Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 2. Berlin u. a., 1775."mit unüberwindlicher Macht entgegensetzen, daß "allenthalben Dummköpfe, die eingeführten Lehren "und Gebräuchen ergeben sind, laut sprechen und "herrschen, und daß weise Leute, welche Mißbräuche "einsehen, und ihnen abhelfen könnten, nicht laut spre- "chen wollen, oder dürfen. Nachdem mein Graf voll- "jährig geworden, bin ich nun ganz unabhängig, und "danke Gott, daß ich in einer Lage bin, in der ich meine "Gedanken nicht ferner verhehlen, noch meine Aus- "drücke auf Schrauben setzen darf.' ,Ja wohl, sagte Sebaldus, daß ist die große ,Ey! Sie haben ja von Berlin eine sehr gute Mei- "wir
”mit unuͤberwindlicher Macht entgegenſetzen, daß ”allenthalben Dummkoͤpfe, die eingefuͤhrten Lehren ”und Gebraͤuchen ergeben ſind, laut ſprechen und ”herrſchen, und daß weiſe Leute, welche Mißbraͤuche ”einſehen, und ihnen abhelfen koͤnnten, nicht laut ſpre- ”chen wollen, oder duͤrfen. Nachdem mein Graf voll- ”jaͤhrig geworden, bin ich nun ganz unabhaͤngig, und ”danke Gott, daß ich in einer Lage bin, in der ich meine ”Gedanken nicht ferner verhehlen, noch meine Aus- ”druͤcke auf Schrauben ſetzen darf.‛ ‚Ja wohl, ſagte Sebaldus, daß iſt die große ‚Ey! Sie haben ja von Berlin eine ſehr gute Mei- ”wir
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”mit unuͤberwindlicher Macht entgegenſetzen, daß
”allenthalben Dummkoͤpfe, die eingefuͤhrten Lehren
”und Gebraͤuchen ergeben ſind, laut ſprechen und
”herrſchen, und daß weiſe Leute, welche Mißbraͤuche
”einſehen, und ihnen abhelfen koͤnnten, nicht laut ſpre-
”chen wollen, oder duͤrfen. Nachdem mein Graf voll-
”jaͤhrig geworden, bin ich nun ganz unabhaͤngig, und
”danke Gott, daß ich in einer Lage bin, in der ich meine
”Gedanken nicht ferner verhehlen, noch meine Aus-
”druͤcke auf Schrauben ſetzen darf.‛
‚Ja wohl, ſagte Sebaldus, daß iſt die große
”Gluͤckſeligkeit, die man in Berlin genießet. Hier
”iſt das wahre Land der Freyheit, wo jedermann ſeine
”Gedanken ſagen darf, wo man niemand verketzert,
”wo chriſtliche Liebe und Erleuchtung in gleichem
”Maße herrſchen.‛
‚Ey! Sie haben ja von Berlin eine ſehr gute Mei-
”nung, ſagte Hr. F. laͤchelnd. Freylich, wer, ſo
”wie Sie und ich, kein Amt ſucht, und nicht von der
”Meinung des Publikums abhaͤngen darf, kann in
”Berlin denken und ſagen, was er will; mit demje-
”nigen aber, dem es nicht ſo ganz gleichguͤltig iſt, was
”man von ſeinen Religionsmeinungen denkt, iſt es
”eine ganz andere Sache. Die Regierung beguͤnſtigt
”die Freiheit zu denken, beſonders in Religionsſachen;
”wir
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