Hierbey schlug Haberwald eine wiehernde Lache auf, und der Freywerber, dem sich, während der ganzen Erzählung, die Kinnbacken verlängert hatten, gieng in den Garten, um der Frau Gertrudtinn den für ihre Absichten so verdrießlichen Vorfall, mit möglichster Vorsicht zu hinterbringen.
Er störte sie in einer sehr glücklichen Lage, denn da sie ihre heutige Ueberlegenheit über Sebaldus vermerkte, hatte sie ihn warm gehalten und war jetzt eben im Beweise begriffen, daß die dritte Po- saune*) in der Apokalypse, die Jndifferentisten bedeute, welche von Erbsünde und Wiedergeburt nichts wissen wollen, und dadurch eine bittere Re- ligionsmengerey verursachen, dagegen Sebaldus, der aber jezt gar nicht zum Worte kommen konn- te, vermeinte, daß dadurch die französischen Athei- sten angedeutet würden, welche die ersten Quellen der menschlichen Glückseligkeit vergiften.
Der Freywerber raunte der Frau Gertrudtinn die unglückliche Nachricht ins Ohr, wodurch sie außer aller Fassung gebracht ward. Sie fiel bey- nahe in Ohnmacht, kam wieder zu sich, ward in ihren Wagen gepackt und nach Hause gefahren.
Der
*) Offenb. Joh. VIII. 10.
K 2
Hierbey ſchlug Haberwald eine wiehernde Lache auf, und der Freywerber, dem ſich, waͤhrend der ganzen Erzaͤhlung, die Kinnbacken verlaͤngert hatten, gieng in den Garten, um der Frau Gertrudtinn den fuͤr ihre Abſichten ſo verdrießlichen Vorfall, mit moͤglichſter Vorſicht zu hinterbringen.
Er ſtoͤrte ſie in einer ſehr gluͤcklichen Lage, denn da ſie ihre heutige Ueberlegenheit uͤber Sebaldus vermerkte, hatte ſie ihn warm gehalten und war jetzt eben im Beweiſe begriffen, daß die dritte Po- ſaune*) in der Apokalypſe, die Jndifferentiſten bedeute, welche von Erbſuͤnde und Wiedergeburt nichts wiſſen wollen, und dadurch eine bittere Re- ligionsmengerey verurſachen, dagegen Sebaldus, der aber jezt gar nicht zum Worte kommen konn- te, vermeinte, daß dadurch die franzoͤſiſchen Athei- ſten angedeutet wuͤrden, welche die erſten Quellen der menſchlichen Gluͤckſeligkeit vergiften.
Der Freywerber raunte der Frau Gertrudtinn die ungluͤckliche Nachricht ins Ohr, wodurch ſie außer aller Faſſung gebracht ward. Sie fiel bey- nahe in Ohnmacht, kam wieder zu ſich, ward in ihren Wagen gepackt und nach Hauſe gefahren.
Der
*) Offenb. Joh. VIII. 10.
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[145[144]/0159]
Hierbey ſchlug Haberwald eine wiehernde Lache
auf, und der Freywerber, dem ſich, waͤhrend der
ganzen Erzaͤhlung, die Kinnbacken verlaͤngert hatten,
gieng in den Garten, um der Frau Gertrudtinn
den fuͤr ihre Abſichten ſo verdrießlichen Vorfall,
mit moͤglichſter Vorſicht zu hinterbringen.
Er ſtoͤrte ſie in einer ſehr gluͤcklichen Lage, denn
da ſie ihre heutige Ueberlegenheit uͤber Sebaldus
vermerkte, hatte ſie ihn warm gehalten und war
jetzt eben im Beweiſe begriffen, daß die dritte Po-
ſaune *) in der Apokalypſe, die Jndifferentiſten
bedeute, welche von Erbſuͤnde und Wiedergeburt
nichts wiſſen wollen, und dadurch eine bittere Re-
ligionsmengerey verurſachen, dagegen Sebaldus,
der aber jezt gar nicht zum Worte kommen konn-
te, vermeinte, daß dadurch die franzoͤſiſchen Athei-
ſten angedeutet wuͤrden, welche die erſten Quellen
der menſchlichen Gluͤckſeligkeit vergiften.
Der Freywerber raunte der Frau Gertrudtinn
die ungluͤckliche Nachricht ins Ohr, wodurch ſie
außer aller Faſſung gebracht ward. Sie fiel bey-
nahe in Ohnmacht, kam wieder zu ſich, ward in
ihren Wagen gepackt und nach Hauſe gefahren.
Der
*) Offenb. Joh. VIII. 10.
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Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 3. Berlin u. a., 1776, S. 145[144]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nicolai_nothanker03_1776/159>, abgerufen am 16.02.2025.
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