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Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 2. Berlin u. a., 1775.

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und ward von Hrn. F. mit der größten Freundschaft
aufgenommen. Noch mehr, er erfuhr von ihm, daß
der Major, durch Wunden zum Dienste untüchtig,
von einem erhaltenen Gnadengehalte in Berlin lebe.

Er sah denselben noch an eben dem Tage in Ge-
sellschaft des Hrn. F. Der Major empfieng den Se-
baldus
mit herzlichem Händedrücken. Er biß die
Zähne zusammen, als er hörte, wie treulos
Stauzius, nach dem Abmarsche des Obersten, ge-
gen seinen Freund gehandelt habe; er erbot sich, auf
die treuherzigste Weise, ihm durch Vorsprache noch
eine Feldpredigerstelle zu verschaffen, und bis dahin
sein Gehalt mit ihm zu theilen. Sebaldus, ob-
gleich über diese großmüthigen Anträge gerührt, ver-
bat sie doch. Das unabhängige Leben fieng ihm an
zu gefallen, und da er gewohnt war so wenig zu
bedürfen, so erwarb er mit seiner Arbeit mehr, als
er zu seinem Unterhalte nöthig hatte.

Mit Mühe ließ er sich bereden, bey dem Hrn. F.
eine bequemere Wohnung einzunehmen, und dessel-
ben Tischgenosse zu werden, weil ihn derselbe versi-
cherte, daß er, seitdem er Wittwer sey, und seine
Kinder verloren habe, in seiner Einsamkeit einen
Gesellschafter zu haben wünsche.

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und ward von Hrn. F. mit der groͤßten Freundſchaft
aufgenommen. Noch mehr, er erfuhr von ihm, daß
der Major, durch Wunden zum Dienſte untuͤchtig,
von einem erhaltenen Gnadengehalte in Berlin lebe.

Er ſah denſelben noch an eben dem Tage in Ge-
ſellſchaft des Hrn. F. Der Major empfieng den Se-
baldus
mit herzlichem Haͤndedruͤcken. Er biß die
Zaͤhne zuſammen, als er hoͤrte, wie treulos
Stauzius, nach dem Abmarſche des Oberſten, ge-
gen ſeinen Freund gehandelt habe; er erbot ſich, auf
die treuherzigſte Weiſe, ihm durch Vorſprache noch
eine Feldpredigerſtelle zu verſchaffen, und bis dahin
ſein Gehalt mit ihm zu theilen. Sebaldus, ob-
gleich uͤber dieſe großmuͤthigen Antraͤge geruͤhrt, ver-
bat ſie doch. Das unabhaͤngige Leben fieng ihm an
zu gefallen, und da er gewohnt war ſo wenig zu
beduͤrfen, ſo erwarb er mit ſeiner Arbeit mehr, als
er zu ſeinem Unterhalte noͤthig hatte.

Mit Muͤhe ließ er ſich bereden, bey dem Hrn. F.
eine bequemere Wohnung einzunehmen, und deſſel-
ben Tiſchgenoſſe zu werden, weil ihn derſelbe verſi-
cherte, daß er, ſeitdem er Wittwer ſey, und ſeine
Kinder verloren habe, in ſeiner Einſamkeit einen
Geſellſchafter zu haben wuͤnſche.

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[49/0055] und ward von Hrn. F. mit der groͤßten Freundſchaft aufgenommen. Noch mehr, er erfuhr von ihm, daß der Major, durch Wunden zum Dienſte untuͤchtig, von einem erhaltenen Gnadengehalte in Berlin lebe. Er ſah denſelben noch an eben dem Tage in Ge- ſellſchaft des Hrn. F. Der Major empfieng den Se- baldus mit herzlichem Haͤndedruͤcken. Er biß die Zaͤhne zuſammen, als er hoͤrte, wie treulos Stauzius, nach dem Abmarſche des Oberſten, ge- gen ſeinen Freund gehandelt habe; er erbot ſich, auf die treuherzigſte Weiſe, ihm durch Vorſprache noch eine Feldpredigerſtelle zu verſchaffen, und bis dahin ſein Gehalt mit ihm zu theilen. Sebaldus, ob- gleich uͤber dieſe großmuͤthigen Antraͤge geruͤhrt, ver- bat ſie doch. Das unabhaͤngige Leben fieng ihm an zu gefallen, und da er gewohnt war ſo wenig zu beduͤrfen, ſo erwarb er mit ſeiner Arbeit mehr, als er zu ſeinem Unterhalte noͤthig hatte. Mit Muͤhe ließ er ſich bereden, bey dem Hrn. F. eine bequemere Wohnung einzunehmen, und deſſel- ben Tiſchgenoſſe zu werden, weil ihn derſelbe verſi- cherte, daß er, ſeitdem er Wittwer ſey, und ſeine Kinder verloren habe, in ſeiner Einſamkeit einen Geſellſchafter zu haben wuͤnſche. Sech- D 3

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Zitationshilfe: Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 2. Berlin u. a., 1775, S. 49. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nicolai_nothanker02_1775/55>, abgerufen am 25.11.2024.