zu schreiben. Domine Dwanghuysen war nicht der geringste unter den rechtsinnigen Verdammern der Heiden; also ist leicht zu begreifen, daß Meester Puistma's Klage, ihn in nicht geringe Bewegung möge gesetzt haben.
Er gieng auch unverzüglich zum Kaufmanne, und fuhr den Sebaldus, in dessen Gegenwart, heftig darüber an, daß er der Jugend heidnische Schriften in die Hän- de gebe, um ihr darinn Beyspiele der heiduischen sündli- chen Tugend, zur Nachahmung vorzustellen. Er deci- dirte, daß weder Xenophon noch Sokrates, noch Antonin prädestinirt gewesen, daß sie wegen ihrer ver- meintlichen scheinbaren Tugenden kein Gegenstand der göttlichen Barmherzigkeit hätten seyn können, und also in dem höllischen Schwefelpfuhle ewig bra- ten müsten. Sebaldus unternahm unbedachtsamer weise, die großen Männer, wider dieses hatte Ver- dammungsurtheil zu vertheidigen, machte aber da- durch das Uebel viel ärger, denn Dwanghuysen ward sehr heftig ergrimmt, daß Sebaldus gegen ihn, als gegen einen Seelenhirten, ohne Scheu sol- che seelenverderbliche Meinungen behaupten wolle, und schrie, indem er aus dem Zimmer schritt, dem Kaufmanne zu, daß er einen solchen heidnischen Un- christen nicht ferner einen Augenblick unter seinem
Dache
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zu ſchreiben. Domine Dwanghuyſen war nicht der geringſte unter den rechtſinnigen Verdammern der Heiden; alſo iſt leicht zu begreifen, daß Meeſter Puiſtma’s Klage, ihn in nicht geringe Bewegung moͤge geſetzt haben.
Er gieng auch unverzuͤglich zum Kaufmanne, und fuhr den Sebaldus, in deſſen Gegenwart, heftig daruͤber an, daß er der Jugend heidniſche Schriften in die Haͤn- de gebe, um ihr darinn Beyſpiele der heiduiſchen ſuͤndli- chen Tugend, zur Nachahmung vorzuſtellen. Er deci- dirte, daß weder Xenophon noch Sokrates, noch Antonin praͤdeſtinirt geweſen, daß ſie wegen ihrer ver- meintlichen ſcheinbaren Tugenden kein Gegenſtand der goͤttlichen Barmherzigkeit haͤtten ſeyn koͤnnen, und alſo in dem hoͤlliſchen Schwefelpfuhle ewig bra- ten muͤſten. Sebaldus unternahm unbedachtſamer weiſe, die großen Maͤnner, wider dieſes hatte Ver- dammungsurtheil zu vertheidigen, machte aber da- durch das Uebel viel aͤrger, denn Dwanghuyſen ward ſehr heftig ergrimmt, daß Sebaldus gegen ihn, als gegen einen Seelenhirten, ohne Scheu ſol- che ſeelenverderbliche Meinungen behaupten wolle, und ſchrie, indem er aus dem Zimmer ſchritt, dem Kaufmanne zu, daß er einen ſolchen heidniſchen Un- chriſten nicht ferner einen Augenblick unter ſeinem
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[23[22]/0031]
zu ſchreiben. Domine Dwanghuyſen war nicht der
geringſte unter den rechtſinnigen Verdammern der
Heiden; alſo iſt leicht zu begreifen, daß Meeſter
Puiſtma’s Klage, ihn in nicht geringe Bewegung
moͤge geſetzt haben.
Er gieng auch unverzuͤglich zum Kaufmanne, und fuhr
den Sebaldus, in deſſen Gegenwart, heftig daruͤber
an, daß er der Jugend heidniſche Schriften in die Haͤn-
de gebe, um ihr darinn Beyſpiele der heiduiſchen ſuͤndli-
chen Tugend, zur Nachahmung vorzuſtellen. Er deci-
dirte, daß weder Xenophon noch Sokrates, noch
Antonin praͤdeſtinirt geweſen, daß ſie wegen ihrer ver-
meintlichen ſcheinbaren Tugenden kein Gegenſtand
der goͤttlichen Barmherzigkeit haͤtten ſeyn koͤnnen,
und alſo in dem hoͤlliſchen Schwefelpfuhle ewig bra-
ten muͤſten. Sebaldus unternahm unbedachtſamer
weiſe, die großen Maͤnner, wider dieſes hatte Ver-
dammungsurtheil zu vertheidigen, machte aber da-
durch das Uebel viel aͤrger, denn Dwanghuyſen
ward ſehr heftig ergrimmt, daß Sebaldus gegen
ihn, als gegen einen Seelenhirten, ohne Scheu ſol-
che ſeelenverderbliche Meinungen behaupten wolle,
und ſchrie, indem er aus dem Zimmer ſchritt, dem
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Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 3. Berlin u. a., 1776, S. 23[22]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nicolai_nothanker03_1776/31>, abgerufen am 16.02.2025.
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