In diesem großen Lande wohnten drey verschiedne Völker, Messapier oder Sallentiner, Peuketier oder Pö- diculer, Daunier oder Apulier: die ersten auf der Halbin- sel östlich von Tarent, die Peuketier nördlich von ihnen, am Meer von Brundusium bis Barium: von hier bis an den Garganus die Daunier: von denen Strabo, durch eine wunderliche und ihm nicht gewöhnliche Verwirrung, die Apulier unterscheidet, und diesen das Land zwischen dem Garganus und den Frentanern anweißt 12). Uneinge- denk, nicht nur daß sonst Daunier und Apulier Nahmen sind womit Griechen und Römer, jeder gleichförmig und beständig in seiner Sprache, denselben Volksstamm be- zeichnen, sondern auch, daß nur die spätere Geographie Apulien über jene westliche Gränze ausgedehnt hatte.
Ueber alle drey Nationen war es angenommene Mei- nung daß sie von jenseits der See eingewandert wären. Die ältesten Griechischen Genealogieen nannten Peuketius einen Bruder des Oenotrus, und sein Volk eine Colonie die er aus Arkadien geführt habe 13): oder, im Sinn einer Stammgeschichte, sie rechneten die Peuketier zu den altpelasgischen Stämmen, welche, nach ihrem Glauben, als Nachkommen der ersten Menschen Pelasgus und Ai- zeus aus Arkadien ausgegangen waren. So ist es auch eine alte Sage, daß die Messapier Kreter wären: nach Herodot, die welche vergeblich um Minos Tod zu rächen nach Sicanien geschifft waren 14); nach jüngeren, Ge-
12) Strabo VI. c. 3. §. 8.
13) S. Anm. 35. u. 38.
14) Herodot VII. c. 170. Strabo VI. c. 3. §. 2.
In dieſem großen Lande wohnten drey verſchiedne Voͤlker, Meſſapier oder Sallentiner, Peuketier oder Poͤ- diculer, Daunier oder Apulier: die erſten auf der Halbin- ſel oͤſtlich von Tarent, die Peuketier noͤrdlich von ihnen, am Meer von Brunduſium bis Barium: von hier bis an den Garganus die Daunier: von denen Strabo, durch eine wunderliche und ihm nicht gewoͤhnliche Verwirrung, die Apulier unterſcheidet, und dieſen das Land zwiſchen dem Garganus und den Frentanern anweißt 12). Uneinge- denk, nicht nur daß ſonſt Daunier und Apulier Nahmen ſind womit Griechen und Roͤmer, jeder gleichfoͤrmig und beſtaͤndig in ſeiner Sprache, denſelben Volksſtamm be- zeichnen, ſondern auch, daß nur die ſpaͤtere Geographie Apulien uͤber jene weſtliche Graͤnze ausgedehnt hatte.
Ueber alle drey Nationen war es angenommene Mei- nung daß ſie von jenſeits der See eingewandert waͤren. Die aͤlteſten Griechiſchen Genealogieen nannten Peuketius einen Bruder des Oenotrus, und ſein Volk eine Colonie die er aus Arkadien gefuͤhrt habe 13): oder, im Sinn einer Stammgeſchichte, ſie rechneten die Peuketier zu den altpelasgiſchen Staͤmmen, welche, nach ihrem Glauben, als Nachkommen der erſten Menſchen Pelasgus und Ai- zeus aus Arkadien ausgegangen waren. So iſt es auch eine alte Sage, daß die Meſſapier Kreter waͤren: nach Herodot, die welche vergeblich um Minos Tod zu raͤchen nach Sicanien geſchifft waren 14); nach juͤngeren, Ge-
12) Strabo VI. c. 3. §. 8.
13) S. Anm. 35. u. 38.
