Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 2. Berlin u. a., 1775.so oft, daß er meinte, er habe es selbst gedacht. Er las sehr viel, und ihm gefiel alles, was er las, und was ihm gefiel, wollte er nachmachen. Daher versuchte er alle Schreibarten, und schrieb wechselsweise, hoch, wie Klopstock, sanft, wie Jakobi, fromm, wie Lavater, weltlich, wie Clodius, tiefdunkel, wie Herder, populär, wie Gleim. Jn allen Wis- senschaften und schönen Künsten war er auch gleich stark. Man hat einmal von ihm, in Einer Messe, eine Schrift von den Dudaim des Ruben, einen Band Anakreontischer Gedichte, eine Abhand- lung von der Natur der Seele, und ein halbes Al- phabeth historischer Erzählungen gelesen. Ein Amt hat Cyriakus nie bekleidet; denn in seiner Jugend war sein Vater ein reicher Mann, und er glaubte also, sich nicht auf Brodtwissenschaft legen zu dür- fen. Nachdem aber Erasmus, durch viele Unterneh- mungen, die seinen Namen verewigen sollten, sein Vermögen sehr verringert, und Cyriakus, nach des- sen Tode, den Rest desselben, aus Liebe zu den schö- nen Künsten und Wissenschaften, auf der Universität verschwendet hatte, so befand sich der letztere in sehr bedürftigen Umständen. Er trieb sich an verschiede- nen Orten herum, so daß von verschiedenen Jahren seines Lebens die zuverläßigen Nachrichten fehlen. Soviel
ſo oft, daß er meinte, er habe es ſelbſt gedacht. Er las ſehr viel, und ihm gefiel alles, was er las, und was ihm gefiel, wollte er nachmachen. Daher verſuchte er alle Schreibarten, und ſchrieb wechſelsweiſe, hoch, wie Klopſtock, ſanft, wie Jakobi, fromm, wie Lavater, weltlich, wie Clodius, tiefdunkel, wie Herder, populaͤr, wie Gleim. Jn allen Wiſ- ſenſchaften und ſchoͤnen Kuͤnſten war er auch gleich ſtark. Man hat einmal von ihm, in Einer Meſſe, eine Schrift von den Dudaim des Ruben, einen Band Anakreontiſcher Gedichte, eine Abhand- lung von der Natur der Seele, und ein halbes Al- phabeth hiſtoriſcher Erzaͤhlungen geleſen. Ein Amt hat Cyriakus nie bekleidet; denn in ſeiner Jugend war ſein Vater ein reicher Mann, und er glaubte alſo, ſich nicht auf Brodtwiſſenſchaft legen zu duͤr- fen. Nachdem aber Eraſmus, durch viele Unterneh- mungen, die ſeinen Namen verewigen ſollten, ſein Vermoͤgen ſehr verringert, und Cyriakus, nach deſ- ſen Tode, den Reſt deſſelben, aus Liebe zu den ſchoͤ- nen Kuͤnſten und Wiſſenſchaften, auf der Univerſitaͤt verſchwendet hatte, ſo befand ſich der letztere in ſehr beduͤrftigen Umſtaͤnden. Er trieb ſich an verſchiede- nen Orten herum, ſo daß von verſchiedenen Jahren ſeines Lebens die zuverlaͤßigen Nachrichten fehlen. Soviel
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ſo oft, daß er meinte, er habe es ſelbſt gedacht. Er
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was ihm gefiel, wollte er nachmachen. Daher verſuchte
er alle Schreibarten, und ſchrieb wechſelsweiſe, hoch,
wie Klopſtock, ſanft, wie Jakobi, fromm, wie
Lavater, weltlich, wie Clodius, tiefdunkel, wie
Herder, populaͤr, wie Gleim. Jn allen Wiſ-
ſenſchaften und ſchoͤnen Kuͤnſten war er auch
gleich ſtark. Man hat einmal von ihm, in Einer
Meſſe, eine Schrift von den Dudaim des Ruben,
einen Band Anakreontiſcher Gedichte, eine Abhand-
lung von der Natur der Seele, und ein halbes Al-
phabeth hiſtoriſcher Erzaͤhlungen geleſen. Ein Amt
hat Cyriakus nie bekleidet; denn in ſeiner Jugend
war ſein Vater ein reicher Mann, und er glaubte
alſo, ſich nicht auf Brodtwiſſenſchaft legen zu duͤr-
fen. Nachdem aber Eraſmus, durch viele Unterneh-
mungen, die ſeinen Namen verewigen ſollten, ſein
Vermoͤgen ſehr verringert, und Cyriakus, nach deſ-
ſen Tode, den Reſt deſſelben, aus Liebe zu den ſchoͤ-
nen Kuͤnſten und Wiſſenſchaften, auf der Univerſitaͤt
verſchwendet hatte, ſo befand ſich der letztere in ſehr
beduͤrftigen Umſtaͤnden. Er trieb ſich an verſchiede-
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