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Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 1. Berlin, 1811.

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Senat, benannt werden, Consentes, Gleiche zu bezeich-
nen. Rath geben, oder den Willen des Senats als
Vorsitzer erfragen, war, vor allem im Anbeginn der
Republik, viel weniger als gebieten die auszeichnende
Eigenschaft des Consulats 86).

Die Wahl des Collatinus welcher Brutus zum Col-
legen gegeben ward, mag immer als eine Huldigung
für Lucretias Manen betrachtet werden: aber in einem
mehr historischen Licht, scheint sie das Werk entweder
des durchherrschenden ernsten römischen Geists, der zu
allen Veränderungen Uebergänge suchte, oder einer ver-
mittelnden Gunst einer bedeutenden Parthey für das
königliche Haus, welches in einem andern Zweige, und
unter Einschränkungen so noch immer im Besitz der höch-
sten Würde blieb, gewesen zu seyn. Beyde Stimmun-
gen vereinigten sich in dieser Wahl. So übertrugen die
Tories, obgleich in der Revolution fortgerissen, dem
Befreyer Englands die Krone nicht durch Wahl, son-
dern als dem Gemahl der Prinzessin Maria; und die

86) Vom Befragen erklärte Varro selbst den Nahmen: der
dichter L. Anius vom Rath ertheilen (Varro de L. L. IV.
c. 14.
). Dieses Dichters Brutus, woraus Varro jene Er-
klärung anführt, und Cicero den Traum des Tarquinius,
war die einzige alte Tragödie deren Inhalt aus der römi-
schen Geschichte entlehnt war; die Alten aber bildeten Tra-
gödien (Ausnahmen wie Phrynichus Einnahme von Milet
und Aeschylus Perser verschwinden in der Masse) nie aus
dem was bey ihnen für Geschichte galt, sondern nur aus
dem anerkannt Mythischen, welches auch allein für die Tra-
gödie taugt.

Senat, benannt werden, Conſentes, Gleiche zu bezeich-
nen. Rath geben, oder den Willen des Senats als
Vorſitzer erfragen, war, vor allem im Anbeginn der
Republik, viel weniger als gebieten die auszeichnende
Eigenſchaft des Conſulats 86).

Die Wahl des Collatinus welcher Brutus zum Col-
legen gegeben ward, mag immer als eine Huldigung
fuͤr Lucretias Manen betrachtet werden: aber in einem
mehr hiſtoriſchen Licht, ſcheint ſie das Werk entweder
des durchherrſchenden ernſten roͤmiſchen Geiſts, der zu
allen Veraͤnderungen Uebergaͤnge ſuchte, oder einer ver-
mittelnden Gunſt einer bedeutenden Parthey fuͤr das
koͤnigliche Haus, welches in einem andern Zweige, und
unter Einſchraͤnkungen ſo noch immer im Beſitz der hoͤch-
ſten Wuͤrde blieb, geweſen zu ſeyn. Beyde Stimmun-
gen vereinigten ſich in dieſer Wahl. So uͤbertrugen die
Tories, obgleich in der Revolution fortgeriſſen, dem
Befreyer Englands die Krone nicht durch Wahl, ſon-
dern als dem Gemahl der Prinzeſſin Maria; und die

86) Vom Befragen erklaͤrte Varro ſelbſt den Nahmen: der
dichter L. Anius vom Rath ertheilen (Varro de L. L. IV.
c. 14.
). Dieſes Dichters Brutus, woraus Varro jene Er-
klaͤrung anfuͤhrt, und Cicero den Traum des Tarquinius,
war die einzige alte Tragoͤdie deren Inhalt aus der roͤmi-
ſchen Geſchichte entlehnt war; die Alten aber bildeten Tra-
goͤdien (Ausnahmen wie Phrynichus Einnahme von Milet
und Aeſchylus Perſer verſchwinden in der Maſſe) nie aus
dem was bey ihnen fuͤr Geſchichte galt, ſondern nur aus
dem anerkannt Mythiſchen, welches auch allein fuͤr die Tra-
goͤdie taugt.
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[324/0346] Senat, benannt werden, Conſentes, Gleiche zu bezeich- nen. Rath geben, oder den Willen des Senats als Vorſitzer erfragen, war, vor allem im Anbeginn der Republik, viel weniger als gebieten die auszeichnende Eigenſchaft des Conſulats 86). Die Wahl des Collatinus welcher Brutus zum Col- legen gegeben ward, mag immer als eine Huldigung fuͤr Lucretias Manen betrachtet werden: aber in einem mehr hiſtoriſchen Licht, ſcheint ſie das Werk entweder des durchherrſchenden ernſten roͤmiſchen Geiſts, der zu allen Veraͤnderungen Uebergaͤnge ſuchte, oder einer ver- mittelnden Gunſt einer bedeutenden Parthey fuͤr das koͤnigliche Haus, welches in einem andern Zweige, und unter Einſchraͤnkungen ſo noch immer im Beſitz der hoͤch- ſten Wuͤrde blieb, geweſen zu ſeyn. Beyde Stimmun- gen vereinigten ſich in dieſer Wahl. So uͤbertrugen die Tories, obgleich in der Revolution fortgeriſſen, dem Befreyer Englands die Krone nicht durch Wahl, ſon- dern als dem Gemahl der Prinzeſſin Maria; und die 86) Vom Befragen erklaͤrte Varro ſelbſt den Nahmen: der dichter L. Anius vom Rath ertheilen (Varro de L. L. IV. c. 14.). Dieſes Dichters Brutus, woraus Varro jene Er- klaͤrung anfuͤhrt, und Cicero den Traum des Tarquinius, war die einzige alte Tragoͤdie deren Inhalt aus der roͤmi- ſchen Geſchichte entlehnt war; die Alten aber bildeten Tra- goͤdien (Ausnahmen wie Phrynichus Einnahme von Milet und Aeſchylus Perſer verſchwinden in der Maſſe) nie aus dem was bey ihnen fuͤr Geſchichte galt, ſondern nur aus dem anerkannt Mythiſchen, welches auch allein fuͤr die Tra- goͤdie taugt.

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Zitationshilfe: Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 1. Berlin, 1811, S. 324. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische01_1811/346>, abgerufen am 22.11.2024.