Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 1. Berlin, 1811.

Bild:
<< vorherige Seite

richten; ein Verbot welches natürlich bald in Vergessen-
heit gerieth, und eben den häufigen Gebrauch der Sprache
beweißt. Für die Abfassung der alten römischen sibyllini-
schen Bücher in griechischer Sprache zeugt auch daß der
Senat sie durch Annahme der sibyllinischen Bücher und
Sprüche zu ersetzen suchte die unter den Griechen umgin-
gen, welche, wie aus Aristophanes erhellt, nebst den
Weissagungen des Bakis, während des Peloponnesischen
Kriegs, -- in der ersten Hälfte des vierten Jahrhunderts,
-- in Athen bey den Gläubigen in großem Ansehen stan-
den. Wahrscheinlich waren sie auch nichts anders als
eben eine solche Sammlung, und wie die spätern, eine
Reihe in Hexametern verfaßter Orakelsprüche. Denn ob-
gleich in der Geschichte als Resultat der Befragung der
heiligen Lieder nur die Vorschriften genannte griechische
Götter besonders zu verehren, oder ihren Dienst in Rom
einzuführen angeführt sind, so läßt sich theils hier, wo
die Frage war nicht was bevorstehe, sondern was gethan
werden solle, um den Himmel zu versöhnen, nichts an-
ders erwarten: theils findet sich doch auch bey Livius
selbst 78) Meldung von einer bestimmten Wahrsagung,
die freylich vom Erfolg widerlegt worden ist: Rom dürfe
seine Herrschaft nicht über den Taurus ausdehnen. Ein
Gebot, welches, wenn es sich in diesen alten Büchern
fand, die gewiß nicht für Rom geschrieben waren, nach
Asien hindeutet, auf die Erythräische Herophile, oder die
Sardianische Sibylle des Philetas, und wahrscheinlich
für die Lydischen Könige gedichtet war, ohne ein bestimm-

78) XXXVIII. c. 45. unter dem Jahr 566.

richten; ein Verbot welches natuͤrlich bald in Vergeſſen-
heit gerieth, und eben den haͤufigen Gebrauch der Sprache
beweißt. Fuͤr die Abfaſſung der alten roͤmiſchen ſibyllini-
ſchen Buͤcher in griechiſcher Sprache zeugt auch daß der
Senat ſie durch Annahme der ſibylliniſchen Buͤcher und
Spruͤche zu erſetzen ſuchte die unter den Griechen umgin-
gen, welche, wie aus Ariſtophanes erhellt, nebſt den
Weiſſagungen des Bakis, waͤhrend des Peloponneſiſchen
Kriegs, — in der erſten Haͤlfte des vierten Jahrhunderts,
— in Athen bey den Glaͤubigen in großem Anſehen ſtan-
den. Wahrſcheinlich waren ſie auch nichts anders als
eben eine ſolche Sammlung, und wie die ſpaͤtern, eine
Reihe in Hexametern verfaßter Orakelſpruͤche. Denn ob-
gleich in der Geſchichte als Reſultat der Befragung der
heiligen Lieder nur die Vorſchriften genannte griechiſche
Goͤtter beſonders zu verehren, oder ihren Dienſt in Rom
einzufuͤhren angefuͤhrt ſind, ſo laͤßt ſich theils hier, wo
die Frage war nicht was bevorſtehe, ſondern was gethan
werden ſolle, um den Himmel zu verſoͤhnen, nichts an-
ders erwarten: theils findet ſich doch auch bey Livius
ſelbſt 78) Meldung von einer beſtimmten Wahrſagung,
die freylich vom Erfolg widerlegt worden iſt: Rom duͤrfe
ſeine Herrſchaft nicht uͤber den Taurus ausdehnen. Ein
Gebot, welches, wenn es ſich in dieſen alten Buͤchern
fand, die gewiß nicht fuͤr Rom geſchrieben waren, nach
Aſien hindeutet, auf die Erythraͤiſche Herophile, oder die
Sardianiſche Sibylle des Philetas, und wahrſcheinlich
fuͤr die Lydiſchen Koͤnige gedichtet war, ohne ein beſtimm-

