voller Wuth, abermahls zu Domine Dwanghuy- sen, ihm diese neue Ketzerey zu berichten.
Menschliche Tugenden, besonders die Tugenden der Heiden, waren zu der Zeit in Rotterdam eben nicht im besten Rufe. Zwar hatte damahls Domine Hof- stede, noch nicht, die Laster der berühmten Hei- den angezeigt, zum Beweise, wie unbedacht- sam man dieselben selig gepriesen*) Es ist aber auch leicht zu erachten, daß die unsinnige Behaup- tung: die größten Männer des Alterthums wä- ren, ohne Ausnahme, lasterhaft gewesen, nicht auf einmahl in eines Menschen Gehirn kommen kann, ohne daß vorbereitende Thorheiten anderer Leute vor- hergegangen wären. Wirklich war schon seit gerau- mer Zeit in Friesland und durch das ganze Süd- holland, die Meinung gänge und gäbe gewesen, das menschliche Geschlecht sey von Natur elend, dumm und zum Guten unfähig. Wenn irgend je- mand auf einige Art das Gegentheil behaupten, be- sonders wenn er sich etwann auf die Tugenden der Heiden berufen wollte, war es sehr gewöhnlich, von Arminianischer Ansteckung, Pelagianischem Sauer- teige, und Socmianischem Gifte zu reden, auch wohl
zu
*) Dieses Buch ist ins deutsche übersetzt. Leipzig 1769. 8.
voller Wuth, abermahls zu Domine Dwanghuy- ſen, ihm dieſe neue Ketzerey zu berichten.
Menſchliche Tugenden, beſonders die Tugenden der Heiden, waren zu der Zeit in Rotterdam eben nicht im beſten Rufe. Zwar hatte damahls Domine Hof- ſtede, noch nicht, die Laſter der beruͤhmten Hei- den angezeigt, zum Beweiſe, wie unbedacht- ſam man dieſelben ſelig geprieſen*) Es iſt aber auch leicht zu erachten, daß die unſinnige Behaup- tung: die groͤßten Maͤnner des Alterthums waͤ- ren, ohne Ausnahme, laſterhaft geweſen, nicht auf einmahl in eines Menſchen Gehirn kommen kann, ohne daß vorbereitende Thorheiten anderer Leute vor- hergegangen waͤren. Wirklich war ſchon ſeit gerau- mer Zeit in Friesland und durch das ganze Suͤd- holland, die Meinung gaͤnge und gaͤbe geweſen, das menſchliche Geſchlecht ſey von Natur elend, dumm und zum Guten unfaͤhig. Wenn irgend je- mand auf einige Art das Gegentheil behaupten, be- ſonders wenn er ſich etwann auf die Tugenden der Heiden berufen wollte, war es ſehr gewoͤhnlich, von Arminianiſcher Anſteckung, Pelagianiſchem Sauer- teige, und Socmianiſchem Gifte zu reden, auch wohl
zu
*) Dieſes Buch iſt ins deutſche uͤberſetzt. Leipzig 1769. 8.
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[22[21]/0030]
voller Wuth, abermahls zu Domine Dwanghuy-
ſen, ihm dieſe neue Ketzerey zu berichten.
Menſchliche Tugenden, beſonders die Tugenden der
Heiden, waren zu der Zeit in Rotterdam eben nicht
im beſten Rufe. Zwar hatte damahls Domine Hof-
ſtede, noch nicht, die Laſter der beruͤhmten Hei-
den angezeigt, zum Beweiſe, wie unbedacht-
ſam man dieſelben ſelig geprieſen *) Es iſt aber
auch leicht zu erachten, daß die unſinnige Behaup-
tung: die groͤßten Maͤnner des Alterthums waͤ-
ren, ohne Ausnahme, laſterhaft geweſen, nicht
auf einmahl in eines Menſchen Gehirn kommen kann,
ohne daß vorbereitende Thorheiten anderer Leute vor-
hergegangen waͤren. Wirklich war ſchon ſeit gerau-
mer Zeit in Friesland und durch das ganze Suͤd-
holland, die Meinung gaͤnge und gaͤbe geweſen,
das menſchliche Geſchlecht ſey von Natur elend,
dumm und zum Guten unfaͤhig. Wenn irgend je-
mand auf einige Art das Gegentheil behaupten, be-
ſonders wenn er ſich etwann auf die Tugenden der
Heiden berufen wollte, war es ſehr gewoͤhnlich, von
Arminianiſcher Anſteckung, Pelagianiſchem Sauer-
teige, und Socmianiſchem Gifte zu reden, auch wohl
zu
*) Dieſes Buch iſt ins deutſche uͤberſetzt. Leipzig 1769. 8.
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Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 3. Berlin u. a., 1776, S. 22[21]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nicolai_nothanker03_1776/30>, abgerufen am 16.02.2025.
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