Es wird erzählt daß dreyßig Jahre nachdem Lavi- nium gegründet war, die Einwohner diese unwirthbare Gegend verließen, um am Fuß eines erhabenen, durch die Bundesopfer der latinischen Nation mehr als tausend Jahre hindurch verherrlichten Bergs, an einem schönen See, in einer Landschaft die den edelsten Wein in Latium trug, Alba zu gründen. Um die troischen Penaten welche sich von der Wiege der latinischen Größe nicht trennen wollten, nicht in einer Einöde zu lassen, ward von Alba eine Colonie in die verlassenen Mauern zurückgeführt 74). Das Verzeichniß der Albanischen Könige ist ein verhält- nißmäßig sehr junges und äußerst ungeschicktes Mach- werk: eine Zusammenstellung von Nahmen, theils völlig unitalisch, die bald aus früherer, bald aus späterer Zeit wiederholt, bald aus geographischen erfunden sind; fast ganz ohne einige Erzählung. Auch die Zahl ihrer Regie- rungsjahre wird gemeldet: diese füllt so genau den von Cato von Trojas Zerstörung bis zur Gründung Roms nach Eratosthenes Kanon angegebnen Zeitraum, daß schon dadurch die Neuheit des Betrügers klar ist. Denn daß dieses Zusammenstimmen möglich sey, wird wohl schwerlich ein besonnener Mann, ich sage nicht wahrscheinlich, son- dern auch nur denkbar finden.
74) Für alle diese Erzählungen gebe ich keine Citate, da sie nicht zerstreut stehen, und Kritik der Abweichungen viel zu weit führen würde.
Alba.
Es wird erzaͤhlt daß dreyßig Jahre nachdem Lavi- nium gegruͤndet war, die Einwohner dieſe unwirthbare Gegend verließen, um am Fuß eines erhabenen, durch die Bundesopfer der latiniſchen Nation mehr als tauſend Jahre hindurch verherrlichten Bergs, an einem ſchoͤnen See, in einer Landſchaft die den edelſten Wein in Latium trug, Alba zu gruͤnden. Um die troiſchen Penaten welche ſich von der Wiege der latiniſchen Groͤße nicht trennen wollten, nicht in einer Einoͤde zu laſſen, ward von Alba eine Colonie in die verlaſſenen Mauern zuruͤckgefuͤhrt 74). Das Verzeichniß der Albaniſchen Koͤnige iſt ein verhaͤlt- nißmaͤßig ſehr junges und aͤußerſt ungeſchicktes Mach- werk: eine Zuſammenſtellung von Nahmen, theils voͤllig unitaliſch, die bald aus fruͤherer, bald aus ſpaͤterer Zeit wiederholt, bald aus geographiſchen erfunden ſind; faſt ganz ohne einige Erzaͤhlung. Auch die Zahl ihrer Regie- rungsjahre wird gemeldet: dieſe fuͤllt ſo genau den von Cato von Trojas Zerſtoͤrung bis zur Gruͤndung Roms nach Eratoſthenes Kanon angegebnen Zeitraum, daß ſchon dadurch die Neuheit des Betruͤgers klar iſt. Denn daß dieſes Zuſammenſtimmen moͤglich ſey, wird wohl ſchwerlich ein beſonnener Mann, ich ſage nicht wahrſcheinlich, ſon- dern auch nur denkbar finden.
74) Fuͤr alle dieſe Erzaͤhlungen gebe ich keine Citate, da ſie nicht zerſtreut ſtehen, und Kritik der Abweichungen viel zu weit fuͤhren wuͤrde.
