"an sie dieselben herumführen können, und dazu "sind die wächsernen Nasen am besten. Glauben "Sie denn, daß der Mann, der eben itzt so viel von "symbolischen Büchern redete, ihnen eben so strenge "anhängt, als er verlangt, daß ihnen andere an- "hangen sollen?'
,Dieß muß ich dahin gestellt seyn lassen, weil ich "den Mann nicht genau genug kenne.'
,Jch lasse es auch dahin gestellt seyn. Jch kenne "aber nicht wenig Geistliche von hohem Sinne, die "vielleicht sehr leicht Heterodoxen geworden wären, "wenn dadurch Ruhm oder ansehnliche Aemter zu er- "langen gewesen wären. Wenn sie aber sehen, daß "andere schon mit besserm Erfolge durch Heterodoxien "Ruhm erworben haben, wenn sie fühlen, daß sie "schwerlich Geschicklichkeit und Muth genug haben "möchten, noch wichtigere Neuerungen zu wagen, so "ekelt ihnen davor, Heterodoxen vom zweyten oder "dritten Range zu seyn, und sie ergreifen die viel be- "quemere und sichrere Partey, sie stellen sich an die "Spitze der Orthodoxen ihrer Stadt oder ihrer Pro- "vinz, und wenden eben die Lebhaftigkeit des Geistes, "mit der sie Ketzereyen hätten anstiften können, an, "um sich Ketzereyen zu widersetzen. Sich auf die äl- "tern Theologen und auf die symbolischen Bücher, bloß
"als
”an ſie dieſelben herumfuͤhren koͤnnen, und dazu ”ſind die waͤchſernen Naſen am beſten. Glauben ”Sie denn, daß der Mann, der eben itzt ſo viel von ”ſymboliſchen Buͤchern redete, ihnen eben ſo ſtrenge ”anhaͤngt, als er verlangt, daß ihnen andere an- ”hangen ſollen?‛
‚Dieß muß ich dahin geſtellt ſeyn laſſen, weil ich ”den Mann nicht genau genug kenne.‛
‚Jch laſſe es auch dahin geſtellt ſeyn. Jch kenne ”aber nicht wenig Geiſtliche von hohem Sinne, die ”vielleicht ſehr leicht Heterodoxen geworden waͤren, ”wenn dadurch Ruhm oder anſehnliche Aemter zu er- ”langen geweſen waͤren. Wenn ſie aber ſehen, daß ”andere ſchon mit beſſerm Erfolge durch Heterodoxien ”Ruhm erworben haben, wenn ſie fuͤhlen, daß ſie ”ſchwerlich Geſchicklichkeit und Muth genug haben ”moͤchten, noch wichtigere Neuerungen zu wagen, ſo ”ekelt ihnen davor, Heterodoxen vom zweyten oder ”dritten Range zu ſeyn, und ſie ergreifen die viel be- ”quemere und ſichrere Partey, ſie ſtellen ſich an die ”Spitze der Orthodoxen ihrer Stadt oder ihrer Pro- ”vinz, und wenden eben die Lebhaftigkeit des Geiſtes, ”mit der ſie Ketzereyen haͤtten anſtiften koͤnnen, an, ”um ſich Ketzereyen zu widerſetzen. Sich auf die aͤl- ”tern Theologen und auf die ſymboliſchen Buͤcher, bloß
”als
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”an ſie dieſelben herumfuͤhren koͤnnen, und dazu
”ſind die waͤchſernen Naſen am beſten. Glauben
”Sie denn, daß der Mann, der eben itzt ſo viel von
”ſymboliſchen Buͤchern redete, ihnen eben ſo ſtrenge
”anhaͤngt, als er verlangt, daß ihnen andere an-
”hangen ſollen?‛
‚Dieß muß ich dahin geſtellt ſeyn laſſen, weil ich
”den Mann nicht genau genug kenne.‛
‚Jch laſſe es auch dahin geſtellt ſeyn. Jch kenne
”aber nicht wenig Geiſtliche von hohem Sinne, die
”vielleicht ſehr leicht Heterodoxen geworden waͤren,
”wenn dadurch Ruhm oder anſehnliche Aemter zu er-
”langen geweſen waͤren. Wenn ſie aber ſehen, daß
”andere ſchon mit beſſerm Erfolge durch Heterodoxien
”Ruhm erworben haben, wenn ſie fuͤhlen, daß ſie
”ſchwerlich Geſchicklichkeit und Muth genug haben
”moͤchten, noch wichtigere Neuerungen zu wagen, ſo
”ekelt ihnen davor, Heterodoxen vom zweyten oder
”dritten Range zu ſeyn, und ſie ergreifen die viel be-
”quemere und ſichrere Partey, ſie ſtellen ſich an die
”Spitze der Orthodoxen ihrer Stadt oder ihrer Pro-
”vinz, und wenden eben die Lebhaftigkeit des Geiſtes,
”mit der ſie Ketzereyen haͤtten anſtiften koͤnnen, an,
”um ſich Ketzereyen zu widerſetzen. Sich auf die aͤl-
”tern Theologen und auf die ſymboliſchen Buͤcher, bloß
”als
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Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 2. Berlin u. a., 1775, S. 88. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nicolai_nothanker02_1775/94>, abgerufen am 05.07.2024.
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