Er gieng in ein nicht weit entlegenes Haus, und in Sebaldus Geiste stieg plötzlich der gute Gedanken, oder nach gelehrter Exegese zu reden, die Offenba- rung auf, daß er sich, in seiner gegenwärtigen Beküm- merniß, am besten an den Jüngling wenden könnte, welcher so fein von der christlichen Liebe gepredigt hatte. Er klopfte also an die Thür an.
Die Thür öffnete ein ältlicher Mann, der, wie sich hernach auswies, der Vater des Kandidaten war. Er war ein ehrlicher guter Krämer, der in den Abendstunden und Sonntagsnachmittagen gern Er- bauungsschriften las, die er nicht ganz verstand. Er war daher in des hochtrabenden Oemlers, in des mystischen Trescho, in des wortreichen Tiedens Schriften sehr belesen, und galt deshalb bey seinen Nachbarn für einen gelehrten Mann.
Das Herz hüpfte dem ehrlichen Krämer, als Se- baldus nach dem Prediger fragte, von welchem er eben die schöne Predigt von der Liebe gehört habe. ,Es ist mein Sohn, rief er freudig aus: treten Sie "doch näher, mein lieber Herr!' und damit führte er ihn in die Stube.
Sebaldus fand den Kandidaten, unter den Hän- den seiner, über die erste Predigt ihres Sohnes noch entzückten Mutter, die ihm eben einen leichten
Schlaf-
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Er gieng in ein nicht weit entlegenes Haus, und in Sebaldus Geiſte ſtieg ploͤtzlich der gute Gedanken, oder nach gelehrter Exegeſe zu reden, die Offenba- rung auf, daß er ſich, in ſeiner gegenwaͤrtigen Bekuͤm- merniß, am beſten an den Juͤngling wenden koͤnnte, welcher ſo fein von der chriſtlichen Liebe gepredigt hatte. Er klopfte alſo an die Thuͤr an.
Die Thuͤr oͤffnete ein aͤltlicher Mann, der, wie ſich hernach auswies, der Vater des Kandidaten war. Er war ein ehrlicher guter Kraͤmer, der in den Abendſtunden und Sonntagsnachmittagen gern Er- bauungsſchriften las, die er nicht ganz verſtand. Er war daher in des hochtrabenden Oemlers, in des myſtiſchen Treſcho, in des wortreichen Tiedens Schriften ſehr beleſen, und galt deshalb bey ſeinen Nachbarn fuͤr einen gelehrten Mann.
Das Herz huͤpfte dem ehrlichen Kraͤmer, als Se- baldus nach dem Prediger fragte, von welchem er eben die ſchoͤne Predigt von der Liebe gehoͤrt habe. ‚Es iſt mein Sohn, rief er freudig aus: treten Sie ”doch naͤher, mein lieber Herr!‛ und damit fuͤhrte er ihn in die Stube.
Sebaldus fand den Kandidaten, unter den Haͤn- den ſeiner, uͤber die erſte Predigt ihres Sohnes noch entzuͤckten Mutter, die ihm eben einen leichten
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Er gieng in ein nicht weit entlegenes Haus, und
in Sebaldus Geiſte ſtieg ploͤtzlich der gute Gedanken,
oder nach gelehrter Exegeſe zu reden, die Offenba-
rung auf, daß er ſich, in ſeiner gegenwaͤrtigen Bekuͤm-
merniß, am beſten an den Juͤngling wenden koͤnnte,
welcher ſo fein von der chriſtlichen Liebe gepredigt
hatte. Er klopfte alſo an die Thuͤr an.
Die Thuͤr oͤffnete ein aͤltlicher Mann, der, wie ſich
hernach auswies, der Vater des Kandidaten war.
Er war ein ehrlicher guter Kraͤmer, der in den
Abendſtunden und Sonntagsnachmittagen gern Er-
bauungsſchriften las, die er nicht ganz verſtand. Er
war daher in des hochtrabenden Oemlers, in des
myſtiſchen Treſcho, in des wortreichen Tiedens
Schriften ſehr beleſen, und galt deshalb bey ſeinen
Nachbarn fuͤr einen gelehrten Mann.
Das Herz huͤpfte dem ehrlichen Kraͤmer, als Se-
baldus nach dem Prediger fragte, von welchem er
eben die ſchoͤne Predigt von der Liebe gehoͤrt habe.
‚Es iſt mein Sohn, rief er freudig aus: treten Sie
”doch naͤher, mein lieber Herr!‛ und damit fuͤhrte
er ihn in die Stube.
Sebaldus fand den Kandidaten, unter den Haͤn-
den ſeiner, uͤber die erſte Predigt ihres Sohnes noch
entzuͤckten Mutter, die ihm eben einen leichten
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Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 2. Berlin u. a., 1775, S. 33. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nicolai_nothanker02_1775/39>, abgerufen am 26.07.2024.
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