"können. Mit diesen beiden Künsten habe ich mich "selbst über zwey Jahre erhalten.'
Sebaldus ward also zu einem Musiker von der untern Klasse umgeschaffen. Er unterwies gemeiner Leute Kinder auf dem Klaviere, und für vornehmere schrieb er Noten. Er ward hiedurch, zu seinem großen Vergnügen, in gar kurzer Zeit in den Stand gesetzt, seinem Wohlthäter, der nun sein vertrauter Freund geworden war, nicht ferner beschwerlich zu fallen, ob er gleich fortfuhr bey ihm zu wohnen.
Es waren schon ein Paar Monathe, in Zufriedenheit, und ohne merkwürdige Vorfälle, verflossen, als eines Tages dem Sebaldus von einem gewissen Hrn. F. einige Musikalien zum Abschreiben zugeschickt wurden. Er ward auf diesen Namen sehr aufmerksam, er glaubte ihn irgendwo gehört zu haben, er erkundigte sich näher nach diesem Manne, und erfuhr, daß er bey einem Grafen Hofmeister gewesen, und von einer von demselben erhaltenen ansehnlichen Pension lebe. Nun besann er sich, daß an einen Mann dieses Na- meus des Majors in Leipzig Rekommendationsschrei- ben gerichtet gewesen wäre, an das er, seitdem es verloren war, nicht gedacht hatte. Er ward begie- rig diesen Mann näher kennen zu lernen, er über- brachte seine Abschriften selbst, gab sich zu erkennen,
und
”koͤnnen. Mit dieſen beiden Kuͤnſten habe ich mich ”ſelbſt uͤber zwey Jahre erhalten.‛
Sebaldus ward alſo zu einem Muſiker von der untern Klaſſe umgeſchaffen. Er unterwies gemeiner Leute Kinder auf dem Klaviere, und fuͤr vornehmere ſchrieb er Noten. Er ward hiedurch, zu ſeinem großen Vergnuͤgen, in gar kurzer Zeit in den Stand geſetzt, ſeinem Wohlthaͤter, der nun ſein vertrauter Freund geworden war, nicht ferner beſchwerlich zu fallen, ob er gleich fortfuhr bey ihm zu wohnen.
Es waren ſchon ein Paar Monathe, in Zufriedenheit, und ohne merkwuͤrdige Vorfaͤlle, verfloſſen, als eines Tages dem Sebaldus von einem gewiſſen Hrn. F. einige Muſikalien zum Abſchreiben zugeſchickt wurden. Er ward auf dieſen Namen ſehr aufmerkſam, er glaubte ihn irgendwo gehoͤrt zu haben, er erkundigte ſich naͤher nach dieſem Manne, und erfuhr, daß er bey einem Grafen Hofmeiſter geweſen, und von einer von demſelben erhaltenen anſehnlichen Penſion lebe. Nun beſann er ſich, daß an einen Mann dieſes Na- meus des Majors in Leipzig Rekommendationsſchrei- ben gerichtet geweſen waͤre, an das er, ſeitdem es verloren war, nicht gedacht hatte. Er ward begie- rig dieſen Mann naͤher kennen zu lernen, er uͤber- brachte ſeine Abſchriften ſelbſt, gab ſich zu erkennen,
und
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”koͤnnen. Mit dieſen beiden Kuͤnſten habe ich mich
”ſelbſt uͤber zwey Jahre erhalten.‛
Sebaldus ward alſo zu einem Muſiker von der
untern Klaſſe umgeſchaffen. Er unterwies gemeiner
Leute Kinder auf dem Klaviere, und fuͤr vornehmere
ſchrieb er Noten. Er ward hiedurch, zu ſeinem
großen Vergnuͤgen, in gar kurzer Zeit in den Stand
geſetzt, ſeinem Wohlthaͤter, der nun ſein vertrauter
Freund geworden war, nicht ferner beſchwerlich zu
fallen, ob er gleich fortfuhr bey ihm zu wohnen.
Es waren ſchon ein Paar Monathe, in Zufriedenheit,
und ohne merkwuͤrdige Vorfaͤlle, verfloſſen, als eines
Tages dem Sebaldus von einem gewiſſen Hrn. F.
einige Muſikalien zum Abſchreiben zugeſchickt wurden.
Er ward auf dieſen Namen ſehr aufmerkſam, er
glaubte ihn irgendwo gehoͤrt zu haben, er erkundigte
ſich naͤher nach dieſem Manne, und erfuhr, daß er
bey einem Grafen Hofmeiſter geweſen, und von einer
von demſelben erhaltenen anſehnlichen Penſion lebe.
Nun beſann er ſich, daß an einen Mann dieſes Na-
meus des Majors in Leipzig Rekommendationsſchrei-
ben gerichtet geweſen waͤre, an das er, ſeitdem es
verloren war, nicht gedacht hatte. Er ward begie-
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brachte ſeine Abſchriften ſelbſt, gab ſich zu erkennen,
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Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 2. Berlin u. a., 1775, S. 48. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nicolai_nothanker02_1775/54>, abgerufen am 05.07.2024.
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