die Olympiaden hinausgesetzt, scheint darum nicht zu- lässig, weil er dann wieder 32 Jahre zu wenig zählt, und eine schwankende Angabe von ihm viel eher als Kennt- niß einer berechneten wahrscheinlich ist.
Die Könige Tullus, Ancus und L. Tarquinius.
Zu Rom, wie in den etruskischen Städten, ward die königliche Würde durch freye, von keinem Erbrecht be- schränkte Wahl, für das Leben übertragen: an gesetzli- cher Gewalt nicht mächtiger als die Dictatur, unter wel- chem Nahmen die höchste Magistratur bey den Latinern damals schon auf eine bestimmte Dauer eingeschränkt ge- wesen zu seyn scheint. Ausübung dieser Gewalt während des Lebens eines Mannes, welcher seinen Mitbürgern der höchsten Würde fähig geschienen hatte, verstärkte aller- dings ihre Kraft über das Maaß einer wechselnden Magi- stratur, und mußte, wenn ein solcher Fürst seine Söhne zu reifen Männern heranwachsen sah, zur Erblich- keit führen.
Es heißt bey den Geschichtschreibern, das Volk habe gewählt, und der Senat die Wahl bestätigt: der Nahme Volk führt hier irre, denn er erweckt die Vorstellung einer demokratischen Versammlung. Diese haben die Späteren, von Dionysius an, vorausgesetzt; aber die Nation, oder die Gesammtheit der stimmfähigen Bür- ger, war damals weit entfernt eine solche zu bilden. Tullus Hostilius wird der Sohn des Hostus Hostilius genannt, der im Sabinerkriege als Römischer Anfüh-
die Olympiaden hinausgeſetzt, ſcheint darum nicht zu- laͤſſig, weil er dann wieder 32 Jahre zu wenig zaͤhlt, und eine ſchwankende Angabe von ihm viel eher als Kennt- niß einer berechneten wahrſcheinlich iſt.
Die Koͤnige Tullus, Ancus und L. Tarquinius.
Zu Rom, wie in den etruskiſchen Staͤdten, ward die koͤnigliche Wuͤrde durch freye, von keinem Erbrecht be- ſchraͤnkte Wahl, fuͤr das Leben uͤbertragen: an geſetzli- cher Gewalt nicht maͤchtiger als die Dictatur, unter wel- chem Nahmen die hoͤchſte Magiſtratur bey den Latinern damals ſchon auf eine beſtimmte Dauer eingeſchraͤnkt ge- weſen zu ſeyn ſcheint. Ausuͤbung dieſer Gewalt waͤhrend des Lebens eines Mannes, welcher ſeinen Mitbuͤrgern der hoͤchſten Wuͤrde faͤhig geſchienen hatte, verſtaͤrkte aller- dings ihre Kraft uͤber das Maaß einer wechſelnden Magi- ſtratur, und mußte, wenn ein ſolcher Fuͤrſt ſeine Soͤhne zu reifen Maͤnnern heranwachſen ſah, zur Erblich- keit fuͤhren.
Es heißt bey den Geſchichtſchreibern, das Volk habe gewaͤhlt, und der Senat die Wahl beſtaͤtigt: der Nahme Volk fuͤhrt hier irre, denn er erweckt die Vorſtellung einer demokratiſchen Verſammlung. Dieſe haben die Spaͤteren, von Dionyſius an, vorausgeſetzt; aber die Nation, oder die Geſammtheit der ſtimmfaͤhigen Buͤr- ger, war damals weit entfernt eine ſolche zu bilden. Tullus Hoſtilius wird der Sohn des Hoſtus Hoſtilius genannt, der im Sabinerkriege als Roͤmiſcher Anfuͤh-
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die Olympiaden hinausgeſetzt, ſcheint darum nicht zu-
laͤſſig, weil er dann wieder 32 Jahre zu wenig zaͤhlt,
und eine ſchwankende Angabe von ihm viel eher als Kennt-
niß einer berechneten wahrſcheinlich iſt.
Die Koͤnige Tullus, Ancus und
L. Tarquinius.
Zu Rom, wie in den etruskiſchen Staͤdten, ward die
koͤnigliche Wuͤrde durch freye, von keinem Erbrecht be-
ſchraͤnkte Wahl, fuͤr das Leben uͤbertragen: an geſetzli-
cher Gewalt nicht maͤchtiger als die Dictatur, unter wel-
chem Nahmen die hoͤchſte Magiſtratur bey den Latinern
damals ſchon auf eine beſtimmte Dauer eingeſchraͤnkt ge-
weſen zu ſeyn ſcheint. Ausuͤbung dieſer Gewalt waͤhrend
des Lebens eines Mannes, welcher ſeinen Mitbuͤrgern der
hoͤchſten Wuͤrde faͤhig geſchienen hatte, verſtaͤrkte aller-
dings ihre Kraft uͤber das Maaß einer wechſelnden Magi-
ſtratur, und mußte, wenn ein ſolcher Fuͤrſt ſeine Soͤhne
zu reifen Maͤnnern heranwachſen ſah, zur Erblich-
keit fuͤhren.
Es heißt bey den Geſchichtſchreibern, das Volk habe
gewaͤhlt, und der Senat die Wahl beſtaͤtigt: der Nahme
Volk fuͤhrt hier irre, denn er erweckt die Vorſtellung
einer demokratiſchen Verſammlung. Dieſe haben die
Spaͤteren, von Dionyſius an, vorausgeſetzt; aber die
Nation, oder die Geſammtheit der ſtimmfaͤhigen Buͤr-
ger, war damals weit entfernt eine ſolche zu bilden.
Tullus Hoſtilius wird der Sohn des Hoſtus Hoſtilius
genannt, der im Sabinerkriege als Roͤmiſcher Anfuͤh-
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Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 1. Berlin, 1811, S. 206. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische01_1811/228>, abgerufen am 23.11.2024.
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