14) Herodot VII. c. 170. Strabo VI. c. 3. §. 2.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0122"n="100"/><p>In dieſem großen Lande wohnten drey verſchiedne<lb/>
Voͤlker, Meſſapier oder Sallentiner, Peuketier oder Poͤ-<lb/>
diculer, Daunier oder Apulier: die erſten auf der Halbin-<lb/>ſel oͤſtlich von Tarent, die Peuketier noͤrdlich von ihnen,<lb/>
am Meer von Brunduſium bis Barium: von hier bis an<lb/>
den Garganus die Daunier: von denen Strabo, durch eine<lb/>
wunderliche und ihm nicht gewoͤhnliche Verwirrung, die<lb/>
Apulier unterſcheidet, und dieſen das Land zwiſchen dem<lb/>
Garganus und den Frentanern anweißt <noteplace="foot"n="12)">Strabo <hirendition="#aq">VI. c.</hi> 3. §. 8.</note>. Uneinge-<lb/>
denk, nicht nur daß ſonſt Daunier und Apulier Nahmen<lb/>ſind womit Griechen und Roͤmer, jeder gleichfoͤrmig und<lb/>
beſtaͤndig in ſeiner Sprache, denſelben Volksſtamm be-<lb/>
zeichnen, ſondern auch, daß nur die ſpaͤtere Geographie<lb/>
Apulien uͤber jene weſtliche Graͤnze ausgedehnt hatte.</p><lb/><p>Ueber alle drey Nationen war es angenommene Mei-<lb/>
nung daß ſie von jenſeits der See eingewandert waͤren.<lb/>
Die aͤlteſten Griechiſchen Genealogieen nannten Peuketius<lb/>
einen Bruder des Oenotrus, und ſein Volk eine Colonie<lb/>
die er aus Arkadien gefuͤhrt habe <noteplace="foot"n="13)">S. Anm. 35. u. 38.</note>: oder, im Sinn<lb/>
einer Stammgeſchichte, ſie rechneten die Peuketier zu den<lb/>
altpelasgiſchen Staͤmmen, welche, nach ihrem Glauben,<lb/>
als Nachkommen der erſten Menſchen Pelasgus und Ai-<lb/>
zeus aus Arkadien ausgegangen waren. So iſt es auch<lb/>
eine alte Sage, daß die Meſſapier Kreter waͤren: nach<lb/>
Herodot, die welche vergeblich um Minos Tod zu raͤchen<lb/>
nach Sicanien geſchifft waren <noteplace="foot"n="14)">Herodot <hirendition="#aq">VII. c.</hi> 170. Strabo <hirendition="#aq">VI. c.</hi> 3. §. 2.</note>; nach juͤngeren, Ge-<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[100/0122]
In dieſem großen Lande wohnten drey verſchiedne
Voͤlker, Meſſapier oder Sallentiner, Peuketier oder Poͤ-
diculer, Daunier oder Apulier: die erſten auf der Halbin-
ſel oͤſtlich von Tarent, die Peuketier noͤrdlich von ihnen,
am Meer von Brunduſium bis Barium: von hier bis an
den Garganus die Daunier: von denen Strabo, durch eine
wunderliche und ihm nicht gewoͤhnliche Verwirrung, die
Apulier unterſcheidet, und dieſen das Land zwiſchen dem
Garganus und den Frentanern anweißt 12). Uneinge-
denk, nicht nur daß ſonſt Daunier und Apulier Nahmen
ſind womit Griechen und Roͤmer, jeder gleichfoͤrmig und
beſtaͤndig in ſeiner Sprache, denſelben Volksſtamm be-
zeichnen, ſondern auch, daß nur die ſpaͤtere Geographie
Apulien uͤber jene weſtliche Graͤnze ausgedehnt hatte.
Ueber alle drey Nationen war es angenommene Mei-
nung daß ſie von jenſeits der See eingewandert waͤren.
Die aͤlteſten Griechiſchen Genealogieen nannten Peuketius
einen Bruder des Oenotrus, und ſein Volk eine Colonie
die er aus Arkadien gefuͤhrt habe 13): oder, im Sinn
einer Stammgeſchichte, ſie rechneten die Peuketier zu den
altpelasgiſchen Staͤmmen, welche, nach ihrem Glauben,
als Nachkommen der erſten Menſchen Pelasgus und Ai-
zeus aus Arkadien ausgegangen waren. So iſt es auch
eine alte Sage, daß die Meſſapier Kreter waͤren: nach
Herodot, die welche vergeblich um Minos Tod zu raͤchen
nach Sicanien geſchifft waren 14); nach juͤngeren, Ge-
12) Strabo VI. c. 3. §. 8.
13) S. Anm. 35. u. 38.
14) Herodot VII. c. 170. Strabo VI. c. 3. §. 2.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 1. Berlin, 1811, S. 100. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische01_1811/122>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.