in Rom so allgemein daß nur einige wenige der grie- chischen folgten, und die Brüder Söhne oder Tochtersöhne des Aeneas nannten, welche Latinus zu seinen Erben an- genommen: oder jüngere Brüder des Askanius mit denen dieser sein Erbe getheilt hätte, worauf sie ausgezogen wä- ren, Rom, Kapua, und zwey fabelhafte Städte, Anchise und Aenea, gestiftet hätten 89).
So freylich konnte nur ein mit der Archäologie Italiens ganz unbekannter Grieche fabeln: Sylburg hat im Ety- mologicum 90) eine Stelle des Orus nachgewiesen, woraus wir sehen daß diese Erzählung aus Kephalon dem Gergi- thier genommen ist; dem es als Teukrer nicht genügte das damals noch dunkle Rom als Colonie seines Volks anzuge- ben, da der troische Kapys eine Etymologie auch für Ca- pua darbot. Nur setzte der alberne Römer welcher ihm nachschrieb noch hinzu: dieses älteste Rom sey nachmals verödet, und von einem zweyten Romulus und einem zweyten Remus wieder angebaut worden.
Unter den uns erhaltnen römischen Schriftstellern folgt allein Sallust unzweydeutig und ausdrücklich der Meinung welche Rom dis an die Troischen Zeiten hinaufrückt, viel- leicht weil er so, stillschweigend, das Wundervolle ent- fernt welches keiner historischen Deutung weichen will: Vellejus, der von den Heeren des Latinus, welche seinen Enkel Romulus bey der Gründung der Stadt unter- stützten, redet, und doch die gewöhnliche Aera der Erbau- ung annimmt, vermischt beyde Erzählungen mit unange-
89) Dionysius I. c. 73.
90)s. v. Kapue.
K 2
in Rom ſo allgemein daß nur einige wenige der grie- chiſchen folgten, und die Bruͤder Soͤhne oder Tochterſoͤhne des Aeneas nannten, welche Latinus zu ſeinen Erben an- genommen: oder juͤngere Bruͤder des Aſkanius mit denen dieſer ſein Erbe getheilt haͤtte, worauf ſie ausgezogen waͤ- ren, Rom, Kapua, und zwey fabelhafte Staͤdte, Anchiſe und Aenea, geſtiftet haͤtten 89).
So freylich konnte nur ein mit der Archaͤologie Italiens ganz unbekannter Grieche fabeln: Sylburg hat im Ety- mologicum 90) eine Stelle des Orus nachgewieſen, woraus wir ſehen daß dieſe Erzaͤhlung aus Kephalon dem Gergi- thier genommen iſt; dem es als Teukrer nicht genuͤgte das damals noch dunkle Rom als Colonie ſeines Volks anzuge- ben, da der troiſche Kapys eine Etymologie auch fuͤr Ca- pua darbot. Nur ſetzte der alberne Roͤmer welcher ihm nachſchrieb noch hinzu: dieſes aͤlteſte Rom ſey nachmals veroͤdet, und von einem zweyten Romulus und einem zweyten Remus wieder angebaut worden.
Unter den uns erhaltnen roͤmiſchen Schriftſtellern folgt allein Salluſt unzweydeutig und ausdruͤcklich der Meinung welche Rom dis an die Troiſchen Zeiten hinaufruͤckt, viel- leicht weil er ſo, ſtillſchweigend, das Wundervolle ent- fernt welches keiner hiſtoriſchen Deutung weichen will: Vellejus, der von den Heeren des Latinus, welche ſeinen Enkel Romulus bey der Gruͤndung der Stadt unter- ſtuͤtzten, redet, und doch die gewoͤhnliche Aera der Erbau- ung annimmt, vermiſcht beyde Erzaͤhlungen mit unange-
89) Dionyſius I. c. 73.
90)s. v. Καπύη.
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in Rom ſo allgemein daß nur einige wenige der grie-
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des Aeneas nannten, welche Latinus zu ſeinen Erben an-
genommen: oder juͤngere Bruͤder des Aſkanius mit denen
dieſer ſein Erbe getheilt haͤtte, worauf ſie ausgezogen waͤ-
ren, Rom, Kapua, und zwey fabelhafte Staͤdte, Anchiſe
und Aenea, geſtiftet haͤtten 89).
So freylich konnte nur ein mit der Archaͤologie Italiens
ganz unbekannter Grieche fabeln: Sylburg hat im Ety-
mologicum 90) eine Stelle des Orus nachgewieſen, woraus
wir ſehen daß dieſe Erzaͤhlung aus Kephalon dem Gergi-
thier genommen iſt; dem es als Teukrer nicht genuͤgte das
damals noch dunkle Rom als Colonie ſeines Volks anzuge-
ben, da der troiſche Kapys eine Etymologie auch fuͤr Ca-
pua darbot. Nur ſetzte der alberne Roͤmer welcher ihm
nachſchrieb noch hinzu: dieſes aͤlteſte Rom ſey nachmals
veroͤdet, und von einem zweyten Romulus und einem
zweyten Remus wieder angebaut worden.
Unter den uns erhaltnen roͤmiſchen Schriftſtellern folgt
allein Salluſt unzweydeutig und ausdruͤcklich der Meinung
welche Rom dis an die Troiſchen Zeiten hinaufruͤckt, viel-
leicht weil er ſo, ſtillſchweigend, das Wundervolle ent-
fernt welches keiner hiſtoriſchen Deutung weichen will:
Vellejus, der von den Heeren des Latinus, welche ſeinen
Enkel Romulus bey der Gruͤndung der Stadt unter-
ſtuͤtzten, redet, und doch die gewoͤhnliche Aera der Erbau-
ung annimmt, vermiſcht beyde Erzaͤhlungen mit unange-
89) Dionyſius I. c. 73.
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Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 1. Berlin, 1811, S. 147. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische01_1811/169>, abgerufen am 25.11.2024.
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