Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 2. Berlin u. a., 1775.

Bild:
<< vorherige Seite


Eben so heißt es, S. 4. ,Jch will euch itzt nichts
"davon sagen, daß der Reichthum öfters eurer
"Seele höchstschädlich ist, daß er eine Versu-
"chung ist zu allem Bösen,
und daß unser weise-
"ster Lehrer sagt, daß die Reichen nicht in das
"Reich Gottes kommen werden.
Daran will
"ich euch itzt nicht erinnern, weil ich unlängst von
"der Schädlichkeit des Reichthums ausführlich
"zu euch geredet habe.' Dieß ist ein klarer Beweis,
daß Sebaldus nicht der Verfasser dieser Predigt
seyn könne; denn man kann sich für ihn sicher verbür-
gen, daß er ein so ungeschmacktes Postillengeschwätz,
von der Schädlichkeit des Reichthums, seinen
Bauern nie werde vorgeredet haben. Er war viel-
mehr beständig beflissen, seinen Bauern zu predigen,
daß sie früh aufstehen, ihr Vieh fleißig warten,
ihren Acker und Garten aufs beste bearbeiten sollten,
alles in der ausdrücklichen Absicht, daß sie wohl-
habend
werden, daß sie Vermögen erwerben,
daß sie reich werden sollten. Sebaldus wußte nur
allzuwohl, daß die niederdrückende Dürftigkeit,
welche die einzige Alternative seyn kann, wenn der
Bauer nicht wohlhabend seyn soll, eine fruchtba-
rere Mutter der Barbarey und verderbter Sitten
ist, als der bäurische Reichthum, der allemal eine

Folge


Eben ſo heißt es, S. 4. ‚Jch will euch itzt nichts
”davon ſagen, daß der Reichthum oͤfters eurer
”Seele hoͤchſtſchaͤdlich iſt, daß er eine Verſu-
”chung iſt zu allem Boͤſen,
und daß unſer weiſe-
”ſter Lehrer ſagt, daß die Reichen nicht in das
”Reich Gottes kommen werden.
Daran will
”ich euch itzt nicht erinnern, weil ich unlaͤngſt von
”der Schaͤdlichkeit des Reichthums ausfuͤhrlich
”zu euch geredet habe.‛ Dieß iſt ein klarer Beweis,
daß Sebaldus nicht der Verfaſſer dieſer Predigt
ſeyn koͤnne; denn man kann ſich fuͤr ihn ſicher verbuͤr-
gen, daß er ein ſo ungeſchmacktes Poſtillengeſchwaͤtz,
von der Schaͤdlichkeit des Reichthums, ſeinen
Bauern nie werde vorgeredet haben. Er war viel-
mehr beſtaͤndig befliſſen, ſeinen Bauern zu predigen,
daß ſie fruͤh aufſtehen, ihr Vieh fleißig warten,
ihren Acker und Garten aufs beſte bearbeiten ſollten,
alles in der ausdruͤcklichen Abſicht, daß ſie wohl-
habend
werden, daß ſie Vermoͤgen erwerben,
daß ſie reich werden ſollten. Sebaldus wußte nur
allzuwohl, daß die niederdruͤckende Duͤrftigkeit,
welche die einzige Alternative ſeyn kann, wenn der
Bauer nicht wohlhabend ſeyn ſoll, eine fruchtba-
rere Mutter der Barbarey und verderbter Sitten
iſt, als der baͤuriſche Reichthum, der allemal eine

