laßen, daß er ihm darinn viel gottlose Meinungen ge- wiesen, und sich hoch vermessen habe, den Uebersetzer bey der Obrigkeit anzugeben, um ihn zur Strafe zu ziehen.
Eine schreckliche Nachricht macht desto stärkern Eindruck, je mehr das Gemüth vorher dem Vergnügen geöfnet gewesen. Sebaldus war daher ganz be- täubt, und da van der Kuit fortfuhr, gräßliche Mährchen zu lügen, von der Strenge, mit der man in diesem Lande gegen die Ketzer verfahre, daß man sie in Zuchthäuser bringe, zur Vestungsarbeit an- schmiede, in entfernte Kolonien verbanne u. d. gl. so ward der gute Mann, der in Welthändeln ganz unerfahren war, und sich nie um die Verfassung ir- gend eines Landes bekümmert hatte, ganz ausser Fas- sung gebracht, es stellten sich ihm zugleich, Dwang- huysen, Puistma, der Seelenverkäufer, Stau- zius, Wulkenkragenius, der Präsident, und alle widrigen Begebenheiten seines Lebens so schreckenvoll vor, so daß er den treulosen van der Kuit bey der Hand ergriff, und ängstlich ausrief:
,Ach mein Gott was ist das! Könnte ich doch nur "aus diesem grausamen Lande entfliehen, ich wollte "gehen, so weit mich meine Füße tragen könnten.'
Van der Kuit war eigentlich nur Willens gewe- sen, den Sebaldus, dessen geringe Weltkenntniß er
übersah
laßen, daß er ihm darinn viel gottloſe Meinungen ge- wieſen, und ſich hoch vermeſſen habe, den Ueberſetzer bey der Obrigkeit anzugeben, um ihn zur Strafe zu ziehen.
Eine ſchreckliche Nachricht macht deſto ſtaͤrkern Eindruck, je mehr das Gemuͤth vorher dem Vergnuͤgen geoͤfnet geweſen. Sebaldus war daher ganz be- taͤubt, und da van der Kuit fortfuhr, graͤßliche Maͤhrchen zu luͤgen, von der Strenge, mit der man in dieſem Lande gegen die Ketzer verfahre, daß man ſie in Zuchthaͤuſer bringe, zur Veſtungsarbeit an- ſchmiede, in entfernte Kolonien verbanne u. d. gl. ſo ward der gute Mann, der in Welthaͤndeln ganz unerfahren war, und ſich nie um die Verfaſſung ir- gend eines Landes bekuͤmmert hatte, ganz auſſer Faſ- ſung gebracht, es ſtellten ſich ihm zugleich, Dwang- huyſen, Puiſtma, der Seelenverkaͤufer, Stau- zius, Wulkenkragenius, der Praͤſident, und alle widrigen Begebenheiten ſeines Lebens ſo ſchreckenvoll vor, ſo daß er den treuloſen van der Kuit bey der Hand ergriff, und aͤngſtlich ausrief:
‚Ach mein Gott was iſt das! Koͤnnte ich doch nur „aus dieſem grauſamen Lande entfliehen, ich wollte „gehen, ſo weit mich meine Fuͤße tragen koͤnnten.‛
Van der Kuit war eigentlich nur Willens gewe- ſen, den Sebaldus, deſſen geringe Weltkenntniß er
uͤberſah
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[80[79]/0088]
laßen, daß er ihm darinn viel gottloſe Meinungen ge-
wieſen, und ſich hoch vermeſſen habe, den Ueberſetzer bey
der Obrigkeit anzugeben, um ihn zur Strafe zu ziehen.
Eine ſchreckliche Nachricht macht deſto ſtaͤrkern
Eindruck, je mehr das Gemuͤth vorher dem Vergnuͤgen
geoͤfnet geweſen. Sebaldus war daher ganz be-
taͤubt, und da van der Kuit fortfuhr, graͤßliche
Maͤhrchen zu luͤgen, von der Strenge, mit der man
in dieſem Lande gegen die Ketzer verfahre, daß man
ſie in Zuchthaͤuſer bringe, zur Veſtungsarbeit an-
ſchmiede, in entfernte Kolonien verbanne u. d. gl.
ſo ward der gute Mann, der in Welthaͤndeln ganz
unerfahren war, und ſich nie um die Verfaſſung ir-
gend eines Landes bekuͤmmert hatte, ganz auſſer Faſ-
ſung gebracht, es ſtellten ſich ihm zugleich, Dwang-
huyſen, Puiſtma, der Seelenverkaͤufer, Stau-
zius, Wulkenkragenius, der Praͤſident, und alle
widrigen Begebenheiten ſeines Lebens ſo ſchreckenvoll
vor, ſo daß er den treuloſen van der Kuit bey der
Hand ergriff, und aͤngſtlich ausrief:
‚Ach mein Gott was iſt das! Koͤnnte ich doch nur
„aus dieſem grauſamen Lande entfliehen, ich wollte
„gehen, ſo weit mich meine Fuͤße tragen koͤnnten.‛
Van der Kuit war eigentlich nur Willens gewe-
ſen, den Sebaldus, deſſen geringe Weltkenntniß er
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Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 3. Berlin u. a., 1776, S. 80[79]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nicolai_nothanker03_1776/88>, abgerufen am 25.07.2024.
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