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Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 3. Berlin u. a., 1776.

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sie mit innigster Zärtlichkeit und werde nimmer von
ihr laßen.

Der Alte ließ für Schrecken seine Pfeife zu Bo-
den fallen. Der schöne Entwurf, seinen Sohn mit
einem reichen Franenzimmer zu verbinden, den er für
ganz ausgemacht hielt, sah er mit einemmahle ver-
nichtet, sein Sohn war in ein armes Mädchen ver-
gafft, das in eine benachbarte Hütte, Gott weiß
woher, gekommen war, und was das schlimm-
ste war, denn sein Phlegma stellte sich allemahl die
nächsten Berlegenheiten als die größten vor, er wuste
gar nicht, was er mit der Frau Gertrudtinn, ih-
rer Tochter und dem Freywerber anfangen sollte,
die er zu heute Mittage gebeten hatte, um den Heu-
rathsantrag zu thun, in der ganz zuverläßigen Vor-
stellung, daß sein Sohn nichts lieber wünschte.

Endlich ermannte er sich, um seinem Sohne zu
beweisen, daß es sich für ihn gar nicht schicke, ein
armes Mädchen zu nehmen, und sein Sohn erman-
gelte nicht, mit vielen Gegengründen darzuthun,
daß ein Mädchen, die er liebte, das einzige Glück
seines Lebens machen werde. Jn diesem Streite,
ward die kaltsinnige Ruhigkeit des Vaters, bald von
der feurigen Heftigkeit des Sohnes betäubt. Da
Säugling also merkte, daß sein Vater stiller ward,

bekam
J 4



ſie mit innigſter Zaͤrtlichkeit und werde nimmer von
ihr laßen.

Der Alte ließ fuͤr Schrecken ſeine Pfeife zu Bo-
den fallen. Der ſchoͤne Entwurf, ſeinen Sohn mit
einem reichen Franenzimmer zu verbinden, den er fuͤr
ganz ausgemacht hielt, ſah er mit einemmahle ver-
nichtet, ſein Sohn war in ein armes Maͤdchen ver-
gafft, das in eine benachbarte Huͤtte, Gott weiß
woher, gekommen war, und was das ſchlimm-
ſte war, denn ſein Phlegma ſtellte ſich allemahl die
naͤchſten Berlegenheiten als die groͤßten vor, er wuſte
gar nicht, was er mit der Frau Gertrudtinn, ih-
rer Tochter und dem Freywerber anfangen ſollte,
die er zu heute Mittage gebeten hatte, um den Heu-
rathsantrag zu thun, in der ganz zuverlaͤßigen Vor-
ſtellung, daß ſein Sohn nichts lieber wuͤnſchte.

Endlich ermannte er ſich, um ſeinem Sohne zu
beweiſen, daß es ſich fuͤr ihn gar nicht ſchicke, ein
armes Maͤdchen zu nehmen, und ſein Sohn erman-
gelte nicht, mit vielen Gegengruͤnden darzuthun,
daß ein Maͤdchen, die er liebte, das einzige Gluͤck
ſeines Lebens machen werde. Jn dieſem Streite,
ward die kaltſinnige Ruhigkeit des Vaters, bald von
der feurigen Heftigkeit des Sohnes betaͤubt. Da
Saͤugling alſo merkte, daß ſein Vater ſtiller ward,

bekam
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[133[132]/0145] ſie mit innigſter Zaͤrtlichkeit und werde nimmer von ihr laßen. Der Alte ließ fuͤr Schrecken ſeine Pfeife zu Bo- den fallen. Der ſchoͤne Entwurf, ſeinen Sohn mit einem reichen Franenzimmer zu verbinden, den er fuͤr ganz ausgemacht hielt, ſah er mit einemmahle ver- nichtet, ſein Sohn war in ein armes Maͤdchen ver- gafft, das in eine benachbarte Huͤtte, Gott weiß woher, gekommen war, und was das ſchlimm- ſte war, denn ſein Phlegma ſtellte ſich allemahl die naͤchſten Berlegenheiten als die groͤßten vor, er wuſte gar nicht, was er mit der Frau Gertrudtinn, ih- rer Tochter und dem Freywerber anfangen ſollte, die er zu heute Mittage gebeten hatte, um den Heu- rathsantrag zu thun, in der ganz zuverlaͤßigen Vor- ſtellung, daß ſein Sohn nichts lieber wuͤnſchte. Endlich ermannte er ſich, um ſeinem Sohne zu beweiſen, daß es ſich fuͤr ihn gar nicht ſchicke, ein armes Maͤdchen zu nehmen, und ſein Sohn erman- gelte nicht, mit vielen Gegengruͤnden darzuthun, daß ein Maͤdchen, die er liebte, das einzige Gluͤck ſeines Lebens machen werde. Jn dieſem Streite, ward die kaltſinnige Ruhigkeit des Vaters, bald von der feurigen Heftigkeit des Sohnes betaͤubt. Da Saͤugling alſo merkte, daß ſein Vater ſtiller ward, bekam J 4

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Zitationshilfe: Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 3. Berlin u. a., 1776, S. 133[132]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nicolai_nothanker03_1776/145>, abgerufen am 18.12.2024.