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Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 3. Berlin u. a., 1776.

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Dieses zu verstehen, muß man wissen, daß Säugling,
seitdem ihm die Gräfinn abgerathen hatte, Verse zu
machen, auf Gedanken gekommen war, einen Roman
zu schreiben, worinn ihn Rambold bestärkte, damit er
Gelegenheit hatte, ihn täglich damit aufzuziehen.

Rambold warf seinen Stüber hin, und sprengte
fort, Säugling ritte vorbey, indem der Alte sich
bückte, aber kaum war er vier Schritte vorbey, so
kehrte er um und steckte dem Alten, mit einem herz-
lich mitleidigen Blicke, einen Gulden in die Hand.

Ob er das Almosen, der Armuth, oder der schönen
Scene, oder dem Lorenzokopfe gegeben habe, kann
niemand, auch vielleicht der Geber selbst nicht, be-
stimmen. Genug; Sebaldus rief:

,Gott segne Sie mein junger Herr, auch den Se-
"gen eines armen alten Mannes, läßt Gott auf einem
"mitleidigen Jünglinge ruhen.'

Säugling spornte sein Pferd, und da er Ram-
bolden
einholte, floß ihm eine Thräne sanft die
Wange herunter.

,Jch glaube gar, Sie weinen,' spottete Rambold,
,fi! wer wird so weibisch seyn!'

Säugling vertheidigte seine Empfindsamkeit,
Rambold fiel in seine gewöhnliche Schrauberey,
und so ritten sie weiter.

Der
F 5


Dieſes zu verſtehen, muß man wiſſen, daß Saͤugling,
ſeitdem ihm die Graͤfinn abgerathen hatte, Verſe zu
machen, auf Gedanken gekommen war, einen Roman
zu ſchreiben, worinn ihn Rambold beſtaͤrkte, damit er
Gelegenheit hatte, ihn taͤglich damit aufzuziehen.

Rambold warf ſeinen Stuͤber hin, und ſprengte
fort, Saͤugling ritte vorbey, indem der Alte ſich
buͤckte, aber kaum war er vier Schritte vorbey, ſo
kehrte er um und ſteckte dem Alten, mit einem herz-
lich mitleidigen Blicke, einen Gulden in die Hand.

Ob er das Almoſen, der Armuth, oder der ſchoͤnen
Scene, oder dem Lorenzokopfe gegeben habe, kann
niemand, auch vielleicht der Geber ſelbſt nicht, be-
ſtimmen. Genug; Sebaldus rief:

‚Gott ſegne Sie mein junger Herr, auch den Se-
„gen eines armen alten Mannes, laͤßt Gott auf einem
„mitleidigen Juͤnglinge ruhen.‛

Saͤugling ſpornte ſein Pferd, und da er Ram-
bolden
einholte, floß ihm eine Thraͤne ſanft die
Wange herunter.

‚Jch glaube gar, Sie weinen,‛ ſpottete Rambold,
‚fi! wer wird ſo weibiſch ſeyn!‛

Saͤugling vertheidigte ſeine Empfindſamkeit,
Rambold fiel in ſeine gewoͤhnliche Schrauberey,
und ſo ritten ſie weiter.

Der
F 5
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[87[]/0097] Dieſes zu verſtehen, muß man wiſſen, daß Saͤugling, ſeitdem ihm die Graͤfinn abgerathen hatte, Verſe zu machen, auf Gedanken gekommen war, einen Roman zu ſchreiben, worinn ihn Rambold beſtaͤrkte, damit er Gelegenheit hatte, ihn taͤglich damit aufzuziehen. Rambold warf ſeinen Stuͤber hin, und ſprengte fort, Saͤugling ritte vorbey, indem der Alte ſich buͤckte, aber kaum war er vier Schritte vorbey, ſo kehrte er um und ſteckte dem Alten, mit einem herz- lich mitleidigen Blicke, einen Gulden in die Hand. Ob er das Almoſen, der Armuth, oder der ſchoͤnen Scene, oder dem Lorenzokopfe gegeben habe, kann niemand, auch vielleicht der Geber ſelbſt nicht, be- ſtimmen. Genug; Sebaldus rief: ‚Gott ſegne Sie mein junger Herr, auch den Se- „gen eines armen alten Mannes, laͤßt Gott auf einem „mitleidigen Juͤnglinge ruhen.‛ Saͤugling ſpornte ſein Pferd, und da er Ram- bolden einholte, floß ihm eine Thraͤne ſanft die Wange herunter. ‚Jch glaube gar, Sie weinen,‛ ſpottete Rambold, ‚fi! wer wird ſo weibiſch ſeyn!‛ Saͤugling vertheidigte ſeine Empfindſamkeit, Rambold fiel in ſeine gewoͤhnliche Schrauberey, und ſo ritten ſie weiter. Der F 5

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Zitationshilfe: Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 3. Berlin u. a., 1776, S. 87[]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nicolai_nothanker03_1776/97>, abgerufen am 27.11.2024.