Der Vater unsers Sebaldus war ein ehrlicher Handwerksmann, in einem kleinen Städt- chen in Thüringen, der durch Fleiß und Sparsam- keit ein Vermögen von einigen hundert Thalern er- worben hatte, und in solches Ansehen kam, daß er zum Rathmann und zum Vorsteher des Gotteska- stens in seiner Vaterstadt erwählt ward. Diese Ehrenstellen aber, die verschiedene von seinen Vor- gängern bereichert hatten, brachten ihm gar keinen Nutzen. Denn er war ein so schlechter Wirth, daß er nicht allein, für seine Arbeit zum gemeinen Be- sten, keine Einkünfte annehmen wollte, sondern auch zum gemeinen Besten verschiedenes aufwendete, wozu er gar nicht hätte können genöthigt werden. Es kann also der ökonomische Leser leicht ermessen, da Sebaldus Vater, bey seinen Aemtern, keine Ein- nahme und nicht wenige Ausgaben hatte, daß sein Vermögen sich habe verringern müssen. Den Ueber-
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Der Vater unſers Sebaldus war ein ehrlicher Handwerksmann, in einem kleinen Staͤdt- chen in Thuͤringen, der durch Fleiß und Sparſam- keit ein Vermoͤgen von einigen hundert Thalern er- worben hatte, und in ſolches Anſehen kam, daß er zum Rathmann und zum Vorſteher des Gotteska- ſtens in ſeiner Vaterſtadt erwaͤhlt ward. Dieſe Ehrenſtellen aber, die verſchiedene von ſeinen Vor- gaͤngern bereichert hatten, brachten ihm gar keinen Nutzen. Denn er war ein ſo ſchlechter Wirth, daß er nicht allein, fuͤr ſeine Arbeit zum gemeinen Be- ſten, keine Einkuͤnfte annehmen wollte, ſondern auch zum gemeinen Beſten verſchiedenes aufwendete, wozu er gar nicht haͤtte koͤnnen genoͤthigt werden. Es kann alſo der oͤkonomiſche Leſer leicht ermeſſen, da Sebaldus Vater, bey ſeinen Aemtern, keine Ein- nahme und nicht wenige Ausgaben hatte, daß ſein Vermoͤgen ſich habe verringern muͤſſen. Den Ueber-
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[[255]/0269]
Der Vater unſers Sebaldus war ein ehrlicher
Handwerksmann, in einem kleinen Staͤdt-
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keit ein Vermoͤgen von einigen hundert Thalern er-
worben hatte, und in ſolches Anſehen kam, daß er
zum Rathmann und zum Vorſteher des Gotteska-
ſtens in ſeiner Vaterſtadt erwaͤhlt ward. Dieſe
Ehrenſtellen aber, die verſchiedene von ſeinen Vor-
gaͤngern bereichert hatten, brachten ihm gar keinen
Nutzen. Denn er war ein ſo ſchlechter Wirth, daß
er nicht allein, fuͤr ſeine Arbeit zum gemeinen Be-
ſten, keine Einkuͤnfte annehmen wollte, ſondern
auch zum gemeinen Beſten verſchiedenes aufwendete,
wozu er gar nicht haͤtte koͤnnen genoͤthigt werden.
Es kann alſo der oͤkonomiſche Leſer leicht ermeſſen,
da Sebaldus Vater, bey ſeinen Aemtern, keine Ein-
nahme und nicht wenige Ausgaben hatte, daß ſein
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Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 2. Berlin u. a., 1775, S. [255]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nicolai_nothanker02_1775/269>, abgerufen am 26.11.2024.
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