Folge
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0286" n="272"/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        <p>Eben &#x017F;o heißt es, S. 4. &#x201A;Jch will euch <hi rendition="#fr">itzt</hi> nichts<lb/>
&#x201D;davon &#x017F;agen, daß der <hi rendition="#fr">Reichthum</hi> o&#x0364;fters eurer<lb/>
&#x201D;Seele <hi rendition="#fr">ho&#x0364;ch&#x017F;t&#x017F;cha&#x0364;dlich</hi> i&#x017F;t, daß er eine <hi rendition="#fr">Ver&#x017F;u-<lb/>
&#x201D;chung i&#x017F;t zu allem Bo&#x0364;&#x017F;en,</hi> und daß un&#x017F;er wei&#x017F;e-<lb/>
&#x201D;&#x017F;ter Lehrer &#x017F;agt, daß die <hi rendition="#fr">Reichen nicht in das<lb/>
&#x201D;Reich Gottes kommen werden.</hi> Daran will<lb/>
&#x201D;ich euch itzt nicht erinnern, weil ich unla&#x0364;ng&#x017F;t von<lb/>
&#x201D;der <hi rendition="#fr">Scha&#x0364;dlichkeit des Reichthums</hi> ausfu&#x0364;hrlich<lb/>
&#x201D;zu euch geredet habe.&#x201B; Dieß i&#x017F;t ein klarer Beweis,<lb/>
daß <hi rendition="#fr">Sebaldus</hi> nicht der Verfa&#x017F;&#x017F;er die&#x017F;er Predigt<lb/>
&#x017F;eyn ko&#x0364;nne; denn man kann &#x017F;ich fu&#x0364;r ihn &#x017F;icher verbu&#x0364;r-<lb/>
gen, daß er ein &#x017F;o unge&#x017F;chmacktes Po&#x017F;tillenge&#x017F;chwa&#x0364;tz,<lb/><hi rendition="#fr">von der Scha&#x0364;dlichkeit des Reichthums,</hi> &#x017F;einen<lb/>
Bauern nie werde vorgeredet haben. Er war viel-<lb/>
mehr be&#x017F;ta&#x0364;ndig befli&#x017F;&#x017F;en, &#x017F;einen Bauern zu predigen,<lb/>
daß &#x017F;ie fru&#x0364;h auf&#x017F;tehen, ihr Vieh fleißig warten,<lb/>
ihren Acker und Garten aufs be&#x017F;te bearbeiten &#x017F;ollten,<lb/>
alles in der ausdru&#x0364;cklichen Ab&#x017F;icht, daß &#x017F;ie <hi rendition="#fr">wohl-<lb/>
habend</hi> werden, daß &#x017F;ie <hi rendition="#fr">Vermo&#x0364;gen erwerben,</hi><lb/>
daß &#x017F;ie <hi rendition="#fr">reich</hi> werden &#x017F;ollten. <hi rendition="#fr">Sebaldus</hi> wußte nur<lb/>
allzuwohl, daß die <hi rendition="#fr">niederdru&#x0364;ckende Du&#x0364;rftigkeit,</hi><lb/>
welche die einzige Alternative &#x017F;eyn kann, wenn der<lb/>
Bauer nicht <hi rendition="#fr">wohlhabend</hi> &#x017F;eyn &#x017F;oll, eine fruchtba-<lb/>
rere Mutter der Barbarey und verderbter Sitten<lb/>
i&#x017F;t, als der ba&#x0364;uri&#x017F;che Reichthum, der allemal eine<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Folge</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[272/0286] Eben ſo heißt es, S. 4. ‚Jch will euch itzt nichts ”davon ſagen, daß der Reichthum oͤfters eurer ”Seele hoͤchſtſchaͤdlich iſt, daß er eine Verſu- ”chung iſt zu allem Boͤſen, und daß unſer weiſe- ”ſter Lehrer ſagt, daß die Reichen nicht in das ”Reich Gottes kommen werden. Daran will ”ich euch itzt nicht erinnern, weil ich unlaͤngſt von ”der Schaͤdlichkeit des Reichthums ausfuͤhrlich ”zu euch geredet habe.‛ Dieß iſt ein klarer Beweis, daß Sebaldus nicht der Verfaſſer dieſer Predigt ſeyn koͤnne; denn man kann ſich fuͤr ihn ſicher verbuͤr- gen, daß er ein ſo ungeſchmacktes Poſtillengeſchwaͤtz, von der Schaͤdlichkeit des Reichthums, ſeinen Bauern nie werde vorgeredet haben. Er war viel- mehr beſtaͤndig befliſſen, ſeinen Bauern zu predigen, daß ſie fruͤh aufſtehen, ihr Vieh fleißig warten, ihren Acker und Garten aufs beſte bearbeiten ſollten, alles in der ausdruͤcklichen Abſicht, daß ſie wohl- habend werden, daß ſie Vermoͤgen erwerben, daß ſie reich werden ſollten. Sebaldus wußte nur allzuwohl, daß die niederdruͤckende Duͤrftigkeit, welche die einzige Alternative ſeyn kann, wenn der Bauer nicht wohlhabend ſeyn ſoll, eine fruchtba- rere Mutter der Barbarey und verderbter Sitten iſt, als der baͤuriſche Reichthum, der allemal eine Folge

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/nicolai_nothanker02_1775
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/nicolai_nothanker02_1775/286
Zitationshilfe: Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 2. Berlin u. a., 1775, S. 272. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nicolai_nothanker02_1775/286>, abgerufen am 05.07.2024.