Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 3. Berlin u. a., 1776.

Bild:
<< vorherige Seite



er an ihren so schön gepriesenen Rubene, van Dyk,
Guercino
und Luca Jordano keine Augenweide
finden könne, und daß ihm die Bildnisse seiner Vor-
ältern, mit ihren Kragen, güldnen Ehrenketten
und Knotenperncken viel besser gefielen. Sie konn-
ten also bey ihm nichts als ein Paar von Jakobs
van der Laenen
oder Jan Steens Fratzengemäl-
den anbringen; bey denen nicht viel verdient wurde,
weil sie wirklich ächt waren. Sie verließen ihn da-
her gänzlich, mit vielem Achselzucken über seine un-
begreifliche Unwissenheit. Es fanden sich zwar an-
dere Leute von Geschmack, welche ihn lehren woll-
ten, seinen Garten nach der neuesten englisch-chine-
sischen Art anzulegen, die damals in Westphalen
noch ganz unerhört war. Da er aber, zu diesem Be-
hufe, den größten Theil seines Parks sollte umhauen
laßen, und nach der Anlage, gerade auf dem Platze,
wo sein bestes Franzobst und alle seine Spargelbeete
befindlich waren, ein chinesischer Thurm und hinter
demselben verschiedene Abgründe und Wildnisse an-
gelegt werden sollten; so folgte er wieder seiner ein-
fältigen Ueberlegung, daß er, dieser Verbesserung zu
Folge, viele Jahre lang weder Spargel noch Obst ko-
sten, und vielleicht Zeitlebens nie wieder Schatten
und Kühlung genießen würde, und ließ alles wie es

war.



er an ihren ſo ſchoͤn geprieſenen Rubene, van Dyk,
Guercino
und Luca Jordano keine Augenweide
finden koͤnne, und daß ihm die Bildniſſe ſeiner Vor-
aͤltern, mit ihren Kragen, guͤldnen Ehrenketten
und Knotenperncken viel beſſer gefielen. Sie konn-
ten alſo bey ihm nichts als ein Paar von Jakobs
van der Laenen
oder Jan Steens Fratzengemaͤl-
den anbringen; bey denen nicht viel verdient wurde,
weil ſie wirklich aͤcht waren. Sie verließen ihn da-
her gaͤnzlich, mit vielem Achſelzucken uͤber ſeine un-
begreifliche Unwiſſenheit. Es fanden ſich zwar an-
dere Leute von Geſchmack, welche ihn lehren woll-
ten, ſeinen Garten nach der neueſten engliſch-chine-
ſiſchen Art anzulegen, die damals in Weſtphalen
noch ganz unerhoͤrt war. Da er aber, zu dieſem Be-
hufe, den groͤßten Theil ſeines Parks ſollte umhauen
laßen, und nach der Anlage, gerade auf dem Platze,
wo ſein beſtes Franzobſt und alle ſeine Spargelbeete
befindlich waren, ein chineſiſcher Thurm und hinter
demſelben verſchiedene Abgruͤnde und Wildniſſe an-
gelegt werden ſollten; ſo folgte er wieder ſeiner ein-
faͤltigen Ueberlegung, daß er, dieſer Verbeſſerung zu
Folge, viele Jahre lang weder Spargel noch Obſt ko-
ſten, und vielleicht Zeitlebens nie wieder Schatten
und Kuͤhlung genießen wuͤrde, und ließ alles wie es

