daß sie auf dem Glauben des Antiaters Valerius be- ruht. Dem patricischen Geschlecht hat dieser sicher nicht angehört, wahrscheinlich aber ihrer Clientel: und wie wahr auch die Ansprüche dieses Geschlechts auf uralte Gerechtigkeit gegen das Volk waren, die Familienreden mochten ihren Ahnherren hierin auch manches Lob zuwen- den welches andern gebührte.
Auch darüber widersprechen sich die alten Zeugen ob Brutus zuerst den Senat auf dreyhundert brachte, und ob die von ihm aufgenommenen Plebejer dadurch das Patri- ciat erhielten; oder ob er ihn nur ergänzte, und die neuen Senatoren nicht aus der Plebs traten. Beydes ist im Grunde unzertrennlich, und Tacitus, welcher meldet Brutus habe die mindern Geschlechter in das Patriciat aufgenommen 91), läugnet entweder die Veränderung des alten Tarquinius, oder er mußte annehmen, dieser König habe Romulus hundert Senatoren verdoppelt, und die Geschlechter welche durch ihn in den Senat kamen, wären zu den größeren gerechnet worden. Aber Tacitus ist in den Alterthümern der Verfassung wenig unterrichtet. Weit wahrscheinlicher ist das entgegengesetzte Zeugniß, die aufgenommenen plebejischen Ritter wären als Conscripti von den Patres unterschieden geworden 92), da Brutus eignes Geschlecht plebejisch blieb. Es ist eine einstimmig bewährte Nachricht daß Tarquinius der Alte die neuen Rittercenturien bildete, und dies scheint, wie früher ge- zeigt ist, vorauszusetzen daß die ältern Rittercenturien
91)Annal. XI. c. 25. und Dionysius V. c. 13.
92) Festus a. a. O. und Livius II. c. 1.
daß ſie auf dem Glauben des Antiaters Valerius be- ruht. Dem patriciſchen Geſchlecht hat dieſer ſicher nicht angehoͤrt, wahrſcheinlich aber ihrer Clientel: und wie wahr auch die Anſpruͤche dieſes Geſchlechts auf uralte Gerechtigkeit gegen das Volk waren, die Familienreden mochten ihren Ahnherren hierin auch manches Lob zuwen- den welches andern gebuͤhrte.
Auch daruͤber widerſprechen ſich die alten Zeugen ob Brutus zuerſt den Senat auf dreyhundert brachte, und ob die von ihm aufgenommenen Plebejer dadurch das Patri- ciat erhielten; oder ob er ihn nur ergaͤnzte, und die neuen Senatoren nicht aus der Plebs traten. Beydes iſt im Grunde unzertrennlich, und Tacitus, welcher meldet Brutus habe die mindern Geſchlechter in das Patriciat aufgenommen 91), laͤugnet entweder die Veraͤnderung des alten Tarquinius, oder er mußte annehmen, dieſer Koͤnig habe Romulus hundert Senatoren verdoppelt, und die Geſchlechter welche durch ihn in den Senat kamen, waͤren zu den groͤßeren gerechnet worden. Aber Tacitus iſt in den Alterthuͤmern der Verfaſſung wenig unterrichtet. Weit wahrſcheinlicher iſt das entgegengeſetzte Zeugniß, die aufgenommenen plebejiſchen Ritter waͤren als Conſcripti von den Patres unterſchieden geworden 92), da Brutus eignes Geſchlecht plebejiſch blieb. Es iſt eine einſtimmig bewaͤhrte Nachricht daß Tarquinius der Alte die neuen Rittercenturien bildete, und dies ſcheint, wie fruͤher ge- zeigt iſt, vorauszuſetzen daß die aͤltern Rittercenturien
91)Annal. XI. c. 25. und Dionyſius V. c. 13.
92) Feſtus a. a. O. und Livius II. c. 1.
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daß ſie auf dem Glauben des Antiaters Valerius be-
ruht. Dem patriciſchen Geſchlecht hat dieſer ſicher nicht
angehoͤrt, wahrſcheinlich aber ihrer Clientel: und wie
wahr auch die Anſpruͤche dieſes Geſchlechts auf uralte
Gerechtigkeit gegen das Volk waren, die Familienreden
mochten ihren Ahnherren hierin auch manches Lob zuwen-
den welches andern gebuͤhrte.
Auch daruͤber widerſprechen ſich die alten Zeugen ob
Brutus zuerſt den Senat auf dreyhundert brachte, und ob
die von ihm aufgenommenen Plebejer dadurch das Patri-
ciat erhielten; oder ob er ihn nur ergaͤnzte, und die neuen
Senatoren nicht aus der Plebs traten. Beydes iſt im
Grunde unzertrennlich, und Tacitus, welcher meldet
Brutus habe die mindern Geſchlechter in das Patriciat
aufgenommen 91), laͤugnet entweder die Veraͤnderung
des alten Tarquinius, oder er mußte annehmen, dieſer
Koͤnig habe Romulus hundert Senatoren verdoppelt, und
die Geſchlechter welche durch ihn in den Senat kamen,
waͤren zu den groͤßeren gerechnet worden. Aber Tacitus
iſt in den Alterthuͤmern der Verfaſſung wenig unterrichtet.
Weit wahrſcheinlicher iſt das entgegengeſetzte Zeugniß, die
aufgenommenen plebejiſchen Ritter waͤren als Conſcripti
von den Patres unterſchieden geworden 92), da Brutus
eignes Geſchlecht plebejiſch blieb. Es iſt eine einſtimmig
bewaͤhrte Nachricht daß Tarquinius der Alte die neuen
Rittercenturien bildete, und dies ſcheint, wie fruͤher ge-
zeigt iſt, vorauszuſetzen daß die aͤltern Rittercenturien
91) Annal. XI. c. 25. und Dionyſius V. c. 13.
92) Feſtus a. a. O. und Livius II. c. 1.
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Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 1. Berlin, 1811, S. 327. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische01_1811/349>, abgerufen am 22.11.2024.
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