der Sebaldus ehrliche Denkungsart kannte, machte seiner eignen Klugheit insgeheim ein Kompliment, indem er dadurch seinem Sohne einen starken Schritt abgewonnen zu haben glaubte.
Sebaldus fuhr mit dem jungen Säugling, nach dem Hause im Walde. Als Mariane den Wagen ankommen sah, flog sie ihrem Liebhaber entgegen. Er war aber kaum aus dem Wagen gesprungen, als sie auch ihren Vater erblickte. So viele Freude auf einmahl zu ertragen, ist ein menschliches Herz zu schwach. Sie fiel in Ohnmacht. Als sie wieder zu sich kam, stürzte sie, mit Freude ohne Maaße, in ihres Vaters Arme, in die er sie mit väterlicher Jn- brunst schloß. Aber bald mischten sich traurige Em- pfindungen in ihre Freude. Jhr Vater hielt ihr seine jetzige Lage gegen den alten Säugling vor. Er gab ihr zu überiegen, ob er nicht dessen Gutthä- tigkeit mit Undanke belohnen und die heiligsten Rechte der Gastfreundschaft verletzen müßte, wenn er, wie es allemahl scheinen würde, aus Eigennutz, zu ihrer Heurath mit dem jungen Säugling, wider des Va- ters Willen, seine Einwilligung geben wollte. Er erklärte ihr endlich, daß er dem Alten förmlich des- halb sein Wort gegeben habe, und nun forderte er
auch
der Sebaldus ehrliche Denkungsart kannte, machte ſeiner eignen Klugheit insgeheim ein Kompliment, indem er dadurch ſeinem Sohne einen ſtarken Schritt abgewonnen zu haben glaubte.
Sebaldus fuhr mit dem jungen Saͤugling, nach dem Hauſe im Walde. Als Mariane den Wagen ankommen ſah, flog ſie ihrem Liebhaber entgegen. Er war aber kaum aus dem Wagen geſprungen, als ſie auch ihren Vater erblickte. So viele Freude auf einmahl zu ertragen, iſt ein menſchliches Herz zu ſchwach. Sie fiel in Ohnmacht. Als ſie wieder zu ſich kam, ſtuͤrzte ſie, mit Freude ohne Maaße, in ihres Vaters Arme, in die er ſie mit vaͤterlicher Jn- brunſt ſchloß. Aber bald miſchten ſich traurige Em- pfindungen in ihre Freude. Jhr Vater hielt ihr ſeine jetzige Lage gegen den alten Saͤugling vor. Er gab ihr zu uͤberiegen, ob er nicht deſſen Gutthaͤ- tigkeit mit Undanke belohnen und die heiligſten Rechte der Gaſtfreundſchaft verletzen muͤßte, wenn er, wie es allemahl ſcheinen wuͤrde, aus Eigennutz, zu ihrer Heurath mit dem jungen Saͤugling, wider des Va- ters Willen, ſeine Einwilligung geben wollte. Er erklaͤrte ihr endlich, daß er dem Alten foͤrmlich des- halb ſein Wort gegeben habe, und nun forderte er
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[136[135]/0148]
der Sebaldus ehrliche Denkungsart kannte, machte
ſeiner eignen Klugheit insgeheim ein Kompliment,
indem er dadurch ſeinem Sohne einen ſtarken Schritt
abgewonnen zu haben glaubte.
Sebaldus fuhr mit dem jungen Saͤugling, nach
dem Hauſe im Walde. Als Mariane den Wagen
ankommen ſah, flog ſie ihrem Liebhaber entgegen.
Er war aber kaum aus dem Wagen geſprungen, als
ſie auch ihren Vater erblickte. So viele Freude auf
einmahl zu ertragen, iſt ein menſchliches Herz zu
ſchwach. Sie fiel in Ohnmacht. Als ſie wieder zu
ſich kam, ſtuͤrzte ſie, mit Freude ohne Maaße, in
ihres Vaters Arme, in die er ſie mit vaͤterlicher Jn-
brunſt ſchloß. Aber bald miſchten ſich traurige Em-
pfindungen in ihre Freude. Jhr Vater hielt ihr
ſeine jetzige Lage gegen den alten Saͤugling vor.
Er gab ihr zu uͤberiegen, ob er nicht deſſen Gutthaͤ-
tigkeit mit Undanke belohnen und die heiligſten Rechte
der Gaſtfreundſchaft verletzen muͤßte, wenn er, wie
es allemahl ſcheinen wuͤrde, aus Eigennutz, zu ihrer
Heurath mit dem jungen Saͤugling, wider des Va-
ters Willen, ſeine Einwilligung geben wollte. Er
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halb ſein Wort gegeben habe, und nun forderte er
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Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 3. Berlin u. a., 1776, S. 136[135]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nicolai_nothanker03_1776/148>, abgerufen am 16.02.2025.
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