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Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 1. Berlin, 1811.

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eingeführt ward, an die Gemeinde der Tribus gerichtet
gewesen seyn muß. Die Clienten hatten Schutz durch
ihre Patrone.

Die Beobachtung des Gesetzes war aber nicht durch
die Sanction einer Strafe, sondern nur durch den Aus-
spruch eingeschärft, wer dagegen handle, versündige sich:
eine Sanction welche nach Livius Urtheil durch ein Ver-
trauen auf Tugend veranlaßt war deren die damalige
Zeit so wenig als die folgende sich würdig bewährte, so
daß das Gesetz immer von Zeit zu Zeit erneuert werden
mußte 3). Allerdings genoß das Volk anfänglich bey
dieser Abwesenheit einer Strafclausul keinen andern
Schutz als den Güte oder Klugheit ihm gewährte: von je-
ner war wenig zu hoffen, und diese glaubte nur so lange
der alte König lebte Schonung gegen das Volk zu bedür-
fen. Daher ward unmittelbar nach seinem Tode der
Schutz des Tribunats nothwendig, und dieses war befugt
den Verfolgten mit Gewalt zu schützen und gegen den
Uebertreter nach Ablauf des Jahrs seiner Magistratur
auf eine Strafe vor den Tribus anzutragen, deren Größe
durch erschwerende Umstände sehr erhöht werden konnte.
Daß keine bestimmte Strafe gegen den übertretenden Con-
sul verhängt war scheint eine Folge der weisen Einsicht,
die höchste Gewalt müsse irgendwo mit Vertrauen be-
wahrt und unbeschränkt ausgeübt werden: es könnten
ihr nur Regeln vorgeschrieben, aber im gewöhnlichen
Gang sie für ihre Beobachtung nicht gerichtlich verant-
wortlich gemacht werden, so daß Widerstand als das

3) Livius X. c. 9.

eingefuͤhrt ward, an die Gemeinde der Tribus gerichtet
geweſen ſeyn muß. Die Clienten hatten Schutz durch
ihre Patrone.

Die Beobachtung des Geſetzes war aber nicht durch
die Sanction einer Strafe, ſondern nur durch den Aus-
ſpruch eingeſchaͤrft, wer dagegen handle, verſuͤndige ſich:
eine Sanction welche nach Livius Urtheil durch ein Ver-
trauen auf Tugend veranlaßt war deren die damalige
Zeit ſo wenig als die folgende ſich wuͤrdig bewaͤhrte, ſo
daß das Geſetz immer von Zeit zu Zeit erneuert werden
mußte 3). Allerdings genoß das Volk anfaͤnglich bey
dieſer Abweſenheit einer Strafclauſul keinen andern
Schutz als den Guͤte oder Klugheit ihm gewaͤhrte: von je-
ner war wenig zu hoffen, und dieſe glaubte nur ſo lange
der alte Koͤnig lebte Schonung gegen das Volk zu beduͤr-
fen. Daher ward unmittelbar nach ſeinem Tode der
Schutz des Tribunats nothwendig, und dieſes war befugt
den Verfolgten mit Gewalt zu ſchuͤtzen und gegen den
Uebertreter nach Ablauf des Jahrs ſeiner Magiſtratur
auf eine Strafe vor den Tribus anzutragen, deren Groͤße
durch erſchwerende Umſtaͤnde ſehr erhoͤht werden konnte.
Daß keine beſtimmte Strafe gegen den uͤbertretenden Con-
ſul verhaͤngt war ſcheint eine Folge der weiſen Einſicht,
die hoͤchſte Gewalt muͤſſe irgendwo mit Vertrauen be-
wahrt und unbeſchraͤnkt ausgeuͤbt werden: es koͤnnten
ihr nur Regeln vorgeſchrieben, aber im gewoͤhnlichen
Gang ſie fuͤr ihre Beobachtung nicht gerichtlich verant-
wortlich gemacht werden, ſo daß Widerſtand als das

3) Livius X. c. 9.
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[341/0363] eingefuͤhrt ward, an die Gemeinde der Tribus gerichtet geweſen ſeyn muß. Die Clienten hatten Schutz durch ihre Patrone. Die Beobachtung des Geſetzes war aber nicht durch die Sanction einer Strafe, ſondern nur durch den Aus- ſpruch eingeſchaͤrft, wer dagegen handle, verſuͤndige ſich: eine Sanction welche nach Livius Urtheil durch ein Ver- trauen auf Tugend veranlaßt war deren die damalige Zeit ſo wenig als die folgende ſich wuͤrdig bewaͤhrte, ſo daß das Geſetz immer von Zeit zu Zeit erneuert werden mußte 3). Allerdings genoß das Volk anfaͤnglich bey dieſer Abweſenheit einer Strafclauſul keinen andern Schutz als den Guͤte oder Klugheit ihm gewaͤhrte: von je- ner war wenig zu hoffen, und dieſe glaubte nur ſo lange der alte Koͤnig lebte Schonung gegen das Volk zu beduͤr- fen. Daher ward unmittelbar nach ſeinem Tode der Schutz des Tribunats nothwendig, und dieſes war befugt den Verfolgten mit Gewalt zu ſchuͤtzen und gegen den Uebertreter nach Ablauf des Jahrs ſeiner Magiſtratur auf eine Strafe vor den Tribus anzutragen, deren Groͤße durch erſchwerende Umſtaͤnde ſehr erhoͤht werden konnte. Daß keine beſtimmte Strafe gegen den uͤbertretenden Con- ſul verhaͤngt war ſcheint eine Folge der weiſen Einſicht, die hoͤchſte Gewalt muͤſſe irgendwo mit Vertrauen be- wahrt und unbeſchraͤnkt ausgeuͤbt werden: es koͤnnten ihr nur Regeln vorgeſchrieben, aber im gewoͤhnlichen Gang ſie fuͤr ihre Beobachtung nicht gerichtlich verant- wortlich gemacht werden, ſo daß Widerſtand als das 3) Livius X. c. 9.

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Zitationshilfe: Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 1. Berlin, 1811, S. 341. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische01_1811/363>, abgerufen am 22.11.2024.