,Was bewegt diese Leute zu solcher Ungerechtig- "keit?' rief er zuletzt aus, Warum sind wir hier wie ,Uebelthäter eingeschlossen? Was will man mit uns "anfangen? Darf man in diesem Lande der Freyheit "den friedsamen Wanderer, unverschuldet ins Ge- "fängniß schleppen? Jst hierwider kein Schutz bey "der Obrigkeit zu finden.'
,Er würde gewiß zu finden seyn, erwiederte der Kranke mit schwacher Stimme, ,wenn ihr unsere "Noth nur bekannt werden könnte. Aber in den sechs "Wochen, die ich in diesem abscheulichen Loche zuge- "bracht habe, merkte ich gnugsam, welche sichere Maas- "regeln unsere Peiniger nehmen, um dieses unmög- "lich zu machen. Von aussen hat diese Einrichtung "das Ansehen, als ob der Zweck sey, ganz armen Leu- "ten, die von allen Hülfsmitteln entblößet sind, und "freywillig nach Ostindien gehen wollen, bis zur "Abfahrt Nahrung und Equippirung zu geben, und "sich durch das Handgeld, welches die Ostindische "Compagnie giebt, und durch eine Verpfändung des "künftigen Soldos, wieder bezahlt zu machen. Es "kann seyn, daß die Absicht im Anfange ganz gut ge- "wesen seyn mag, aber jetzt wird sie, durch die List "hartherziger Bösewichter, oft zu einem Misbrauch, "der der Menschheit Schande macht. Wenige gehen
"frey-
‚Was bewegt dieſe Leute zu ſolcher Ungerechtig- „keit?‛ rief er zuletzt aus, Warum ſind wir hier wie ‚Uebelthaͤter eingeſchloſſen? Was will man mit uns „anfangen? Darf man in dieſem Lande der Freyheit „den friedſamen Wanderer, unverſchuldet ins Ge- „faͤngniß ſchleppen? Jſt hierwider kein Schutz bey „der Obrigkeit zu finden.‛
‚Er wuͤrde gewiß zu finden ſeyn, erwiederte der Kranke mit ſchwacher Stimme, ‚wenn ihr unſere „Noth nur bekannt werden koͤnnte. Aber in den ſechs „Wochen, die ich in dieſem abſcheulichen Loche zuge- „bracht habe, merkte ich gnugſam, welche ſichere Maas- „regeln unſere Peiniger nehmen, um dieſes unmoͤg- „lich zu machen. Von auſſen hat dieſe Einrichtung „das Anſehen, als ob der Zweck ſey, ganz armen Leu- „ten, die von allen Huͤlfsmitteln entbloͤßet ſind, und „freywillig nach Oſtindien gehen wollen, bis zur „Abfahrt Nahrung und Equippirung zu geben, und „ſich durch das Handgeld, welches die Oſtindiſche „Compagnie giebt, und durch eine Verpfaͤndung des „kuͤnftigen Soldos, wieder bezahlt zu machen. Es „kann ſeyn, daß die Abſicht im Anfange ganz gut ge- „weſen ſeyn mag, aber jetzt wird ſie, durch die Liſt „hartherziger Boͤſewichter, oft zu einem Misbrauch, „der der Menſchheit Schande macht. Wenige gehen
„frey-
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[43[42]/0051]
‚Was bewegt dieſe Leute zu ſolcher Ungerechtig-
„keit?‛ rief er zuletzt aus, Warum ſind wir hier wie
‚Uebelthaͤter eingeſchloſſen? Was will man mit uns
„anfangen? Darf man in dieſem Lande der Freyheit
„den friedſamen Wanderer, unverſchuldet ins Ge-
„faͤngniß ſchleppen? Jſt hierwider kein Schutz bey
„der Obrigkeit zu finden.‛
‚Er wuͤrde gewiß zu finden ſeyn, erwiederte der
Kranke mit ſchwacher Stimme, ‚wenn ihr unſere
„Noth nur bekannt werden koͤnnte. Aber in den ſechs
„Wochen, die ich in dieſem abſcheulichen Loche zuge-
„bracht habe, merkte ich gnugſam, welche ſichere Maas-
„regeln unſere Peiniger nehmen, um dieſes unmoͤg-
„lich zu machen. Von auſſen hat dieſe Einrichtung
„das Anſehen, als ob der Zweck ſey, ganz armen Leu-
„ten, die von allen Huͤlfsmitteln entbloͤßet ſind, und
„freywillig nach Oſtindien gehen wollen, bis zur
„Abfahrt Nahrung und Equippirung zu geben, und
„ſich durch das Handgeld, welches die Oſtindiſche
„Compagnie giebt, und durch eine Verpfaͤndung des
„kuͤnftigen Soldos, wieder bezahlt zu machen. Es
„kann ſeyn, daß die Abſicht im Anfange ganz gut ge-
„weſen ſeyn mag, aber jetzt wird ſie, durch die Liſt
„hartherziger Boͤſewichter, oft zu einem Misbrauch,
„der der Menſchheit Schande macht. Wenige gehen
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Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 3. Berlin u. a., 1776, S. 43[42]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nicolai_nothanker03_1776/51>, abgerufen am 28.07.2024.
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