78) XXXVIII. c. 45. unter dem Jahr 566.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0333" n="311"/>
richten; ein Verbot welches natu&#x0364;rlich bald in Verge&#x017F;&#x017F;en-<lb/>
heit gerieth, und eben den ha&#x0364;ufigen Gebrauch der Sprache<lb/>
beweißt. Fu&#x0364;r die Abfa&#x017F;&#x017F;ung der alten ro&#x0364;mi&#x017F;chen &#x017F;ibyllini-<lb/>
&#x017F;chen Bu&#x0364;cher in griechi&#x017F;cher Sprache zeugt auch daß der<lb/>
Senat &#x017F;ie durch Annahme der &#x017F;ibyllini&#x017F;chen Bu&#x0364;cher und<lb/>
Spru&#x0364;che zu er&#x017F;etzen &#x017F;uchte die unter den Griechen umgin-<lb/>
gen, welche, wie aus Ari&#x017F;tophanes erhellt, neb&#x017F;t den<lb/>
Wei&#x017F;&#x017F;agungen des Bakis, wa&#x0364;hrend des Peloponne&#x017F;i&#x017F;chen<lb/>
Kriegs, &#x2014; in der er&#x017F;ten Ha&#x0364;lfte des vierten Jahrhunderts,<lb/>
&#x2014; in Athen bey den Gla&#x0364;ubigen in großem An&#x017F;ehen &#x017F;tan-<lb/>
den. Wahr&#x017F;cheinlich waren &#x017F;ie auch nichts anders als<lb/>
eben eine &#x017F;olche Sammlung, und wie die &#x017F;pa&#x0364;tern, eine<lb/>
Reihe in Hexametern verfaßter Orakel&#x017F;pru&#x0364;che. Denn ob-<lb/>
gleich in der Ge&#x017F;chichte als Re&#x017F;ultat der Befragung der<lb/>
heiligen Lieder nur die Vor&#x017F;chriften genannte griechi&#x017F;che<lb/>
Go&#x0364;tter be&#x017F;onders zu verehren, oder ihren Dien&#x017F;t in Rom<lb/>
einzufu&#x0364;hren angefu&#x0364;hrt &#x017F;ind, &#x017F;o la&#x0364;ßt &#x017F;ich theils hier, wo<lb/>
die Frage war nicht was bevor&#x017F;tehe, &#x017F;ondern was gethan<lb/>
werden &#x017F;olle, um den Himmel zu ver&#x017F;o&#x0364;hnen, nichts an-<lb/>
ders erwarten: theils findet &#x017F;ich doch auch bey Livius<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t <note place="foot" n="78)"><hi rendition="#aq">XXXVIII. c. 45.</hi> unter dem Jahr 566.</note> Meldung von einer be&#x017F;timmten Wahr&#x017F;agung,<lb/>
die freylich vom Erfolg widerlegt worden i&#x017F;t: Rom du&#x0364;rfe<lb/>
&#x017F;eine Herr&#x017F;chaft nicht u&#x0364;ber den Taurus ausdehnen. Ein<lb/>
Gebot, welches, wenn es &#x017F;ich in die&#x017F;en alten Bu&#x0364;chern<lb/>
fand, die gewiß nicht fu&#x0364;r Rom ge&#x017F;chrieben waren, nach<lb/>
A&#x017F;ien hindeutet, auf die Erythra&#x0364;i&#x017F;che Herophile, oder die<lb/>
Sardiani&#x017F;che Sibylle des Philetas, und wahr&#x017F;cheinlich<lb/>
fu&#x0364;r die Lydi&#x017F;chen Ko&#x0364;nige gedichtet war, ohne ein be&#x017F;timm-<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[311/0333] richten; ein Verbot welches natuͤrlich bald in Vergeſſen- heit gerieth, und eben den haͤufigen Gebrauch der Sprache beweißt. Fuͤr die Abfaſſung der alten roͤmiſchen ſibyllini- ſchen Buͤcher in griechiſcher Sprache zeugt auch daß der Senat ſie durch Annahme der ſibylliniſchen Buͤcher und Spruͤche zu erſetzen ſuchte die unter den Griechen umgin- gen, welche, wie aus Ariſtophanes erhellt, nebſt den Weiſſagungen des Bakis, waͤhrend des Peloponneſiſchen Kriegs, — in der erſten Haͤlfte des vierten Jahrhunderts, — in Athen bey den Glaͤubigen in großem Anſehen ſtan- den. Wahrſcheinlich waren ſie auch nichts anders als eben eine ſolche Sammlung, und wie die ſpaͤtern, eine Reihe in Hexametern verfaßter Orakelſpruͤche. Denn ob- gleich in der Geſchichte als Reſultat der Befragung der heiligen Lieder nur die Vorſchriften genannte griechiſche Goͤtter beſonders zu verehren, oder ihren Dienſt in Rom einzufuͤhren angefuͤhrt ſind, ſo laͤßt ſich theils hier, wo die Frage war nicht was bevorſtehe, ſondern was gethan werden ſolle, um den Himmel zu verſoͤhnen, nichts an- ders erwarten: theils findet ſich doch auch bey Livius ſelbſt 78) Meldung von einer beſtimmten Wahrſagung, die freylich vom Erfolg widerlegt worden iſt: Rom duͤrfe ſeine Herrſchaft nicht uͤber den Taurus ausdehnen. Ein Gebot, welches, wenn es ſich in dieſen alten Buͤchern fand, die gewiß nicht fuͤr Rom geſchrieben waren, nach Aſien hindeutet, auf die Erythraͤiſche Herophile, oder die Sardianiſche Sibylle des Philetas, und wahrſcheinlich fuͤr die Lydiſchen Koͤnige gedichtet war, ohne ein beſtimm- 78) XXXVIII. c. 45. unter dem Jahr 566.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische01_1811
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische01_1811/333
Zitationshilfe: Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 1. Berlin, 1811, S. 311. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische01_1811/333>, abgerufen am 28.07.2024.