Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 2. Berlin u. a., 1775."ren kann. Und zuletzt wird bey dem Vernünfteln "doch nichts herauskommen; denn, ich wiederhole es "nochmals, dem Layen muß und soll man nicht er- "klären und beweisen, sondern er muß glauben. "Es kömmt hier gar nicht auf die Vernunft, sondern "auf die Bibel, auf eine übernatürliche Offenba- "rung an. Hier muß man nur nicht schmeicheln, "sondern die menschliche Vernunft in ihrer Ohnmacht "zeigen, ihr aber keinesweges, wie unsre trefflichen Leh- "rer der Tugend thun, ein Recht in Glaubenssachen "zugestehen.' Herr F. hörte dieses Gespräch stillschweigend an, Dieser fuhr fort: ,Und unsern neumodischen Theo- Sebal- F 4
”ren kann. Und zuletzt wird bey dem Vernuͤnfteln ”doch nichts herauskommen; denn, ich wiederhole es ”nochmals, dem Layen muß und ſoll man nicht er- ”klaͤren und beweiſen, ſondern er muß glauben. ”Es koͤmmt hier gar nicht auf die Vernunft, ſondern ”auf die Bibel, auf eine uͤbernatuͤrliche Offenba- ”rung an. Hier muß man nur nicht ſchmeicheln, ”ſondern die menſchliche Vernunft in ihrer Ohnmacht ”zeigen, ihr aber keinesweges, wie unſre trefflichen Leh- ”rer der Tugend thun, ein Recht in Glaubensſachen ”zugeſtehen.‛ Herr F. hoͤrte dieſes Geſpraͤch ſtillſchweigend an, Dieſer fuhr fort: ‚Und unſern neumodiſchen Theo- Sebal- F 4
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”ren kann. Und zuletzt wird bey dem Vernuͤnfteln
”doch nichts herauskommen; denn, ich wiederhole es
”nochmals, dem Layen muß und ſoll man nicht er-
”klaͤren und beweiſen, ſondern er muß glauben.
”Es koͤmmt hier gar nicht auf die Vernunft, ſondern
”auf die Bibel, auf eine uͤbernatuͤrliche Offenba-
”rung an. Hier muß man nur nicht ſchmeicheln,
”ſondern die menſchliche Vernunft in ihrer Ohnmacht
”zeigen, ihr aber keinesweges, wie unſre trefflichen Leh-
”rer der Tugend thun, ein Recht in Glaubensſachen
”zugeſtehen.‛
Herr F. hoͤrte dieſes Geſpraͤch ſtillſchweigend an,
das Geſicht auf ſeinen Stock geſtuͤtzt. Sebaldus
aber war dabey ſehr unruhig, und ruͤckte ſich auf der
Bank hin und her, ſo daß er unvermerkt dem Pre-
diger naͤher kam.
Dieſer fuhr fort: ‚Und unſern neumodiſchen Theo-
”logen, die die Welt haben erleuchten wollen, die ſo
”viel unterſucht, vernuͤnftelt, philoſophirt haben, wie
”wenig haben ſie ausgerichtet! wie muͤſſen ſie ſich
”kruͤmmen und winden! Sie philoſophiren Saͤtze
”aus der Dogmatik weg, und laſſen doch die Folgen
”dieſer Saͤtze ſtehen; ſie brauchen Woͤrter in man-
”cherley Verſtande, ſie verwickeln ſich in ihre eignen
”Schlingen, ſie ſind aufs aͤußerſte inkonſequent. —‛
Sebal-
F 4
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