeltne Gerechtigkeit welche
ſeine groͤßere That mit groͤßerem Heil fuͤr das Vater-
land ſegnete als der Erfolg einer alltaͤglichen verzweifel-
ten Unternehmung haͤtte gewaͤhren koͤnnen? Auch gleicht
die Unerſchrockenheit und die Schlauheit dem Krieger
einer noch ſehr wilden Zeit. Aber das Muciſche Ge-
ſchlecht iſt eins der juͤngſten unter den großen plebeji-
ſchen Haͤuſern: erſt faſt dreyhundert Jahre nach dieſer
Zeit finden wir Mucier mit dem Beynahmen Scaͤvola
unter den curuliſchen Magiſtraten, etwas fruͤher moͤgen
ſie in einem Zeitraum deſſen genauere Geſchichte fuͤr
uns verlohren iſt, zu ihren niederen Graden gelangt
ſeyn: aber immer bleibt eine lange Dunkelheit welche
das Alter der Familie aͤußerſt verdaͤchtig macht. Ein
adlicher Juͤngling wie Livius ihn nennt, konnte er nur
einem Schriftſteller heißen der das Geſchlecht der Mu-
cier in ſeinem ſpaͤten Glanze kannte: einen patriciſchen
konnte nur ein Fremder wie Dionyſius ihn nennen.
Sehr viele Erzaͤhlungen ſind in Sagen aus Beynahmen
gebildet fuͤr die man einen glaͤnzenden Urſprung ſuchte,
und dies geſchah wahrſcheinlich aus dem Beynahmen
Scaͤvola. Wer hier hiſtoriſche Wahrheit glaubt, der
muß es entſetzlich finden daß der Retter des Vaterlands
durch einige Aecker, nicht durch Conſulate belohnt ward,
die kein Recht der Form denen vor ihm zuſagen konnte
fuͤr die er in den Tod gegangen war: aber ich wieder-
hohle es ſolche Wahrheit darf hier nicht geſucht wer-
den. — Eben ſo gern moͤchte man an Porſenas Edel-

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[355/0377] an dieſen wilden Muth womit er ſeiner Liſt Glauben erwarb, und an des Schickſals ſeltne Gerechtigkeit welche ſeine groͤßere That mit groͤßerem Heil fuͤr das Vater- land ſegnete als der Erfolg einer alltaͤglichen verzweifel- ten Unternehmung haͤtte gewaͤhren koͤnnen? Auch gleicht die Unerſchrockenheit und die Schlauheit dem Krieger einer noch ſehr wilden Zeit. Aber das Muciſche Ge- ſchlecht iſt eins der juͤngſten unter den großen plebeji- ſchen Haͤuſern: erſt faſt dreyhundert Jahre nach dieſer Zeit finden wir Mucier mit dem Beynahmen Scaͤvola unter den curuliſchen Magiſtraten, etwas fruͤher moͤgen ſie in einem Zeitraum deſſen genauere Geſchichte fuͤr uns verlohren iſt, zu ihren niederen Graden gelangt ſeyn: aber immer bleibt eine lange Dunkelheit welche das Alter der Familie aͤußerſt verdaͤchtig macht. Ein adlicher Juͤngling wie Livius ihn nennt, konnte er nur einem Schriftſteller heißen der das Geſchlecht der Mu- cier in ſeinem ſpaͤten Glanze kannte: einen patriciſchen konnte nur ein Fremder wie Dionyſius ihn nennen. Sehr viele Erzaͤhlungen ſind in Sagen aus Beynahmen gebildet fuͤr die man einen glaͤnzenden Urſprung ſuchte, und dies geſchah wahrſcheinlich aus dem Beynahmen Scaͤvola. Wer hier hiſtoriſche Wahrheit glaubt, der muß es entſetzlich finden daß der Retter des Vaterlands durch einige Aecker, nicht durch Conſulate belohnt ward, die kein Recht der Form denen vor ihm zuſagen konnte fuͤr die er in den Tod gegangen war: aber ich wieder- hohle es ſolche Wahrheit darf hier nicht geſucht wer- den. — Eben ſo gern moͤchte man an Porſenas Edel- Z 2

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Zitationshilfe: Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 1. Berlin, 1811, S. 355. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische01_1811/377>, abgerufen am 22.11.2024.