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Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 2. Berlin u. a., 1775.

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So hätte Sebaldus nie von sich geredet, der in
aller Einfalt seine Pflicht that, und Gutes stiftete, so
viel er konnte, ohne zu glauben, daß er so viel
thäte, ohne feyerlich auszurufen: Jch danke dir,
Gott, daß ich nicht bin, wie andere Leute!

Eben so ist die Anmerkung S. LII. beschaffen:

,Jch gebe meine Predigten nicht für Muster aus,
"wornach meine Kollegen sich bilden sollten. Wenn
"sie nur daraus absehen, was ungefähr sie vor-
"tragen etc. etc.'

O! wie hätte der bescheidene Sebaldus, der,
wenn er predigte, und seine Kirchkinder tröstete, und
sie zum Guten ermahnte, nur ganz gewöhnlicher Weise
seine Pflicht gethan zu haben glaubte, sich auch nur
die Jdee in den Sinn kommen lassen, er könne
jemand ein Muster werden, oder es könnten andere
von ihm etwas absehen!

Daß ferner bey diesen Predigten keine biblischen
Texte
vorhanden sind, zeigt auch genugsam, daß sie we-
der Sebaldus, noch irgend sonst ein Prediger, der die
Gesinnungen der Landleute kennet, gemacht haben

kann.


So haͤtte Sebaldus nie von ſich geredet, der in
aller Einfalt ſeine Pflicht that, und Gutes ſtiftete, ſo
viel er konnte, ohne zu glauben, daß er ſo viel
thaͤte, ohne feyerlich auszurufen: Jch danke dir,
Gott, daß ich nicht bin, wie andere Leute!

Eben ſo iſt die Anmerkung S. LII. beſchaffen:

‚Jch gebe meine Predigten nicht fuͤr Muſter aus,
”wornach meine Kollegen ſich bilden ſollten. Wenn
”ſie nur daraus abſehen, was ungefaͤhr ſie vor-
”tragen ꝛc. ꝛc.‛

O! wie haͤtte der beſcheidene Sebaldus, der,
wenn er predigte, und ſeine Kirchkinder troͤſtete, und
ſie zum Guten ermahnte, nur ganz gewoͤhnlicher Weiſe
ſeine Pflicht gethan zu haben glaubte, ſich auch nur
die Jdee in den Sinn kommen laſſen, er koͤnne
jemand ein Muſter werden, oder es koͤnnten andere
von ihm etwas abſehen!

Daß ferner bey dieſen Predigten keine bibliſchen
Texte
vorhanden ſind, zeigt auch genugſam, daß ſie we-
der Sebaldus, noch irgend ſonſt ein Prediger, der die
Geſinnungen der Landleute kennet, gemacht haben

kann.
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[265/0279] So haͤtte Sebaldus nie von ſich geredet, der in aller Einfalt ſeine Pflicht that, und Gutes ſtiftete, ſo viel er konnte, ohne zu glauben, daß er ſo viel thaͤte, ohne feyerlich auszurufen: Jch danke dir, Gott, daß ich nicht bin, wie andere Leute! Eben ſo iſt die Anmerkung S. LII. beſchaffen: ‚Jch gebe meine Predigten nicht fuͤr Muſter aus, ”wornach meine Kollegen ſich bilden ſollten. Wenn ”ſie nur daraus abſehen, was ungefaͤhr ſie vor- ”tragen ꝛc. ꝛc.‛ O! wie haͤtte der beſcheidene Sebaldus, der, wenn er predigte, und ſeine Kirchkinder troͤſtete, und ſie zum Guten ermahnte, nur ganz gewoͤhnlicher Weiſe ſeine Pflicht gethan zu haben glaubte, ſich auch nur die Jdee in den Sinn kommen laſſen, er koͤnne jemand ein Muſter werden, oder es koͤnnten andere von ihm etwas abſehen! Daß ferner bey dieſen Predigten keine bibliſchen Texte vorhanden ſind, zeigt auch genugſam, daß ſie we- der Sebaldus, noch irgend ſonſt ein Prediger, der die Geſinnungen der Landleute kennet, gemacht haben kann.

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Zitationshilfe: Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 2. Berlin u. a., 1775, S. 265. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nicolai_nothanker02_1775/279>, abgerufen am 25.11.2024.