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Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 1. Berlin, 1811.

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fünf Tagen die königlichen Insignien als Interrex zu-
schreibt; vielleicht, denn ausgemacht ist es nicht, herrschte
so lange jeder republikanische Interrex, der aber durch
Wahl der Patricier nicht nach Reihenfolge seine Würde
empfing. Fremdartiger und eigenthümlicher ist was Li-
vius weldet; jede Decurie sey während fünf Tagen Stell-
vertreterin des Königs gewesen: und Plutarch erläutert
dies; jeder Senator derselben einen halben Tag lang mit
den königlichen Insignien geehrt. So ging die höchste
Gewalt und Ehre wiederhohlt im Kreis umher unter
allen Senatoren; und Rom zählte ein ganzes Jahr In-
terregnum.

Inzwischen ward bey dem härter gedrückten Volk
die Sehnsucht nach einem königlichen Oberhaupt immer
lauter: und die Senatoren entschlossen sich zu thun,
wodurch ihre Nachfolger bis in späte Zeiten Würde
und den wesentlichsten Theil der Macht bewahrten, An-
sprüche aufzugeben welche alles in Gefahr bringen konn-
ten. Die Herstellung der Königswürde ward beschlos-
sen, aber die ursprünglichen Römer und die Sabiner
machten beyde Ansprüche der Nation einen König aus
ihrem Volk zu geben. Man vereinigte sich daß die Rö-
mer einen König aus den Sabinern erwählen sollten:
und alle Stimmen vereinigten sich für den weisen und
frommen Numa Pompilius. Die Angabe seines Wohn-
orts Cures zeigt daß die alte Sage keinen Unterschied
zwischen den übrigen Sabinern und einer Colonie des
Tatius machte, sondern die ganze Nation für vereinigt
mit Rom unter einem Könige gehalten hat.


fuͤnf Tagen die koͤniglichen Inſignien als Interrex zu-
ſchreibt; vielleicht, denn ausgemacht iſt es nicht, herrſchte
ſo lange jeder republikaniſche Interrex, der aber durch
Wahl der Patricier nicht nach Reihenfolge ſeine Wuͤrde
empfing. Fremdartiger und eigenthuͤmlicher iſt was Li-
vius weldet; jede Decurie ſey waͤhrend fuͤnf Tagen Stell-
vertreterin des Koͤnigs geweſen: und Plutarch erlaͤutert
dies; jeder Senator derſelben einen halben Tag lang mit
den koͤniglichen Inſignien geehrt. So ging die hoͤchſte
Gewalt und Ehre wiederhohlt im Kreis umher unter
allen Senatoren; und Rom zaͤhlte ein ganzes Jahr In-
terregnum.

Inzwiſchen ward bey dem haͤrter gedruͤckten Volk
die Sehnſucht nach einem koͤniglichen Oberhaupt immer
lauter: und die Senatoren entſchloſſen ſich zu thun,
wodurch ihre Nachfolger bis in ſpaͤte Zeiten Wuͤrde
und den weſentlichſten Theil der Macht bewahrten, An-
ſpruͤche aufzugeben welche alles in Gefahr bringen konn-
ten. Die Herſtellung der Koͤnigswuͤrde ward beſchloſ-
ſen, aber die urſpruͤnglichen Roͤmer und die Sabiner
machten beyde Anſpruͤche der Nation einen Koͤnig aus
ihrem Volk zu geben. Man vereinigte ſich daß die Roͤ-
mer einen Koͤnig aus den Sabinern erwaͤhlen ſollten:
und alle Stimmen vereinigten ſich fuͤr den weiſen und
frommen Numa Pompilius. Die Angabe ſeines Wohn-
orts Cures zeigt daß die alte Sage keinen Unterſchied
zwiſchen den uͤbrigen Sabinern und einer Colonie des
Tatius machte, ſondern die ganze Nation fuͤr vereinigt
mit Rom unter einem Koͤnige gehalten hat.


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[165/0187] fuͤnf Tagen die koͤniglichen Inſignien als Interrex zu- ſchreibt; vielleicht, denn ausgemacht iſt es nicht, herrſchte ſo lange jeder republikaniſche Interrex, der aber durch Wahl der Patricier nicht nach Reihenfolge ſeine Wuͤrde empfing. Fremdartiger und eigenthuͤmlicher iſt was Li- vius weldet; jede Decurie ſey waͤhrend fuͤnf Tagen Stell- vertreterin des Koͤnigs geweſen: und Plutarch erlaͤutert dies; jeder Senator derſelben einen halben Tag lang mit den koͤniglichen Inſignien geehrt. So ging die hoͤchſte Gewalt und Ehre wiederhohlt im Kreis umher unter allen Senatoren; und Rom zaͤhlte ein ganzes Jahr In- terregnum. Inzwiſchen ward bey dem haͤrter gedruͤckten Volk die Sehnſucht nach einem koͤniglichen Oberhaupt immer lauter: und die Senatoren entſchloſſen ſich zu thun, wodurch ihre Nachfolger bis in ſpaͤte Zeiten Wuͤrde und den weſentlichſten Theil der Macht bewahrten, An- ſpruͤche aufzugeben welche alles in Gefahr bringen konn- ten. Die Herſtellung der Koͤnigswuͤrde ward beſchloſ- ſen, aber die urſpruͤnglichen Roͤmer und die Sabiner machten beyde Anſpruͤche der Nation einen Koͤnig aus ihrem Volk zu geben. Man vereinigte ſich daß die Roͤ- mer einen Koͤnig aus den Sabinern erwaͤhlen ſollten: und alle Stimmen vereinigten ſich fuͤr den weiſen und frommen Numa Pompilius. Die Angabe ſeines Wohn- orts Cures zeigt daß die alte Sage keinen Unterſchied zwiſchen den uͤbrigen Sabinern und einer Colonie des Tatius machte, ſondern die ganze Nation fuͤr vereinigt mit Rom unter einem Koͤnige gehalten hat.

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Zitationshilfe: Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 1. Berlin, 1811, S. 165. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische01_1811/187>, abgerufen am 22.11.2024.