Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 1. Berlin, 1811.

Bild:
<< vorherige Seite

leicht entwaffnet, und den Steinen, den Wurfspießen,
und dem Bley der Schleuderer vorzüglich ausgesetzt. Es
ist auch fast bis zur Evidenz wahrscheinlich daß die gänz-
liche Veränderung der Centuriengemeinde entweder Folge
der neuen Taktik war, oder doch zu ihrer Einführung in
sehr wesentlicher Beziehung stand.

Die Vermögenssteuer ward in einem gleichförmigen
Verhältniß zum steuerbaren Tausend vom Vermögen ent-
richtet. Daß die sechste Klasse bey dem wirklichen Besitz
einiger Habe gar nichts gezahlt haben sollte, wie nament-
lich Dionystus meldet, ist sicher ein Irrthum: Livius sagt
auch nur, diese Klasse sey frey vom Kriegsdienst gewesen.
Die Proletarier zahlten, nur die bloß Aufgezeichneten, die
Capite censi, von 375 Assen abwärts am Vermögen,
scheinen ganz steuerfrey gewesen zu seyn 53). In der
That, da der Tribut im wesentlichen eine Grundsteuer
war, muß, sobald irgend ein Eigenthum steuerbarer Ob-
jecte vorhanden war, auch die Besteuerung desselben ein-
getreten seyn. Man hat angenommen die Armen hätten,
wie zu Athen die Taglöhner nach Solons Gesetzen eine
Kopfsteuer (thetikon) gezahlt. Dafür aber läßt sich zu
Rom keine Spur entdecken: denn das tributum in capita,
welches freylich von dem welches nach dem Census gezahlt
ward unterschieden wird 54), scheint schon darum etwas
weit bedeutenderes und ganz anderes als so ein armseliger
Kopfgroschen gewesen zu seyn, weil es vor der Vermö-
genssteuer genannt wird. Eine verständige Timokratie

53) Gellius XVI. c. 10.
54) Festus s. v. tributorum collatio.

leicht entwaffnet, und den Steinen, den Wurfſpießen,
und dem Bley der Schleuderer vorzuͤglich ausgeſetzt. Es
iſt auch faſt bis zur Evidenz wahrſcheinlich daß die gaͤnz-
liche Veraͤnderung der Centuriengemeinde entweder Folge
der neuen Taktik war, oder doch zu ihrer Einfuͤhrung in
ſehr weſentlicher Beziehung ſtand.

Die Vermoͤgensſteuer ward in einem gleichfoͤrmigen
Verhaͤltniß zum ſteuerbaren Tauſend vom Vermoͤgen ent-
richtet. Daß die ſechſte Klaſſe bey dem wirklichen Beſitz
einiger Habe gar nichts gezahlt haben ſollte, wie nament-
lich Dionyſtus meldet, iſt ſicher ein Irrthum: Livius ſagt
auch nur, dieſe Klaſſe ſey frey vom Kriegsdienſt geweſen.
Die Proletarier zahlten, nur die bloß Aufgezeichneten, die
Capite censi, von 375 Aſſen abwaͤrts am Vermoͤgen,
ſcheinen ganz ſteuerfrey geweſen zu ſeyn 53). In der
That, da der Tribut im weſentlichen eine Grundſteuer
war, muß, ſobald irgend ein Eigenthum ſteuerbarer Ob-
jecte vorhanden war, auch die Beſteuerung deſſelben ein-
getreten ſeyn. Man hat angenommen die Armen haͤtten,
wie zu Athen die Tagloͤhner nach Solons Geſetzen eine
Kopfſteuer (ϑητικὸν) gezahlt. Dafuͤr aber laͤßt ſich zu
Rom keine Spur entdecken: denn das tributum in capita,
welches freylich von dem welches nach dem Cenſus gezahlt
ward unterſchieden wird 54), ſcheint ſchon darum etwas
weit bedeutenderes und ganz anderes als ſo ein armſeliger
Kopfgroſchen geweſen zu ſeyn, weil es vor der Vermoͤ-
gensſteuer genannt wird. Eine verſtaͤndige Timokratie

