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Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 1. Berlin, 1811.

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Diagramme im Sande. Und dies ist noch entscheidender
als die Erwägung, daß man nur die Wahl hat zwischen
der Voraussetzung, daß die ältesten Römer nicht nur un-
wissend, sondern sinnlos einen auf keine Analogie der
Natur und der Wissenschaft gegründeten, oder daß sie
einen von einem gelehrten Volk berechneten Kalender ge-
braucht hätten. Mit Macrobius, der den Cyclus ver-
kennt, anzunehmen, die ältesten Römer hätten, wenn
die Jahrszeiten mit ihren Monaten nicht passen wollten,
eine Zeit vergehen lassen die gar keinen Namen gehabt
habe, heißt aus eigner Unkunde des Denkens selbst der ro-
hesten Völker, die Römer unter die Irokesen an Barba-
rey herabsetzen. Romulus wollen wir allerdings nicht un-
ter die Astronomen rechnen, welches Scaliger verbittet;
aber der Nahme des romulischen Jahrs kann und soll
auch nichts weiter bedeuten als das ursprüngliche vor-
latinische.

Darin aber fehlten wahrscheinlich die römischen Archäo-
logen daß sie annahmen, beydes, der zehnmonatliche Ka-
lender sey ursprünglich allein im Gebrauch gewesen, und
nachher völlig aufgegeben. Jenes ist nicht wahrschein-
lich weil er sich so genau auf den Mondjahrcyclus bezieht,
daß gleichzeitige Ausbildung fast nicht bezweifelt werden
kann, auch der älteste volksgebräuchliche wohl nothwen-
dig den Wechsel des Mondes beobachtete: und ein solcher,
der sich den Jahrszeiten anfügte, auch wohl immer ein
Bedürfniß gewesen seyn muß. Das letzte ist irrig: viel-
mehr ist das zehnmonatliche Jahr unzweifelhaft noch
lange nach der königlichen Herrschaft gebraucht wor-

Diagramme im Sande. Und dies iſt noch entſcheidender
als die Erwaͤgung, daß man nur die Wahl hat zwiſchen
der Vorausſetzung, daß die aͤlteſten Roͤmer nicht nur un-
wiſſend, ſondern ſinnlos einen auf keine Analogie der
Natur und der Wiſſenſchaft gegruͤndeten, oder daß ſie
einen von einem gelehrten Volk berechneten Kalender ge-
braucht haͤtten. Mit Macrobius, der den Cyclus ver-
kennt, anzunehmen, die aͤlteſten Roͤmer haͤtten, wenn
die Jahrszeiten mit ihren Monaten nicht paſſen wollten,
eine Zeit vergehen laſſen die gar keinen Namen gehabt
habe, heißt aus eigner Unkunde des Denkens ſelbſt der ro-
heſten Voͤlker, die Roͤmer unter die Irokeſen an Barba-
rey herabſetzen. Romulus wollen wir allerdings nicht un-
ter die Aſtronomen rechnen, welches Scaliger verbittet;
aber der Nahme des romuliſchen Jahrs kann und ſoll
auch nichts weiter bedeuten als das urſpruͤngliche vor-
latiniſche.

Darin aber fehlten wahrſcheinlich die roͤmiſchen Archaͤo-
logen daß ſie annahmen, beydes, der zehnmonatliche Ka-
lender ſey urſpruͤnglich allein im Gebrauch geweſen, und
nachher voͤllig aufgegeben. Jenes iſt nicht wahrſchein-
lich weil er ſich ſo genau auf den Mondjahrcyclus bezieht,
daß gleichzeitige Ausbildung faſt nicht bezweifelt werden
kann, auch der aͤlteſte volksgebraͤuchliche wohl nothwen-
dig den Wechſel des Mondes beobachtete: und ein ſolcher,
der ſich den Jahrszeiten anfuͤgte, auch wohl immer ein
Beduͤrfniß geweſen ſeyn muß. Das letzte iſt irrig: viel-
mehr iſt das zehnmonatliche Jahr unzweifelhaft noch
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[201/0223] Diagramme im Sande. Und dies iſt noch entſcheidender als die Erwaͤgung, daß man nur die Wahl hat zwiſchen der Vorausſetzung, daß die aͤlteſten Roͤmer nicht nur un- wiſſend, ſondern ſinnlos einen auf keine Analogie der Natur und der Wiſſenſchaft gegruͤndeten, oder daß ſie einen von einem gelehrten Volk berechneten Kalender ge- braucht haͤtten. Mit Macrobius, der den Cyclus ver- kennt, anzunehmen, die aͤlteſten Roͤmer haͤtten, wenn die Jahrszeiten mit ihren Monaten nicht paſſen wollten, eine Zeit vergehen laſſen die gar keinen Namen gehabt habe, heißt aus eigner Unkunde des Denkens ſelbſt der ro- heſten Voͤlker, die Roͤmer unter die Irokeſen an Barba- rey herabſetzen. Romulus wollen wir allerdings nicht un- ter die Aſtronomen rechnen, welches Scaliger verbittet; aber der Nahme des romuliſchen Jahrs kann und ſoll auch nichts weiter bedeuten als das urſpruͤngliche vor- latiniſche. Darin aber fehlten wahrſcheinlich die roͤmiſchen Archaͤo- logen daß ſie annahmen, beydes, der zehnmonatliche Ka- lender ſey urſpruͤnglich allein im Gebrauch geweſen, und nachher voͤllig aufgegeben. Jenes iſt nicht wahrſchein- lich weil er ſich ſo genau auf den Mondjahrcyclus bezieht, daß gleichzeitige Ausbildung faſt nicht bezweifelt werden kann, auch der aͤlteſte volksgebraͤuchliche wohl nothwen- dig den Wechſel des Mondes beobachtete: und ein ſolcher, der ſich den Jahrszeiten anfuͤgte, auch wohl immer ein Beduͤrfniß geweſen ſeyn muß. Das letzte iſt irrig: viel- mehr iſt das zehnmonatliche Jahr unzweifelhaft noch lange nach der koͤniglichen Herrſchaft gebraucht wor-

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Zitationshilfe: Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 1. Berlin, 1811, S. 201. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische01_1811/223>, abgerufen am 22.11.2024.