gens unabhängig, konnte in Frieden, seiner Ueber- zeugung gemäß, Gott dienen, und war noch nicht Religionsmeinungen halber angefeindet worden.
So wünschenswerth indessen diese Lage war, so schien es doch Sebaldus Schicksal zu seyn, daß er, wenn er am meisten Nutzen zu schaffen glaubte, durch einen geringscheinenden Zufall, selbst Gelegen- heit geben mußte, seinen Zustand zu verschlimmern.
Er hatte, schon beym Leben seines Wohlthäters, sich in der holländischen Sprache festzusetzen gesucht, und es war ihm gelungen. Nachher trieb ihn die Einsamkeit langer Winterabende, auf die Lesung engländischer Bücher, die er schon in seiner Jugend geliebt hatte. Er fand unter andern ein Buch *), dessen Jnhalt ihm größtentheils so wohl gefiel, daß er auf den Gedanken kam, es zu übersetzen, weil er meinte, daß es auch in einer andern Sprache nütz- lich seyn könnte.
Er beschäftigte sich einige Monate lang mit dieser Arbeit, und da er meist damit fertig war, gieng er zu Mynheer van der Kuit, dem Buchhändler, der bisher den Verkauf der sämmtlichen Werke des ver- storbenen Kollegianten, und auch des gelehrten Ta-
grbuchs
*)Remarks on man, manners, and things; by the Author of the Life of John Bunele. London gr. 8.
D 5
gens unabhaͤngig, konnte in Frieden, ſeiner Ueber- zeugung gemaͤß, Gott dienen, und war noch nicht Religionsmeinungen halber angefeindet worden.
So wuͤnſchenswerth indeſſen dieſe Lage war, ſo ſchien es doch Sebaldus Schickſal zu ſeyn, daß er, wenn er am meiſten Nutzen zu ſchaffen glaubte, durch einen geringſcheinenden Zufall, ſelbſt Gelegen- heit geben mußte, ſeinen Zuſtand zu verſchlimmern.
Er hatte, ſchon beym Leben ſeines Wohlthaͤters, ſich in der hollaͤndiſchen Sprache feſtzuſetzen geſucht, und es war ihm gelungen. Nachher trieb ihn die Einſamkeit langer Winterabende, auf die Leſung englaͤndiſcher Buͤcher, die er ſchon in ſeiner Jugend geliebt hatte. Er fand unter andern ein Buch *), deſſen Jnhalt ihm groͤßtentheils ſo wohl gefiel, daß er auf den Gedanken kam, es zu uͤberſetzen, weil er meinte, daß es auch in einer andern Sprache nuͤtz- lich ſeyn koͤnnte.
Er beſchaͤftigte ſich einige Monate lang mit dieſer Arbeit, und da er meiſt damit fertig war, gieng er zu Mynheer van der Kuit, dem Buchhaͤndler, der bisher den Verkauf der ſaͤmmtlichen Werke des ver- ſtorbenen Kollegianten, und auch des gelehrten Ta-
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*)Remarks on man, manners, and things; by the Author of the Life of John Bunele. London gr. 8.
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[55[54]/0063]
gens unabhaͤngig, konnte in Frieden, ſeiner Ueber-
zeugung gemaͤß, Gott dienen, und war noch nicht
Religionsmeinungen halber angefeindet worden.
So wuͤnſchenswerth indeſſen dieſe Lage war, ſo
ſchien es doch Sebaldus Schickſal zu ſeyn, daß
er, wenn er am meiſten Nutzen zu ſchaffen glaubte,
durch einen geringſcheinenden Zufall, ſelbſt Gelegen-
heit geben mußte, ſeinen Zuſtand zu verſchlimmern.
Er hatte, ſchon beym Leben ſeines Wohlthaͤters,
ſich in der hollaͤndiſchen Sprache feſtzuſetzen geſucht,
und es war ihm gelungen. Nachher trieb ihn die
Einſamkeit langer Winterabende, auf die Leſung
englaͤndiſcher Buͤcher, die er ſchon in ſeiner Jugend
geliebt hatte. Er fand unter andern ein Buch *),
deſſen Jnhalt ihm groͤßtentheils ſo wohl gefiel, daß
er auf den Gedanken kam, es zu uͤberſetzen, weil er
meinte, daß es auch in einer andern Sprache nuͤtz-
lich ſeyn koͤnnte.
Er beſchaͤftigte ſich einige Monate lang mit dieſer
Arbeit, und da er meiſt damit fertig war, gieng er
zu Mynheer van der Kuit, dem Buchhaͤndler, der
bisher den Verkauf der ſaͤmmtlichen Werke des ver-
ſtorbenen Kollegianten, und auch des gelehrten Ta-
grbuchs
*) Remarks on man, manners, and things; by the Author of the
Life of John Bunele. London gr. 8.
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Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 3. Berlin u. a., 1776, S. 55[54]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nicolai_nothanker03_1776/63>, abgerufen am 17.02.2025.
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