zum Muider Thore heraus, um auf dem Dyk nach Seeburg reine Luft zu geniessen.
Sebaldus Geist, obgleich von tiefem Elende nie- dergedrückt, erhob sich, bey Erblickung der Aussicht die nirgend ihres gleichen hat: auf dem Y und auf der Südersee, tausend Seegel, das ganze Gewühl des arbeitsamen Fleißes, auf der Landseite, grünen- de Wiesen und Görten, die ruhige Schönheit der Natur.
Die Gesellschaft warf sich ins Graß, und ruhte eine Stunde lang, erquickt von dem kühlen Wehen der Luft, und dem frischen Geruche des federweichen Lagers. Sebaldus insonderheit, an Geist und Kör- per erfrischt, brach in der Fülle seines Herzens, end- lich in ein lautes Lob des Allmächtigen aus, der, für seine geplagtesten Kreaturen, in den einfältigsten Ge- nuß seiner Schöpfung Trost und Stärkung gelegt hat.
Der Schall seines Dankgebets, erweckte die Auf- merksamkeit zweener ehrwürdigen Geistlichen, die in der Gegend gleichfalls spazieren giengen. Sie hatten vorher die unglückliche Gesellschafft nur mit der allge- meinen Theilnehmung betrachtet, welche die Men- schenliebe keinem Elenden versagt. Jtzt traten sie nä- her, durch Sebaldus Stimme und Geberden gerührt, ob sie gleich seine Worte nicht verstehen konnten. Sie
betrach-
zum Muider Thore heraus, um auf dem Dyk nach Seeburg reine Luft zu genieſſen.
Sebaldus Geiſt, obgleich von tiefem Elende nie- dergedruͤckt, erhob ſich, bey Erblickung der Ausſicht die nirgend ihres gleichen hat: auf dem Y und auf der Suͤderſee, tauſend Seegel, das ganze Gewuͤhl des arbeitſamen Fleißes, auf der Landſeite, gruͤnen- de Wieſen und Goͤrten, die ruhige Schoͤnheit der Natur.
Die Geſellſchaft warf ſich ins Graß, und ruhte eine Stunde lang, erquickt von dem kuͤhlen Wehen der Luft, und dem friſchen Geruche des federweichen Lagers. Sebaldus inſonderheit, an Geiſt und Koͤr- per erfriſcht, brach in der Fuͤlle ſeines Herzens, end- lich in ein lautes Lob des Allmaͤchtigen aus, der, fuͤr ſeine geplagteſten Kreaturen, in den einfaͤltigſten Ge- nuß ſeiner Schoͤpfung Troſt und Staͤrkung gelegt hat.
Der Schall ſeines Dankgebets, erweckte die Auf- merkſamkeit zweener ehrwuͤrdigen Geiſtlichen, die in der Gegend gleichfalls ſpazieren giengen. Sie hatten vorher die ungluͤckliche Geſellſchafft nur mit der allge- meinen Theilnehmung betrachtet, welche die Men- ſchenliebe keinem Elenden verſagt. Jtzt traten ſie naͤ- her, durch Sebaldus Stimme und Geberden geruͤhrt, ob ſie gleich ſeine Worte nicht verſtehen konnten. Sie
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[48[47]/0056]
zum Muider Thore heraus, um auf dem Dyk nach
Seeburg reine Luft zu genieſſen.
Sebaldus Geiſt, obgleich von tiefem Elende nie-
dergedruͤckt, erhob ſich, bey Erblickung der Ausſicht
die nirgend ihres gleichen hat: auf dem Y und auf
der Suͤderſee, tauſend Seegel, das ganze Gewuͤhl
des arbeitſamen Fleißes, auf der Landſeite, gruͤnen-
de Wieſen und Goͤrten, die ruhige Schoͤnheit der
Natur.
Die Geſellſchaft warf ſich ins Graß, und ruhte
eine Stunde lang, erquickt von dem kuͤhlen Wehen
der Luft, und dem friſchen Geruche des federweichen
Lagers. Sebaldus inſonderheit, an Geiſt und Koͤr-
per erfriſcht, brach in der Fuͤlle ſeines Herzens, end-
lich in ein lautes Lob des Allmaͤchtigen aus, der, fuͤr
ſeine geplagteſten Kreaturen, in den einfaͤltigſten Ge-
nuß ſeiner Schoͤpfung Troſt und Staͤrkung gelegt hat.
Der Schall ſeines Dankgebets, erweckte die Auf-
merkſamkeit zweener ehrwuͤrdigen Geiſtlichen, die in
der Gegend gleichfalls ſpazieren giengen. Sie hatten
vorher die ungluͤckliche Geſellſchafft nur mit der allge-
meinen Theilnehmung betrachtet, welche die Men-
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Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 3. Berlin u. a., 1776, S. 48[47]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nicolai_nothanker03_1776/56>, abgerufen am 22.07.2024.
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