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Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 2. Berlin u. a., 1775.

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reden anfieng, ja einige hoben Erdklößer auf, und
warfen sie über ihn weg.

Sebaldus fieng an zu fürchten, daß der Auftritt
ernsthafter werden möchte, und suchte seinen Reise-
gefährten von seinem Vornehmen abzuhalten; die-
sem aber hatte der geringe Anschein eine Art von Mär-
tyrer zu werden, den Kopf angeflammt, und er fieng an,
mit stärkerer Stimme, den Vorübergehenden ein Wort
ans Herz zu legen.

Endlich gerieth er an einen Kerl, der nach seinem
braunen Rocke und rund um den Kopf herum abge-
schnittenen Haaren, nichts anders als ein Schläch-
ter oder Gerber seyn konnte. ,Mein Freund, redete
"er ihn an, er gehet, um sich die Zeit zu vertreiben,
"o! wenn er wüßte, wie wohl dem ist,

,Der da seine Stunden
"Jn den Wunden
"Des geschlacht'en Lamms verbringt.'

Herr, sagte der Kerl mit starren Augen: ,was
"kann mir das helfen, ich bin vorigen Sonntag im
"Lamme gewesen, aber das Bier war sauer.'

Und damit gieng er fort. Der umstehende Pöbel
schlug ein Gelächter auf, und verließ unsre Reisen-
den. Der Pietist verstummte.

Die



reden anfieng, ja einige hoben Erdkloͤßer auf, und
warfen ſie uͤber ihn weg.

Sebaldus fieng an zu fuͤrchten, daß der Auftritt
ernſthafter werden moͤchte, und ſuchte ſeinen Reiſe-
gefaͤhrten von ſeinem Vornehmen abzuhalten; die-
ſem aber hatte der geringe Anſchein eine Art von Maͤr-
tyrer zu werden, den Kopf angeflammt, und er fieng an,
mit ſtaͤrkerer Stimme, den Voruͤbergehenden ein Wort
ans Herz zu legen.

Endlich gerieth er an einen Kerl, der nach ſeinem
braunen Rocke und rund um den Kopf herum abge-
ſchnittenen Haaren, nichts anders als ein Schlaͤch-
ter oder Gerber ſeyn konnte. ‚Mein Freund, redete
”er ihn an, er gehet, um ſich die Zeit zu vertreiben,
”o! wenn er wuͤßte, wie wohl dem iſt,

‚Der da ſeine Stunden
”Jn den Wunden
”Des geſchlacht’en Lamms verbringt.‛

Herr, ſagte der Kerl mit ſtarren Augen: ‚was
”kann mir das helfen, ich bin vorigen Sonntag im
Lamme geweſen, aber das Bier war ſauer.‛

Und damit gieng er fort. Der umſtehende Poͤbel
ſchlug ein Gelaͤchter auf, und verließ unſre Reiſen-
den. Der Pietiſt verſtummte.

Die
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[28/0032] reden anfieng, ja einige hoben Erdkloͤßer auf, und warfen ſie uͤber ihn weg. Sebaldus fieng an zu fuͤrchten, daß der Auftritt ernſthafter werden moͤchte, und ſuchte ſeinen Reiſe- gefaͤhrten von ſeinem Vornehmen abzuhalten; die- ſem aber hatte der geringe Anſchein eine Art von Maͤr- tyrer zu werden, den Kopf angeflammt, und er fieng an, mit ſtaͤrkerer Stimme, den Voruͤbergehenden ein Wort ans Herz zu legen. Endlich gerieth er an einen Kerl, der nach ſeinem braunen Rocke und rund um den Kopf herum abge- ſchnittenen Haaren, nichts anders als ein Schlaͤch- ter oder Gerber ſeyn konnte. ‚Mein Freund, redete ”er ihn an, er gehet, um ſich die Zeit zu vertreiben, ”o! wenn er wuͤßte, wie wohl dem iſt, ‚Der da ſeine Stunden ”Jn den Wunden ”Des geſchlacht’en Lamms verbringt.‛ Herr, ſagte der Kerl mit ſtarren Augen: ‚was ”kann mir das helfen, ich bin vorigen Sonntag im ”Lamme geweſen, aber das Bier war ſauer.‛ Und damit gieng er fort. Der umſtehende Poͤbel ſchlug ein Gelaͤchter auf, und verließ unſre Reiſen- den. Der Pietiſt verſtummte. Die

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Zitationshilfe: Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 2. Berlin u. a., 1775, S. 28. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nicolai_nothanker02_1775/32>, abgerufen am 25.11.2024.