in Rom, sondern auch in Capua 76). Und so war es auch in Rom keine Einschränkung der Rechte der großen Volkszahl, daß Servius Tullius den Census einführte; keine Beschränkung der Democratie, wie Livius, dieser Verfassung abhold in deren Mißbrauch die Republik un- tergegangen war, urtheilt; sondern vielmehr, eben wie Solons Verfassung, ein Uebergang aus der strengen Ari- stocratie zur gemischten Politie.
Als einen ersten Schritt zu diesem Uebergang muß man es, glaube ich, betrachten, daß L. Tarquinius die Romulischen drey Rittercenturien, oder die drey ur- sprünglichen Stämme mit eben so vielen vermehren wollte, und wenn er gleich dem Widerstand in Hinsicht der Form nachgeben mußte, doch in der That seine Absicht erreichte. Schon hatte er durch die Aufnahme der minderen Ge- schlechter unter die Patricier die etruskische Verfassung außerordentlich geändert.
Die ursprüngliche Eintheilung der Tities, Ramnes und Luceres wird von den alten Schriftstellern theils für Tribus der ganzen Nation, theils für Centurien der Rit- ter allein genommen 77). In jenem Sinn werden ihnen die Curien untergeordnet, zehn auf jede Tribus, so wie
76) Livius VIII. c. 14. Während Capua von Rom abgefallen war, blieben die Ritter treu.
77) Jenes thut Dionysius II. c. 7. Varro de L. L. IV. c. 9. Ovidius Fast. III. v. 131. 132. -- Diese Anführungen ließen sich leicht vermehren. -- Das letzte Livius I. c. 13. 36.; ob- gleich auch er an einer andern Stelle (X. c. 6.) eine Na- tionaleintheilung in ihnen erkennt. Die Zahl einer Centurie ist hier nicht auf hundert beschränkt.
in Rom, ſondern auch in Capua 76). Und ſo war es auch in Rom keine Einſchraͤnkung der Rechte der großen Volkszahl, daß Servius Tullius den Cenſus einfuͤhrte; keine Beſchraͤnkung der Democratie, wie Livius, dieſer Verfaſſung abhold in deren Mißbrauch die Republik un- tergegangen war, urtheilt; ſondern vielmehr, eben wie Solons Verfaſſung, ein Uebergang aus der ſtrengen Ari- ſtocratie zur gemiſchten Politie.
Als einen erſten Schritt zu dieſem Uebergang muß man es, glaube ich, betrachten, daß L. Tarquinius die Romuliſchen drey Rittercenturien, oder die drey ur- ſpruͤnglichen Staͤmme mit eben ſo vielen vermehren wollte, und wenn er gleich dem Widerſtand in Hinſicht der Form nachgeben mußte, doch in der That ſeine Abſicht erreichte. Schon hatte er durch die Aufnahme der minderen Ge- ſchlechter unter die Patricier die etruskiſche Verfaſſung außerordentlich geaͤndert.
Die urſpruͤngliche Eintheilung der Tities, Ramnes und Luceres wird von den alten Schriftſtellern theils fuͤr Tribus der ganzen Nation, theils fuͤr Centurien der Rit- ter allein genommen 77). In jenem Sinn werden ihnen die Curien untergeordnet, zehn auf jede Tribus, ſo wie
76) Livius VIII. c. 14. Waͤhrend Capua von Rom abgefallen war, blieben die Ritter treu.
77) Jenes thut Dionyſius II. c. 7. Varro de L. L. IV. c. 9. Ovidius Fast. III. v. 131. 132. — Dieſe Anfuͤhrungen ließen ſich leicht vermehren. — Das letzte Livius I. c. 13. 36.; ob- gleich auch er an einer andern Stelle (X. c. 6.) eine Na- tionaleintheilung in ihnen erkennt. Die Zahl einer Centurie iſt hier nicht auf hundert beſchraͤnkt.
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in Rom, ſondern auch in Capua 76). Und ſo war es
auch in Rom keine Einſchraͤnkung der Rechte der großen
Volkszahl, daß Servius Tullius den Cenſus einfuͤhrte;
keine Beſchraͤnkung der Democratie, wie Livius, dieſer
Verfaſſung abhold in deren Mißbrauch die Republik un-
tergegangen war, urtheilt; ſondern vielmehr, eben wie
Solons Verfaſſung, ein Uebergang aus der ſtrengen Ari-
ſtocratie zur gemiſchten Politie.
Als einen erſten Schritt zu dieſem Uebergang muß
man es, glaube ich, betrachten, daß L. Tarquinius die
Romuliſchen drey Rittercenturien, oder die drey ur-
ſpruͤnglichen Staͤmme mit eben ſo vielen vermehren wollte,
und wenn er gleich dem Widerſtand in Hinſicht der Form
nachgeben mußte, doch in der That ſeine Abſicht erreichte.
Schon hatte er durch die Aufnahme der minderen Ge-
ſchlechter unter die Patricier die etruskiſche Verfaſſung
außerordentlich geaͤndert.
Die urſpruͤngliche Eintheilung der Tities, Ramnes
und Luceres wird von den alten Schriftſtellern theils fuͤr
Tribus der ganzen Nation, theils fuͤr Centurien der Rit-
ter allein genommen 77). In jenem Sinn werden ihnen
die Curien untergeordnet, zehn auf jede Tribus, ſo wie
76) Livius VIII. c. 14. Waͤhrend Capua von Rom abgefallen
war, blieben die Ritter treu.
77) Jenes thut Dionyſius II. c. 7. Varro de L. L. IV. c. 9.
Ovidius Fast. III. v. 131. 132. — Dieſe Anfuͤhrungen ließen
ſich leicht vermehren. — Das letzte Livius I. c. 13. 36.; ob-
gleich auch er an einer andern Stelle (X. c. 6.) eine Na-
tionaleintheilung in ihnen erkennt. Die Zahl einer Centurie
iſt hier nicht auf hundert beſchraͤnkt.
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Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 1. Berlin, 1811, S. 223. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische01_1811/245>, abgerufen am 16.02.2025.
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