53) Gellius XVI. c. 10.
54) Feſtus s. v. tributorum collatio.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0302" n="280"/>
leicht entwaffnet, und den Steinen, den Wurf&#x017F;pießen,<lb/>
und dem Bley der Schleuderer vorzu&#x0364;glich ausge&#x017F;etzt. Es<lb/>
i&#x017F;t auch fa&#x017F;t bis zur Evidenz wahr&#x017F;cheinlich daß die ga&#x0364;nz-<lb/>
liche Vera&#x0364;nderung der Centuriengemeinde entweder Folge<lb/>
der neuen Taktik war, oder doch zu ihrer Einfu&#x0364;hrung in<lb/>
&#x017F;ehr we&#x017F;entlicher Beziehung &#x017F;tand.</p><lb/>
          <p>Die Vermo&#x0364;gens&#x017F;teuer ward in einem gleichfo&#x0364;rmigen<lb/>
Verha&#x0364;ltniß zum &#x017F;teuerbaren Tau&#x017F;end vom Vermo&#x0364;gen ent-<lb/>
richtet. Daß die &#x017F;ech&#x017F;te Kla&#x017F;&#x017F;e bey dem wirklichen Be&#x017F;itz<lb/>
einiger Habe gar nichts gezahlt haben &#x017F;ollte, wie nament-<lb/>
lich Diony&#x017F;tus meldet, i&#x017F;t &#x017F;icher ein Irrthum: Livius &#x017F;agt<lb/>
auch nur, die&#x017F;e Kla&#x017F;&#x017F;e &#x017F;ey frey vom Kriegsdien&#x017F;t gewe&#x017F;en.<lb/>
Die Proletarier zahlten, nur die bloß Aufgezeichneten, die<lb/><hi rendition="#aq">Capite censi,</hi> von 375 A&#x017F;&#x017F;en abwa&#x0364;rts am Vermo&#x0364;gen,<lb/>
&#x017F;cheinen ganz &#x017F;teuerfrey gewe&#x017F;en zu &#x017F;eyn <note place="foot" n="53)">Gellius <hi rendition="#aq">XVI. c.</hi> 10.</note>. In der<lb/>
That, da der Tribut im we&#x017F;entlichen eine Grund&#x017F;teuer<lb/>
war, muß, &#x017F;obald irgend ein Eigenthum &#x017F;teuerbarer Ob-<lb/>
jecte vorhanden war, auch die Be&#x017F;teuerung de&#x017F;&#x017F;elben ein-<lb/>
getreten &#x017F;eyn. Man hat angenommen die Armen ha&#x0364;tten,<lb/>
wie zu Athen die Taglo&#x0364;hner nach Solons Ge&#x017F;etzen eine<lb/>
Kopf&#x017F;teuer (&#x03D1;&#x03B7;&#x03C4;&#x03B9;&#x03BA;&#x1F78;&#x03BD;) gezahlt. Dafu&#x0364;r aber la&#x0364;ßt &#x017F;ich zu<lb/>
Rom keine Spur entdecken: denn das <hi rendition="#aq">tributum in capita,</hi><lb/>
welches freylich von dem welches nach dem Cen&#x017F;us gezahlt<lb/>
ward unter&#x017F;chieden wird <note place="foot" n="54)">Fe&#x017F;tus <hi rendition="#aq">s. v. tributorum collatio.</hi></note>, &#x017F;cheint &#x017F;chon darum etwas<lb/>
weit bedeutenderes und ganz anderes als &#x017F;o ein arm&#x017F;eliger<lb/>
Kopfgro&#x017F;chen gewe&#x017F;en zu &#x017F;eyn, weil es vor der Vermo&#x0364;-<lb/>
gens&#x017F;teuer genannt wird. Eine ver&#x017F;ta&#x0364;ndige Timokratie<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[280/0302] leicht entwaffnet, und den Steinen, den Wurfſpießen, und dem Bley der Schleuderer vorzuͤglich ausgeſetzt. Es iſt auch faſt bis zur Evidenz wahrſcheinlich daß die gaͤnz- liche Veraͤnderung der Centuriengemeinde entweder Folge der neuen Taktik war, oder doch zu ihrer Einfuͤhrung in ſehr weſentlicher Beziehung ſtand. Die Vermoͤgensſteuer ward in einem gleichfoͤrmigen Verhaͤltniß zum ſteuerbaren Tauſend vom Vermoͤgen ent- richtet. Daß die ſechſte Klaſſe bey dem wirklichen Beſitz einiger Habe gar nichts gezahlt haben ſollte, wie nament- lich Dionyſtus meldet, iſt ſicher ein Irrthum: Livius ſagt auch nur, dieſe Klaſſe ſey frey vom Kriegsdienſt geweſen. Die Proletarier zahlten, nur die bloß Aufgezeichneten, die Capite censi, von 375 Aſſen abwaͤrts am Vermoͤgen, ſcheinen ganz ſteuerfrey geweſen zu ſeyn 53). In der That, da der Tribut im weſentlichen eine Grundſteuer war, muß, ſobald irgend ein Eigenthum ſteuerbarer Ob- jecte vorhanden war, auch die Beſteuerung deſſelben ein- getreten ſeyn. Man hat angenommen die Armen haͤtten, wie zu Athen die Tagloͤhner nach Solons Geſetzen eine Kopfſteuer (ϑητικὸν) gezahlt. Dafuͤr aber laͤßt ſich zu Rom keine Spur entdecken: denn das tributum in capita, welches freylich von dem welches nach dem Cenſus gezahlt ward unterſchieden wird 54), ſcheint ſchon darum etwas weit bedeutenderes und ganz anderes als ſo ein armſeliger Kopfgroſchen geweſen zu ſeyn, weil es vor der Vermoͤ- gensſteuer genannt wird. Eine verſtaͤndige Timokratie 53) Gellius XVI. c. 10. 54) Feſtus s. v. tributorum collatio.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische01_1811
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische01_1811/302
Zitationshilfe: Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 1. Berlin, 1811, S. 280. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische01_1811/302>, abgerufen am 25.11.2024.