Seidewickeln und die Tochter bey einem Nährahmen beschäfftigt. Er fieng sogleich ungebeten an, seinem Wohlthäter in seiner Schularbeit zu helsen.
Nach dem Mittagsessen dankte er ihm, von ganzem Herzen, für seine gastfreye Aufnahme, und fügte die Bitte hinzu, daß er ihm Anleitung geben möchte, selbst sein Brodt zu verdienen.
,Was meinen Sie zu verstehen, antwortete der "Schulmeister, das hier in Berlin brauchbar wäre, "und das Sie ausüben oder lehren könnten?'
,Jch habe gedacht, sagte Sebaldus, daß, da in "in dieser großen Residenz, die wichtigsten Landes- "und Regierungsgeschäffte, Kriegsanschläge, Hand- "lungs-und Nahrungsgeschäffte, u s. w. vorkommen "müssen, und da keine von diesen Sachen ohne Phi- "lesophie geführet werden kann, so würde ich am "besten mein Auskommen finden können, wenn ich "Unterricht in der Philosophie gäbe. Wenn ich auch "nicht an die Großen käme, so muß doch ein jeder "Bürger vernünftig zu leben suchen, und dieß kann "ich nach den neuesten und gründlichsten Grundsätzen "des Hrn. D. Crusius lehren. Jch kann aus der "Thelematologie, aufs unwiederleglichste, die "Erhik, die natürliche Moraltheologie, das "Recht der Natur und die allgemeine Klugheits-
"lehre
Seidewickeln und die Tochter bey einem Naͤhrahmen beſchaͤfftigt. Er fieng ſogleich ungebeten an, ſeinem Wohlthaͤter in ſeiner Schularbeit zu helſen.
Nach dem Mittagseſſen dankte er ihm, von ganzem Herzen, fuͤr ſeine gaſtfreye Aufnahme, und fuͤgte die Bitte hinzu, daß er ihm Anleitung geben moͤchte, ſelbſt ſein Brodt zu verdienen.
‚Was meinen Sie zu verſtehen, antwortete der ”Schulmeiſter, das hier in Berlin brauchbar waͤre, ”und das Sie ausuͤben oder lehren koͤnnten?‛
‚Jch habe gedacht, ſagte Sebaldus, daß, da in ”in dieſer großen Reſidenz, die wichtigſten Landes- ”und Regierungsgeſchaͤffte, Kriegsanſchlaͤge, Hand- ”lungs-und Nahrungsgeſchaͤffte, u ſ. w. vorkommen ”muͤſſen, und da keine von dieſen Sachen ohne Phi- ”leſophie gefuͤhret werden kann, ſo wuͤrde ich am ”beſten mein Auskommen finden koͤnnen, wenn ich ”Unterricht in der Philoſophie gaͤbe. Wenn ich auch ”nicht an die Großen kaͤme, ſo muß doch ein jeder ”Buͤrger vernuͤnftig zu leben ſuchen, und dieß kann ”ich nach den neueſten und gruͤndlichſten Grundſaͤtzen ”des Hrn. D. Cruſius lehren. Jch kann aus der ”Thelematologie, aufs unwiederleglichſte, die ”Erhik, die natuͤrliche Moraltheologie, das ”Recht der Natur und die allgemeine Klugheits-
”lehre
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Seidewickeln und die Tochter bey einem Naͤhrahmen
beſchaͤfftigt. Er fieng ſogleich ungebeten an, ſeinem
Wohlthaͤter in ſeiner Schularbeit zu helſen.
Nach dem Mittagseſſen dankte er ihm, von ganzem
Herzen, fuͤr ſeine gaſtfreye Aufnahme, und fuͤgte
die Bitte hinzu, daß er ihm Anleitung geben moͤchte,
ſelbſt ſein Brodt zu verdienen.
‚Was meinen Sie zu verſtehen, antwortete der
”Schulmeiſter, das hier in Berlin brauchbar waͤre,
”und das Sie ausuͤben oder lehren koͤnnten?‛
‚Jch habe gedacht, ſagte Sebaldus, daß, da in
”in dieſer großen Reſidenz, die wichtigſten Landes-
”und Regierungsgeſchaͤffte, Kriegsanſchlaͤge, Hand-
”lungs-und Nahrungsgeſchaͤffte, u ſ. w. vorkommen
”muͤſſen, und da keine von dieſen Sachen ohne Phi-
”leſophie gefuͤhret werden kann, ſo wuͤrde ich am
”beſten mein Auskommen finden koͤnnen, wenn ich
”Unterricht in der Philoſophie gaͤbe. Wenn ich auch
”nicht an die Großen kaͤme, ſo muß doch ein jeder
”Buͤrger vernuͤnftig zu leben ſuchen, und dieß kann
”ich nach den neueſten und gruͤndlichſten Grundſaͤtzen
”des Hrn. D. Cruſius lehren. Jch kann aus der
”Thelematologie, aufs unwiederleglichſte, die
”Erhik, die natuͤrliche Moraltheologie, das
”Recht der Natur und die allgemeine Klugheits-
”lehre
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Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 2. Berlin u. a., 1775, S. 44. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nicolai_nothanker02_1775/50>, abgerufen am 05.07.2024.
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