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Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 1. Berlin, 1811.

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zusammen) zwey Säkeln verfließen können, müssen die
fehlenden vier Jahre später eingeschoben werden, sonst
wäre das letzte Jahr nur 294. Aber auch der Anfang der
Consularfasten ist so zerstört daß dies keine Schwierigkeit
macht, sobald jene Punkte feststehen.

Wird ferner eingeräumt daß beyde Könige völlig my-
thologisch sind, daß ihre Geschichte nicht auf historischem
Grunde ausgeschmückt, sondern in ihrem innersten Wesen
Dichtung ist, so läßt sich auch die Bestimmung ihrer an-
geblichen Regierungsdauer nur entweder aus dreister Will-
kühr, oder aus der Anwendung gewisser Zahlverhältnisse
erklären: und wie auch uns jenes wahrscheinlicher vor-
kommen mag, von den alten Völkern ist das letzte mit weit
größerem Recht zu vermuthen, vor allem da wo die An-
nalen in den Händen einer gelehrten Priestercaste sind.
Diesen Charakter trägt Asiens Chronologie; vieles was
schon gesagt ist, und andres was ich ferner bemerken
werde, macht ein gleiches von den Etruskern, den Weisen
des alten Roms, fast entschieden gewiß. Das cyclische
Jahr war in 38 Nundinen getheilt. War nun eigentlich
das Jahr der großen Feyer das erste eines neuen Säcu-
lums, schloß das vorhergehende in diesem Fall mit dem
sieben und siebzigsten, so würde die ursprüngliche Zeitrech-
nung die Regierung zweyer Könige, des kriegerischen
Stifters, und des frommen Gesetzgebers, enthalten; jede,
als Einheit, dem Jahre gleich, acht und dreyßig Jahre
als eben so viele Nundinen in sich fassend; geschieden, als
ganz verschiedenartige, von einer Kluft getrennte Zu-
stände, durch einen Zwischenraum den ein Jahr ausdrückt.


zuſammen) zwey Saͤkeln verfließen koͤnnen, muͤſſen die
fehlenden vier Jahre ſpaͤter eingeſchoben werden, ſonſt
waͤre das letzte Jahr nur 294. Aber auch der Anfang der
Conſularfaſten iſt ſo zerſtoͤrt daß dies keine Schwierigkeit
macht, ſobald jene Punkte feſtſtehen.

Wird ferner eingeraͤumt daß beyde Koͤnige voͤllig my-
thologiſch ſind, daß ihre Geſchichte nicht auf hiſtoriſchem
Grunde ausgeſchmuͤckt, ſondern in ihrem innerſten Weſen
Dichtung iſt, ſo laͤßt ſich auch die Beſtimmung ihrer an-
geblichen Regierungsdauer nur entweder aus dreiſter Will-
kuͤhr, oder aus der Anwendung gewiſſer Zahlverhaͤltniſſe
erklaͤren: und wie auch uns jenes wahrſcheinlicher vor-
kommen mag, von den alten Voͤlkern iſt das letzte mit weit
groͤßerem Recht zu vermuthen, vor allem da wo die An-
nalen in den Haͤnden einer gelehrten Prieſtercaſte ſind.
Dieſen Charakter traͤgt Aſiens Chronologie; vieles was
ſchon geſagt iſt, und andres was ich ferner bemerken
werde, macht ein gleiches von den Etruskern, den Weiſen
des alten Roms, faſt entſchieden gewiß. Das cycliſche
Jahr war in 38 Nundinen getheilt. War nun eigentlich
das Jahr der großen Feyer das erſte eines neuen Saͤcu-
lums, ſchloß das vorhergehende in dieſem Fall mit dem
ſieben und ſiebzigſten, ſo wuͤrde die urſpruͤngliche Zeitrech-
nung die Regierung zweyer Koͤnige, des kriegeriſchen
Stifters, und des frommen Geſetzgebers, enthalten; jede,
als Einheit, dem Jahre gleich, acht und dreyßig Jahre
als eben ſo viele Nundinen in ſich faſſend; geſchieden, als
ganz verſchiedenartige, von einer Kluft getrennte Zu-
ſtaͤnde, durch einen Zwiſchenraum den ein Jahr ausdruͤckt.


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[172/0194] zuſammen) zwey Saͤkeln verfließen koͤnnen, muͤſſen die fehlenden vier Jahre ſpaͤter eingeſchoben werden, ſonſt waͤre das letzte Jahr nur 294. Aber auch der Anfang der Conſularfaſten iſt ſo zerſtoͤrt daß dies keine Schwierigkeit macht, ſobald jene Punkte feſtſtehen. Wird ferner eingeraͤumt daß beyde Koͤnige voͤllig my- thologiſch ſind, daß ihre Geſchichte nicht auf hiſtoriſchem Grunde ausgeſchmuͤckt, ſondern in ihrem innerſten Weſen Dichtung iſt, ſo laͤßt ſich auch die Beſtimmung ihrer an- geblichen Regierungsdauer nur entweder aus dreiſter Will- kuͤhr, oder aus der Anwendung gewiſſer Zahlverhaͤltniſſe erklaͤren: und wie auch uns jenes wahrſcheinlicher vor- kommen mag, von den alten Voͤlkern iſt das letzte mit weit groͤßerem Recht zu vermuthen, vor allem da wo die An- nalen in den Haͤnden einer gelehrten Prieſtercaſte ſind. Dieſen Charakter traͤgt Aſiens Chronologie; vieles was ſchon geſagt iſt, und andres was ich ferner bemerken werde, macht ein gleiches von den Etruskern, den Weiſen des alten Roms, faſt entſchieden gewiß. Das cycliſche Jahr war in 38 Nundinen getheilt. War nun eigentlich das Jahr der großen Feyer das erſte eines neuen Saͤcu- lums, ſchloß das vorhergehende in dieſem Fall mit dem ſieben und ſiebzigſten, ſo wuͤrde die urſpruͤngliche Zeitrech- nung die Regierung zweyer Koͤnige, des kriegeriſchen Stifters, und des frommen Geſetzgebers, enthalten; jede, als Einheit, dem Jahre gleich, acht und dreyßig Jahre als eben ſo viele Nundinen in ſich faſſend; geſchieden, als ganz verſchiedenartige, von einer Kluft getrennte Zu- ſtaͤnde, durch einen Zwiſchenraum den ein Jahr ausdruͤckt.

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Zitationshilfe: Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 1. Berlin, 1811, S. 172. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische01_1811/194>, abgerufen am 25.11.2024.