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Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 1. Berlin, 1811.

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Römern allenthalben herrschten. Ich habe 110 genannt,
denn diese Zahl findet sich wirklich bey Plinius 49), wel-
cher das Vermögen der ersten Klasse auf oder über
110000 Pfunde angiebt.

Für die Plebejer bestimmte die Eintheilung der Klas-
sen die Art des Kriegsdiensts, jeder im Verhältniß ihrer
Steuer, und ihres Antheils an der Ausübung der Souve-
rainetät. Alle Bürger welche das Vorrecht genossen mit
Waffen gerüstet zu seyn, und die Verpflichtung hatten zu
dienen, waren in eine gleiche Anzahl Centurien Jüngerer
und Alter eingetheilt. Zu jenen gehörten alle vom sieb-
zehnten bis zum sechs und vierzigsten Jahr: alle ältern
waren in den letzten begriffen. Die umständliche und sicht-
bar nicht willkührlich ersonnene Nachricht von der abwei-
chenden Bewaffnung der verschiedenen Klassen und ihrer
Aufstellung im Heer befremdet weil alle Eigenthümlich-
keiten der Römischen Armee fehlen, und vielmehr etwas
ganz andres als sie geschildert wird. Aber die älteste Ein-
richtung des Heers und der Schlachtordnung hat keine
Beziehung auf die Organisation welche Rom später un-
überwindlich machte, welche Polybius in ihrer vervoll-
kommten Einfachheit als Augenzeuge beschreibt, Livius
nach alten Nachrichten in ihrer anfänglichen verwickelte-
ren Künstlichkeit: in seinem Zeitalter war selbst die Taktik
der Scipionen nur noch ein Gegenstand militärischer Ge-
lehrsamkeit. Jene welche Livius beschreibt, ist im vier-
ten Jahrhundert entstanden, aber der Nahme des großen
Mannes der sie schuf, die unbeholfne Masse eines Phalanx

49) XXXIII. c. 13.

Roͤmern allenthalben herrſchten. Ich habe 110 genannt,
denn dieſe Zahl findet ſich wirklich bey Plinius 49), wel-
cher das Vermoͤgen der erſten Klaſſe auf oder uͤber
110000 Pfunde angiebt.

Fuͤr die Plebejer beſtimmte die Eintheilung der Klaſ-
ſen die Art des Kriegsdienſts, jeder im Verhaͤltniß ihrer
Steuer, und ihres Antheils an der Ausuͤbung der Souve-
rainetaͤt. Alle Buͤrger welche das Vorrecht genoſſen mit
Waffen geruͤſtet zu ſeyn, und die Verpflichtung hatten zu
dienen, waren in eine gleiche Anzahl Centurien Juͤngerer
und Alter eingetheilt. Zu jenen gehoͤrten alle vom ſieb-
zehnten bis zum ſechs und vierzigſten Jahr: alle aͤltern
waren in den letzten begriffen. Die umſtaͤndliche und ſicht-
bar nicht willkuͤhrlich erſonnene Nachricht von der abwei-
chenden Bewaffnung der verſchiedenen Klaſſen und ihrer
Aufſtellung im Heer befremdet weil alle Eigenthuͤmlich-
keiten der Roͤmiſchen Armee fehlen, und vielmehr etwas
ganz andres als ſie geſchildert wird. Aber die aͤlteſte Ein-
richtung des Heers und der Schlachtordnung hat keine
Beziehung auf die Organiſation welche Rom ſpaͤter un-
uͤberwindlich machte, welche Polybius in ihrer vervoll-
kommten Einfachheit als Augenzeuge beſchreibt, Livius
nach alten Nachrichten in ihrer anfaͤnglichen verwickelte-
ren Kuͤnſtlichkeit: in ſeinem Zeitalter war ſelbſt die Taktik
der Scipionen nur noch ein Gegenſtand militaͤriſcher Ge-
lehrſamkeit. Jene welche Livius beſchreibt, iſt im vier-
ten Jahrhundert entſtanden, aber der Nahme des großen
Mannes der ſie ſchuf, die unbeholfne Maſſe eines Phalanx

49) XXXIII. c. 13.
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[277/0299] Roͤmern allenthalben herrſchten. Ich habe 110 genannt, denn dieſe Zahl findet ſich wirklich bey Plinius 49), wel- cher das Vermoͤgen der erſten Klaſſe auf oder uͤber 110000 Pfunde angiebt. Fuͤr die Plebejer beſtimmte die Eintheilung der Klaſ- ſen die Art des Kriegsdienſts, jeder im Verhaͤltniß ihrer Steuer, und ihres Antheils an der Ausuͤbung der Souve- rainetaͤt. Alle Buͤrger welche das Vorrecht genoſſen mit Waffen geruͤſtet zu ſeyn, und die Verpflichtung hatten zu dienen, waren in eine gleiche Anzahl Centurien Juͤngerer und Alter eingetheilt. Zu jenen gehoͤrten alle vom ſieb- zehnten bis zum ſechs und vierzigſten Jahr: alle aͤltern waren in den letzten begriffen. Die umſtaͤndliche und ſicht- bar nicht willkuͤhrlich erſonnene Nachricht von der abwei- chenden Bewaffnung der verſchiedenen Klaſſen und ihrer Aufſtellung im Heer befremdet weil alle Eigenthuͤmlich- keiten der Roͤmiſchen Armee fehlen, und vielmehr etwas ganz andres als ſie geſchildert wird. Aber die aͤlteſte Ein- richtung des Heers und der Schlachtordnung hat keine Beziehung auf die Organiſation welche Rom ſpaͤter un- uͤberwindlich machte, welche Polybius in ihrer vervoll- kommten Einfachheit als Augenzeuge beſchreibt, Livius nach alten Nachrichten in ihrer anfaͤnglichen verwickelte- ren Kuͤnſtlichkeit: in ſeinem Zeitalter war ſelbſt die Taktik der Scipionen nur noch ein Gegenſtand militaͤriſcher Ge- lehrſamkeit. Jene welche Livius beſchreibt, iſt im vier- ten Jahrhundert entſtanden, aber der Nahme des großen Mannes der ſie ſchuf, die unbeholfne Maſſe eines Phalanx 49) XXXIII. c. 13.

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Zitationshilfe: Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 1. Berlin, 1811, S. 277. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische01_1811/299>, abgerufen am 25.11.2024.