Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 2. Berlin u. a., 1775.zwanzig Jahren, sein Beichtkind, so zu gewinnen, daß sie ihn heurathete. Von der Zeit an legte Eras- mus sein Amt nieder, ob er gleich den geistlichen Stand, des Ansehns wegen, das er dadurch in der Stadt zu erhalten vermeinte, beybehielt. Er genoß nunmehr seinen Reichthum, und wendete ihn zu al- len Dingen an, wodurch er sich ein Ansehen zu ge- ben glaubte. Er ließ Waisenkinder erziehen, stiftete Stipendien, ließ Kirchen ausputzen und Altäre klei- den, pränumerirte auf alle Bücher, denen die Na- men der Pränumeranten vorgedruckt wurden, nahm Zueignungsschriften gegen baare Bezahlung an, schenkte Geld zum Bau der Kirchthürme und Orgeln, u. dergl. mehr. An bestimmten Tagen, theilte er Geld und Brodt unter die Armen aus, welche sich schaarenweise vor seiner Thür versammelten. Und weil er nicht allein seinen Reichthum, sondern auch seinen Verstand und seine Person zur Schau tra- gen wollte, pflegte er freywillig, alle sechs oder acht Wochen, eine zierliche Predigt zu halten, bey welcher sich alle seine Klienten einfinden mußten, und schon den Wink hatten, sich nach Beschaffenheit der Um- stände, durch Weinen in der Kirche, oder durch lau- tes Lob außer der Kirche, in seine fernere Gunst ein- zuschmeicheln. Elar- R 3
zwanzig Jahren, ſein Beichtkind, ſo zu gewinnen, daß ſie ihn heurathete. Von der Zeit an legte Eraſ- mus ſein Amt nieder, ob er gleich den geiſtlichen Stand, des Anſehns wegen, das er dadurch in der Stadt zu erhalten vermeinte, beybehielt. Er genoß nunmehr ſeinen Reichthum, und wendete ihn zu al- len Dingen an, wodurch er ſich ein Anſehen zu ge- ben glaubte. Er ließ Waiſenkinder erziehen, ſtiftete Stipendien, ließ Kirchen ausputzen und Altaͤre klei- den, praͤnumerirte auf alle Buͤcher, denen die Na- men der Praͤnumeranten vorgedruckt wurden, nahm Zueignungsſchriften gegen baare Bezahlung an, ſchenkte Geld zum Bau der Kirchthuͤrme und Orgeln, u. dergl. mehr. An beſtimmten Tagen, theilte er Geld und Brodt unter die Armen aus, welche ſich ſchaarenweiſe vor ſeiner Thuͤr verſammelten. Und weil er nicht allein ſeinen Reichthum, ſondern auch ſeinen Verſtand und ſeine Perſon zur Schau tra- gen wollte, pflegte er freywillig, alle ſechs oder acht Wochen, eine zierliche Predigt zu halten, bey welcher ſich alle ſeine Klienten einfinden mußten, und ſchon den Wink hatten, ſich nach Beſchaffenheit der Um- ſtaͤnde, durch Weinen in der Kirche, oder durch lau- tes Lob außer der Kirche, in ſeine fernere Gunſt ein- zuſchmeicheln. Elar- R 3
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zwanzig Jahren, ſein Beichtkind, ſo zu gewinnen,
daß ſie ihn heurathete. Von der Zeit an legte Eraſ-
mus ſein Amt nieder, ob er gleich den geiſtlichen
Stand, des Anſehns wegen, das er dadurch in der
Stadt zu erhalten vermeinte, beybehielt. Er genoß
nunmehr ſeinen Reichthum, und wendete ihn zu al-
len Dingen an, wodurch er ſich ein Anſehen zu ge-
ben glaubte. Er ließ Waiſenkinder erziehen, ſtiftete
Stipendien, ließ Kirchen ausputzen und Altaͤre klei-
den, praͤnumerirte auf alle Buͤcher, denen die Na-
men der Praͤnumeranten vorgedruckt wurden,
nahm Zueignungsſchriften gegen baare Bezahlung
an, ſchenkte Geld zum Bau der Kirchthuͤrme und
Orgeln, u. dergl. mehr. An beſtimmten Tagen, theilte
er Geld und Brodt unter die Armen aus, welche ſich
ſchaarenweiſe vor ſeiner Thuͤr verſammelten. Und
weil er nicht allein ſeinen Reichthum, ſondern auch
ſeinen Verſtand und ſeine Perſon zur Schau tra-
gen wollte, pflegte er freywillig, alle ſechs oder acht
Wochen, eine zierliche Predigt zu halten, bey welcher
ſich alle ſeine Klienten einfinden mußten, und ſchon
den Wink hatten, ſich nach Beſchaffenheit der Um-
ſtaͤnde, durch Weinen in der Kirche, oder durch lau-
tes Lob außer der Kirche, in ſeine fernere Gunſt ein-
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