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0162"n="140"/><divn="2"><head><hirendition="#b"><hirendition="#g">Alba</hi>.</hi></head><lb/><p>Es wird erzaͤhlt daß dreyßig Jahre nachdem Lavi-<lb/>
nium gegruͤndet war, die Einwohner dieſe unwirthbare<lb/>
Gegend verließen, um am Fuß eines erhabenen, durch<lb/>
die Bundesopfer der latiniſchen Nation mehr als tauſend<lb/>
Jahre hindurch verherrlichten Bergs, an einem ſchoͤnen<lb/>
See, in einer Landſchaft die den edelſten Wein in Latium<lb/>
trug, Alba zu gruͤnden. Um die troiſchen Penaten welche<lb/>ſich von der Wiege der latiniſchen Groͤße nicht trennen<lb/>
wollten, nicht in einer Einoͤde zu laſſen, ward von Alba<lb/>
eine Colonie in die verlaſſenen Mauern zuruͤckgefuͤhrt <noteplace="foot"n="74)">Fuͤr alle dieſe Erzaͤhlungen gebe ich keine Citate, da ſie<lb/>
nicht zerſtreut ſtehen, und Kritik der Abweichungen viel zu<lb/>
weit fuͤhren wuͤrde.</note>.<lb/>
Das Verzeichniß der Albaniſchen Koͤnige iſt ein verhaͤlt-<lb/>
nißmaͤßig ſehr junges und aͤußerſt ungeſchicktes Mach-<lb/>
werk: eine Zuſammenſtellung von Nahmen, theils voͤllig<lb/>
unitaliſch, die bald aus fruͤherer, bald aus ſpaͤterer Zeit<lb/>
wiederholt, bald aus geographiſchen erfunden ſind; faſt<lb/>
ganz ohne einige Erzaͤhlung. Auch die Zahl ihrer Regie-<lb/>
rungsjahre wird gemeldet: dieſe fuͤllt ſo genau den von<lb/>
Cato von Trojas Zerſtoͤrung bis zur Gruͤndung Roms<lb/>
nach Eratoſthenes Kanon angegebnen Zeitraum, daß ſchon<lb/>
dadurch die Neuheit des Betruͤgers klar iſt. Denn daß<lb/>
dieſes Zuſammenſtimmen moͤglich ſey, wird wohl ſchwerlich<lb/>
ein beſonnener Mann, ich ſage nicht wahrſcheinlich, ſon-<lb/>
dern auch nur denkbar finden.</p><lb/></div></div></body></text></TEI>
[140/0162]
Alba.
Es wird erzaͤhlt daß dreyßig Jahre nachdem Lavi-
nium gegruͤndet war, die Einwohner dieſe unwirthbare
Gegend verließen, um am Fuß eines erhabenen, durch
die Bundesopfer der latiniſchen Nation mehr als tauſend
Jahre hindurch verherrlichten Bergs, an einem ſchoͤnen
See, in einer Landſchaft die den edelſten Wein in Latium
trug, Alba zu gruͤnden. Um die troiſchen Penaten welche
ſich von der Wiege der latiniſchen Groͤße nicht trennen
wollten, nicht in einer Einoͤde zu laſſen, ward von Alba
eine Colonie in die verlaſſenen Mauern zuruͤckgefuͤhrt 74).
Das Verzeichniß der Albaniſchen Koͤnige iſt ein verhaͤlt-
nißmaͤßig ſehr junges und aͤußerſt ungeſchicktes Mach-
werk: eine Zuſammenſtellung von Nahmen, theils voͤllig
unitaliſch, die bald aus fruͤherer, bald aus ſpaͤterer Zeit
wiederholt, bald aus geographiſchen erfunden ſind; faſt
ganz ohne einige Erzaͤhlung. Auch die Zahl ihrer Regie-
rungsjahre wird gemeldet: dieſe fuͤllt ſo genau den von
Cato von Trojas Zerſtoͤrung bis zur Gruͤndung Roms
nach Eratoſthenes Kanon angegebnen Zeitraum, daß ſchon
dadurch die Neuheit des Betruͤgers klar iſt. Denn daß
dieſes Zuſammenſtimmen moͤglich ſey, wird wohl ſchwerlich
ein beſonnener Mann, ich ſage nicht wahrſcheinlich, ſon-
dern auch nur denkbar finden.
74) Fuͤr alle dieſe Erzaͤhlungen gebe ich keine Citate, da ſie
nicht zerſtreut ſtehen, und Kritik der Abweichungen viel zu
weit fuͤhren wuͤrde.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 1. Berlin, 1811, S. 140. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische01_1811/162>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.