"lehre herleiten. Denen, die nicht so tief eindrin- "gen wollen, kann ich einen halbjährigen Kursus über "Wüstemanns Einleitung in die Philosophie "des Hrn. D. Crusius halten.
,Wer ist der Crusius? und wer ist der Wüste- "mann?
,Wie? Herr D. Crusius ist ein weltberühmter "Mann, den alle Gelehrten aus Einem Munde prei- "sen, der die Thelematologie erfunden hat, der sich "dem Wolfischen Fatalismus entgegengesetzt hat, der "muß in Berlin in allen Gesellschaften genennet wer- "den, dessen Schriften müssen alle Gelehrten sich zum "täglichen Studium machen.
,Es kann seyn. Jch bin kein Gelehrter, aber ich "bin in vielen Häusern in Berlin bekannt; ich war "drey Jahre Schreiber bey einem Mitgliede der Aka- "demie der Wissenschaften, zwey Jahre Bedienter bey "einem Minister, und anderthalb Jahre Küster bey "einem sehr gelehrten Prediger, der mir alle seine "Manuskripte vorlas, und doch habe ich den Namen "Crusius in meinem Leben nicht nennen hören. Und "wie hieß der andere?' --
,Magister Wüstemann. Dieser hat die freylich "etwas weitläuftigen Schriften des Hrn Doktors in "einen kurzen Begriff gebracht. Jch dächte, er müßte
aus-
D
”lehre herleiten. Denen, die nicht ſo tief eindrin- ”gen wollen, kann ich einen halbjaͤhrigen Kurſus uͤber ”Wuͤſtemanns Einleitung in die Philoſophie ”des Hrn. D. Cruſius halten.
‚Wer iſt der Cruſius? und wer iſt der Wuͤſte- ”mann?
‚Wie? Herr D. Cruſius iſt ein weltberuͤhmter ”Mann, den alle Gelehrten aus Einem Munde prei- ”ſen, der die Thelematologie erfunden hat, der ſich ”dem Wolfiſchen Fataliſmus entgegengeſetzt hat, der ”muß in Berlin in allen Geſellſchaften genennet wer- ”den, deſſen Schriften muͤſſen alle Gelehrten ſich zum ”taͤglichen Studium machen.
‚Es kann ſeyn. Jch bin kein Gelehrter, aber ich ”bin in vielen Haͤuſern in Berlin bekannt; ich war ”drey Jahre Schreiber bey einem Mitgliede der Aka- ”demie der Wiſſenſchaften, zwey Jahre Bedienter bey ”einem Miniſter, und anderthalb Jahre Kuͤſter bey ”einem ſehr gelehrten Prediger, der mir alle ſeine ”Manuſkripte vorlas, und doch habe ich den Namen ”Cruſius in meinem Leben nicht nennen hoͤren. Und ”wie hieß der andere?‛ —
‚Magiſter Wuͤſtemann. Dieſer hat die freylich ”etwas weitlaͤuftigen Schriften des Hrn Doktors in ”einen kurzen Begriff gebracht. Jch daͤchte, er muͤßte
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”lehre herleiten. Denen, die nicht ſo tief eindrin-
”gen wollen, kann ich einen halbjaͤhrigen Kurſus uͤber
”Wuͤſtemanns Einleitung in die Philoſophie
”des Hrn. D. Cruſius halten.
‚Wer iſt der Cruſius? und wer iſt der Wuͤſte-
”mann?
‚Wie? Herr D. Cruſius iſt ein weltberuͤhmter
”Mann, den alle Gelehrten aus Einem Munde prei-
”ſen, der die Thelematologie erfunden hat, der ſich
”dem Wolfiſchen Fataliſmus entgegengeſetzt hat, der
”muß in Berlin in allen Geſellſchaften genennet wer-
”den, deſſen Schriften muͤſſen alle Gelehrten ſich zum
”taͤglichen Studium machen.
‚Es kann ſeyn. Jch bin kein Gelehrter, aber ich
”bin in vielen Haͤuſern in Berlin bekannt; ich war
”drey Jahre Schreiber bey einem Mitgliede der Aka-
”demie der Wiſſenſchaften, zwey Jahre Bedienter bey
”einem Miniſter, und anderthalb Jahre Kuͤſter bey
”einem ſehr gelehrten Prediger, der mir alle ſeine
”Manuſkripte vorlas, und doch habe ich den Namen
”Cruſius in meinem Leben nicht nennen hoͤren. Und
”wie hieß der andere?‛ —
‚Magiſter Wuͤſtemann. Dieſer hat die freylich
”etwas weitlaͤuftigen Schriften des Hrn Doktors in
”einen kurzen Begriff gebracht. Jch daͤchte, er muͤßte
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Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 2. Berlin u. a., 1775, S. 45. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nicolai_nothanker02_1775/51>, abgerufen am 16.02.2025.
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