Begleiter in eine Art von Unterkammer stieß, wo ohngefähr dreißig elende Menschen auf Stroh lagen. Er brach in die heftigsten Vorwürfe gegen seinen Be- gleiter aus, die dieser, nachdem er ihm einigemahl in einem trotzigen Tone stillzuschweigen geboten hatte, durch derbe Schläge mit einem dicken Seile, beant- wortete, wovon Sebaldus ganz betäubt auf das Strohlager niederfiel.
Als er sich ein wenig erholte, sah er um sich eine Anzahl elender Schatten-ähnlicher Menschen, von Hunger, Vlöße, Schlägen, Krankheit und Kinn- mer ganz ausgemergelt, von ihrem Strohlager auf- kriechen. Neben ihm lag ein Mensch, günstiges An- sehens, aber vom Fieber ganz abgezehrt, der ihm, auf seine laute Klagen mit mattaufgehobner Hand, und schwacher Stimme, hochdeutsch zusprach; "Sey geduldig Freund, denn es wartet dein noch "mehr Elend; das meinige ist hoffentlich bald zu "Ende.'
Sebaldus fiel wieder in schwermüthiges Stau- nen, aus welchem er ohngefähr nach einer Stunde erweckt wurde, da man ihn holte, um vor dem See- lenverkäufer zu erscheinen, der nicht längst aufge- standen war.
Sebal-
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Begleiter in eine Art von Unterkammer ſtieß, wo ohngefaͤhr dreißig elende Menſchen auf Stroh lagen. Er brach in die heftigſten Vorwuͤrfe gegen ſeinen Be- gleiter aus, die dieſer, nachdem er ihm einigemahl in einem trotzigen Tone ſtillzuſchweigen geboten hatte, durch derbe Schlaͤge mit einem dicken Seile, beant- wortete, wovon Sebaldus ganz betaͤubt auf das Strohlager niederfiel.
Als er ſich ein wenig erholte, ſah er um ſich eine Anzahl elender Schatten-aͤhnlicher Menſchen, von Hunger, Vloͤße, Schlaͤgen, Krankheit und Kinn- mer ganz ausgemergelt, von ihrem Strohlager auf- kriechen. Neben ihm lag ein Menſch, guͤnſtiges An- ſehens, aber vom Fieber ganz abgezehrt, der ihm, auf ſeine laute Klagen mit mattaufgehobner Hand, und ſchwacher Stimme, hochdeutſch zuſprach; „Sey geduldig Freund, denn es wartet dein noch „mehr Elend; das meinige iſt hoffentlich bald zu „Ende.‛
Sebaldus fiel wieder in ſchwermuͤthiges Stau- nen, aus welchem er ohngefaͤhr nach einer Stunde erweckt wurde, da man ihn holte, um vor dem See- lenverkaͤufer zu erſcheinen, der nicht laͤngſt aufge- ſtanden war.
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[39[38]/0047]
Begleiter in eine Art von Unterkammer ſtieß, wo
ohngefaͤhr dreißig elende Menſchen auf Stroh lagen.
Er brach in die heftigſten Vorwuͤrfe gegen ſeinen Be-
gleiter aus, die dieſer, nachdem er ihm einigemahl
in einem trotzigen Tone ſtillzuſchweigen geboten hatte,
durch derbe Schlaͤge mit einem dicken Seile, beant-
wortete, wovon Sebaldus ganz betaͤubt auf das
Strohlager niederfiel.
Als er ſich ein wenig erholte, ſah er um ſich eine
Anzahl elender Schatten-aͤhnlicher Menſchen, von
Hunger, Vloͤße, Schlaͤgen, Krankheit und Kinn-
mer ganz ausgemergelt, von ihrem Strohlager auf-
kriechen. Neben ihm lag ein Menſch, guͤnſtiges An-
ſehens, aber vom Fieber ganz abgezehrt, der ihm,
auf ſeine laute Klagen mit mattaufgehobner Hand,
und ſchwacher Stimme, hochdeutſch zuſprach;
„Sey geduldig Freund, denn es wartet dein noch
„mehr Elend; das meinige iſt hoffentlich bald zu
„Ende.‛
Sebaldus fiel wieder in ſchwermuͤthiges Stau-
nen, aus welchem er ohngefaͤhr nach einer Stunde
erweckt wurde, da man ihn holte, um vor dem See-
lenverkaͤufer zu erſcheinen, der nicht laͤngſt aufge-
ſtanden war.
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Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 3. Berlin u. a., 1776, S. 39[38]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nicolai_nothanker03_1776/47>, abgerufen am 16.02.2025.
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