war.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0102" n="92[91]"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
er an ihren &#x017F;o &#x017F;cho&#x0364;n geprie&#x017F;enen <hi rendition="#fr">Rubene, van Dyk,<lb/>
Guercino</hi> und <hi rendition="#fr">Luca Jordano</hi> keine Augenweide<lb/>
finden ko&#x0364;nne, und daß ihm die Bildni&#x017F;&#x017F;e &#x017F;einer Vor-<lb/>
a&#x0364;ltern, mit ihren Kragen, gu&#x0364;ldnen Ehrenketten<lb/>
und Knotenperncken viel be&#x017F;&#x017F;er gefielen. Sie konn-<lb/>
ten al&#x017F;o bey ihm nichts als ein Paar von <hi rendition="#fr">Jakobs<lb/>
van der Laenen</hi> oder <hi rendition="#fr">Jan Steens</hi> Fratzengema&#x0364;l-<lb/>
den anbringen; bey denen nicht viel verdient wurde,<lb/>
weil &#x017F;ie wirklich a&#x0364;cht waren. Sie verließen ihn da-<lb/>
her ga&#x0364;nzlich, mit vielem Ach&#x017F;elzucken u&#x0364;ber &#x017F;eine un-<lb/>
begreifliche Unwi&#x017F;&#x017F;enheit. Es fanden &#x017F;ich zwar an-<lb/>
dere Leute von Ge&#x017F;chmack, welche ihn lehren woll-<lb/>
ten, &#x017F;einen Garten nach der neue&#x017F;ten engli&#x017F;ch-chine-<lb/>
&#x017F;i&#x017F;chen Art anzulegen, die damals in We&#x017F;tphalen<lb/>
noch ganz unerho&#x0364;rt war. Da er aber, zu die&#x017F;em Be-<lb/>
hufe, den gro&#x0364;ßten Theil &#x017F;eines Parks &#x017F;ollte umhauen<lb/>
laßen, und nach der Anlage, gerade auf dem Platze,<lb/>
wo &#x017F;ein be&#x017F;tes Franzob&#x017F;t und alle &#x017F;eine Spargelbeete<lb/>
befindlich waren, ein chine&#x017F;i&#x017F;cher Thurm und hinter<lb/>
dem&#x017F;elben ver&#x017F;chiedene Abgru&#x0364;nde und Wildni&#x017F;&#x017F;e an-<lb/>
gelegt werden &#x017F;ollten; &#x017F;o folgte er wieder &#x017F;einer ein-<lb/>
fa&#x0364;ltigen Ueberlegung, daß er, die&#x017F;er Verbe&#x017F;&#x017F;erung zu<lb/>
Folge, viele Jahre lang weder Spargel noch Ob&#x017F;t ko-<lb/>
&#x017F;ten, und vielleicht Zeitlebens nie wieder Schatten<lb/>
und Ku&#x0364;hlung genießen wu&#x0364;rde, und ließ alles wie es<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">war.</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[92[91]/0102] er an ihren ſo ſchoͤn geprieſenen Rubene, van Dyk, Guercino und Luca Jordano keine Augenweide finden koͤnne, und daß ihm die Bildniſſe ſeiner Vor- aͤltern, mit ihren Kragen, guͤldnen Ehrenketten und Knotenperncken viel beſſer gefielen. Sie konn- ten alſo bey ihm nichts als ein Paar von Jakobs van der Laenen oder Jan Steens Fratzengemaͤl- den anbringen; bey denen nicht viel verdient wurde, weil ſie wirklich aͤcht waren. Sie verließen ihn da- her gaͤnzlich, mit vielem Achſelzucken uͤber ſeine un- begreifliche Unwiſſenheit. Es fanden ſich zwar an- dere Leute von Geſchmack, welche ihn lehren woll- ten, ſeinen Garten nach der neueſten engliſch-chine- ſiſchen Art anzulegen, die damals in Weſtphalen noch ganz unerhoͤrt war. Da er aber, zu dieſem Be- hufe, den groͤßten Theil ſeines Parks ſollte umhauen laßen, und nach der Anlage, gerade auf dem Platze, wo ſein beſtes Franzobſt und alle ſeine Spargelbeete befindlich waren, ein chineſiſcher Thurm und hinter demſelben verſchiedene Abgruͤnde und Wildniſſe an- gelegt werden ſollten; ſo folgte er wieder ſeiner ein- faͤltigen Ueberlegung, daß er, dieſer Verbeſſerung zu Folge, viele Jahre lang weder Spargel noch Obſt ko- ſten, und vielleicht Zeitlebens nie wieder Schatten und Kuͤhlung genießen wuͤrde, und ließ alles wie es war.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/nicolai_nothanker03_1776
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/nicolai_nothanker03_1776/102
Zitationshilfe: Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 3. Berlin u. a., 1776, S. 92[91]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nicolai_nothanker03_1776/102>, abgerufen am 24.11.2024.