nes, die Trennung der Fabel, die Zerstörung des Be- trugs, mag dem Kritiker genügen: er will nur eine täuschende Geschichte enthüllen, und er ist zufrieden einzelne Vermuthungen aufzustellen, während der größere Theil des Ganzen in Trümmern bleibt.
Der Historiker aber bedarf Positives: er muß wenigstens mit Wahrscheinlichkeit Zusammenhang, und eine glaublichere Erzählung an der Stelle derje- nigen entdecken welche er seiner Ueberzeugung auf- opfert. Trennt er nun von seinem Werk die Unter- suchungen wodurch er glaubt Schatten der unterge- gangenen Zeiten hervorgerufen zu haben, so muß er entweder dem Gebrauch ihrer Resultate entsagen, oder er läuft Gefahr den Schein zu tragen, anmaas- send und verwegen für historische Wahrheit auszuge- ben, was nur Hypothese oder schwankende Möglich- keit sey: eine theure Buße für höhere Concinnität der allgemeinen Abfassung.
Die Begebenheiten der Geschichte setzen die Ver- fassung und Grundgesetze als Ethos der Nation vor- aus: ihre Kunde ist aber für die alten Zeiten noch dunkler und verworrener als jene verfälscht sind. Vielleicht ist es möglich über ihre Wahrheit zu einer weit stärkeren Helle zu gelangen als, im Allgemeinen, über die Geschichte im engeren Sinn: was aber nur durch Combinationen gefolgert, wäre es auch selbst
nes, die Trennung der Fabel, die Zerſtoͤrung des Be- trugs, mag dem Kritiker genuͤgen: er will nur eine taͤuſchende Geſchichte enthuͤllen, und er iſt zufrieden einzelne Vermuthungen aufzuſtellen, waͤhrend der groͤßere Theil des Ganzen in Truͤmmern bleibt.
Der Hiſtoriker aber bedarf Poſitives: er muß wenigſtens mit Wahrſcheinlichkeit Zuſammenhang, und eine glaublichere Erzaͤhlung an der Stelle derje- nigen entdecken welche er ſeiner Ueberzeugung auf- opfert. Trennt er nun von ſeinem Werk die Unter- ſuchungen wodurch er glaubt Schatten der unterge- gangenen Zeiten hervorgerufen zu haben, ſo muß er entweder dem Gebrauch ihrer Reſultate entſagen, oder er laͤuft Gefahr den Schein zu tragen, anmaaſ- ſend und verwegen fuͤr hiſtoriſche Wahrheit auszuge- ben, was nur Hypotheſe oder ſchwankende Moͤglich- keit ſey: eine theure Buße fuͤr hoͤhere Concinnitaͤt der allgemeinen Abfaſſung.
Die Begebenheiten der Geſchichte ſetzen die Ver- faſſung und Grundgeſetze als Ethos der Nation vor- aus: ihre Kunde iſt aber fuͤr die alten Zeiten noch dunkler und verworrener als jene verfaͤlſcht ſind. Vielleicht iſt es moͤglich uͤber ihre Wahrheit zu einer weit ſtaͤrkeren Helle zu gelangen als, im Allgemeinen, uͤber die Geſchichte im engeren Sinn: was aber nur durch Combinationen gefolgert, waͤre es auch ſelbſt
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[X/0016]
nes, die Trennung der Fabel, die Zerſtoͤrung des Be-
trugs, mag dem Kritiker genuͤgen: er will nur eine
taͤuſchende Geſchichte enthuͤllen, und er iſt zufrieden
einzelne Vermuthungen aufzuſtellen, waͤhrend der
groͤßere Theil des Ganzen in Truͤmmern bleibt.
Der Hiſtoriker aber bedarf Poſitives: er muß
wenigſtens mit Wahrſcheinlichkeit Zuſammenhang,
und eine glaublichere Erzaͤhlung an der Stelle derje-
nigen entdecken welche er ſeiner Ueberzeugung auf-
opfert. Trennt er nun von ſeinem Werk die Unter-
ſuchungen wodurch er glaubt Schatten der unterge-
gangenen Zeiten hervorgerufen zu haben, ſo muß er
entweder dem Gebrauch ihrer Reſultate entſagen,
oder er laͤuft Gefahr den Schein zu tragen, anmaaſ-
ſend und verwegen fuͤr hiſtoriſche Wahrheit auszuge-
ben, was nur Hypotheſe oder ſchwankende Moͤglich-
keit ſey: eine theure Buße fuͤr hoͤhere Concinnitaͤt der
allgemeinen Abfaſſung.
Die Begebenheiten der Geſchichte ſetzen die Ver-
faſſung und Grundgeſetze als Ethos der Nation vor-
aus: ihre Kunde iſt aber fuͤr die alten Zeiten noch
dunkler und verworrener als jene verfaͤlſcht ſind.
Vielleicht iſt es moͤglich uͤber ihre Wahrheit zu einer
weit ſtaͤrkeren Helle zu gelangen als, im Allgemeinen,
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Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 1. Berlin, 1811, S. X. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische01_1811/16>, abgerufen am 22.11.2024.
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