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Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 1. Berlin, 1811.

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seyn kann daß die Blüthe campanischer Kunst in das
vierte und fünfte Jahrhundert der Stadt fällt, da Etru-
riens Unterjochung ihr verderblich seyn mußte, -- das
schönste Zeitalter der etruskischen später annehmen kann,
ist ganz unbegreiflich. Es würde auch altrömische Werke
derselben Schönheit geben, wenn Rom an seinen etrus-
kischen Unterthanen solche Künstler noch gehabt hätte.
Der Agylläer Gesandtschaften nach Delphi, ihr Thesaurus
im Pythischen Tempel, beweisen, schon am Anfang des
dritten Jahrhunderts, vertraute Bekanntschaft beyder
Völker, der Etrusker und Griechen.

Aus dem Gebrauch griechischer Mythologie in der
Kunst läßt sich Vertraulichkeit mit den griechischen Dich-
tern folgern. Die Mythen von Thebä und Ilium wären
nicht dargestellt worden, wenn nicht Gesang das Gemüth
des Anschauenden zum Verständniß geöffnet hätte: über-
haupt war das Abendland, selbst Karthago, der griechi-
schen Litteratur offen; nicht allein das dunkle Inykum der
Sikaner bereicherte griechische Sophisten 87); und Rhap-
soden wie Sophisten werden dort freundliche Aufnahme
gefunden haben. Aber die Litteratur der Etrusker scheint
durch die griechische nie verfeinert geworden zu seyn.
Zwar werden Tuskische Tragödien erwähnt 88); aber der
römische Nahme des Verfassers, Volumnius, beweißt,
daß sie in später Zeit geschrieben sind, und mehr Kunst-
stücke als Kunstwerk waren, der Nation selbst fremd. Die
Form des etruskischen Verses -- in keiner Inschrift findet

87) Plato, Hipp. p. 282. c.
88) Varro de ling. lat. IV. s. 9.

ſeyn kann daß die Bluͤthe campaniſcher Kunſt in das
vierte und fuͤnfte Jahrhundert der Stadt faͤllt, da Etru-
riens Unterjochung ihr verderblich ſeyn mußte, — das
ſchoͤnſte Zeitalter der etruskiſchen ſpaͤter annehmen kann,
iſt ganz unbegreiflich. Es wuͤrde auch altroͤmiſche Werke
derſelben Schoͤnheit geben, wenn Rom an ſeinen etrus-
kiſchen Unterthanen ſolche Kuͤnſtler noch gehabt haͤtte.
Der Agyllaͤer Geſandtſchaften nach Delphi, ihr Theſaurus
im Pythiſchen Tempel, beweiſen, ſchon am Anfang des
dritten Jahrhunderts, vertraute Bekanntſchaft beyder
Voͤlker, der Etrusker und Griechen.

Aus dem Gebrauch griechiſcher Mythologie in der
Kunſt laͤßt ſich Vertraulichkeit mit den griechiſchen Dich-
tern folgern. Die Mythen von Thebaͤ und Ilium waͤren
nicht dargeſtellt worden, wenn nicht Geſang das Gemuͤth
des Anſchauenden zum Verſtaͤndniß geoͤffnet haͤtte: uͤber-
haupt war das Abendland, ſelbſt Karthago, der griechi-
ſchen Litteratur offen; nicht allein das dunkle Inykum der
Sikaner bereicherte griechiſche Sophiſten 87); und Rhap-
ſoden wie Sophiſten werden dort freundliche Aufnahme
gefunden haben. Aber die Litteratur der Etrusker ſcheint
durch die griechiſche nie verfeinert geworden zu ſeyn.
Zwar werden Tuskiſche Tragoͤdien erwaͤhnt 88); aber der
roͤmiſche Nahme des Verfaſſers, Volumnius, beweißt,
daß ſie in ſpaͤter Zeit geſchrieben ſind, und mehr Kunſt-
ſtuͤcke als Kunſtwerk waren, der Nation ſelbſt fremd. Die
Form des etruskiſchen Verſes — in keiner Inſchrift findet

87) Plato, Hipp. p. 282. c.
88) Varro de ling. lat. IV. s. 9.
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[88/0110] ſeyn kann daß die Bluͤthe campaniſcher Kunſt in das vierte und fuͤnfte Jahrhundert der Stadt faͤllt, da Etru- riens Unterjochung ihr verderblich ſeyn mußte, — das ſchoͤnſte Zeitalter der etruskiſchen ſpaͤter annehmen kann, iſt ganz unbegreiflich. Es wuͤrde auch altroͤmiſche Werke derſelben Schoͤnheit geben, wenn Rom an ſeinen etrus- kiſchen Unterthanen ſolche Kuͤnſtler noch gehabt haͤtte. Der Agyllaͤer Geſandtſchaften nach Delphi, ihr Theſaurus im Pythiſchen Tempel, beweiſen, ſchon am Anfang des dritten Jahrhunderts, vertraute Bekanntſchaft beyder Voͤlker, der Etrusker und Griechen. Aus dem Gebrauch griechiſcher Mythologie in der Kunſt laͤßt ſich Vertraulichkeit mit den griechiſchen Dich- tern folgern. Die Mythen von Thebaͤ und Ilium waͤren nicht dargeſtellt worden, wenn nicht Geſang das Gemuͤth des Anſchauenden zum Verſtaͤndniß geoͤffnet haͤtte: uͤber- haupt war das Abendland, ſelbſt Karthago, der griechi- ſchen Litteratur offen; nicht allein das dunkle Inykum der Sikaner bereicherte griechiſche Sophiſten 87); und Rhap- ſoden wie Sophiſten werden dort freundliche Aufnahme gefunden haben. Aber die Litteratur der Etrusker ſcheint durch die griechiſche nie verfeinert geworden zu ſeyn. Zwar werden Tuskiſche Tragoͤdien erwaͤhnt 88); aber der roͤmiſche Nahme des Verfaſſers, Volumnius, beweißt, daß ſie in ſpaͤter Zeit geſchrieben ſind, und mehr Kunſt- ſtuͤcke als Kunſtwerk waren, der Nation ſelbſt fremd. Die Form des etruskiſchen Verſes — in keiner Inſchrift findet 87) Plato, Hipp. p. 282. c. 88) Varro de ling. lat. IV. s. 9.

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Zitationshilfe: Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 1. Berlin, 1811, S. 88. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische01_1811/110>, abgerufen am 22.11.2024.