Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 2. Berlin u. a., 1775.vinischen Gräueln beständig den größten Abschen gehabt habe, und daß die, mit Unrecht der Stadt aufgedrungenen, Kalvinisten, gewiß würden haben ver- dursten müssen, wenn alle andere Brauer, so wie er, den weltlichen Vortheil, dem Eifer für die Nechtgläubigkeit nachgesetzt hätten. Nach geendigter Leichenpredigt und verrichteter Beerdigung, kamen sie sämmtlich im Trauerhause zur Trauermahlzeit zu- sammen, wo diese Materie wieder vorgenommen, und die Jndifferentisterey, daß man reformirte Tauf- zeugen zuließe, sehr bitter gerügt wurde. Ehrn Weelsteertius nahm sich des bedrängten Mackli- gius an. Der Streit ward sehr heftig; beide Theile schrien so stark, daß kein Theil den andern verstand; und weil die ministerialische Partey die heftigste, und auch die stärkste war, so würde es vielleicht gar zu Thätlichkeiten gekommen seyn, wenn nicht die Minorität, die ihre Schwäche merkte, sich am Ende der Mahlzeit, nach der Hausthür gezogen hätte. Doch hatte das Gezänk auch auf der Gasse noch kein Ende. Der Pöbel lief zusammen, nahm an dem Streite der geistlichen Herren Antheil, und weil dem- selben, in seinem Eifer für die Rechtgläubigkeit, eben ein Kalvinischer Tuchmacher unglücklicher Weise in den Weg kam, so ward derselbe, zur Bestätigung der recht-
viniſchen Graͤueln beſtaͤndig den groͤßten Abſchen gehabt habe, und daß die, mit Unrecht der Stadt aufgedrungenen, Kalviniſten, gewiß wuͤrden haben ver- durſten muͤſſen, wenn alle andere Brauer, ſo wie er, den weltlichen Vortheil, dem Eifer fuͤr die Nechtglaͤubigkeit nachgeſetzt haͤtten. Nach geendigter Leichenpredigt und verrichteter Beerdigung, kamen ſie ſaͤmmtlich im Trauerhauſe zur Trauermahlzeit zu- ſammen, wo dieſe Materie wieder vorgenommen, und die Jndifferentiſterey, daß man reformirte Tauf- zeugen zuließe, ſehr bitter geruͤgt wurde. Ehrn Weelſteertius nahm ſich des bedraͤngten Mackli- gius an. Der Streit ward ſehr heftig; beide Theile ſchrien ſo ſtark, daß kein Theil den andern verſtand; und weil die miniſterialiſche Partey die heftigſte, und auch die ſtaͤrkſte war, ſo wuͤrde es vielleicht gar zu Thaͤtlichkeiten gekommen ſeyn, wenn nicht die Minoritaͤt, die ihre Schwaͤche merkte, ſich am Ende der Mahlzeit, nach der Hausthuͤr gezogen haͤtte. Doch hatte das Gezaͤnk auch auf der Gaſſe noch kein Ende. Der Poͤbel lief zuſammen, nahm an dem Streite der geiſtlichen Herren Antheil, und weil dem- ſelben, in ſeinem Eifer fuͤr die Rechtglaͤubigkeit, eben ein Kalviniſcher Tuchmacher ungluͤcklicher Weiſe in den Weg kam, ſo ward derſelbe, zur Beſtaͤtigung der recht-
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viniſchen Graͤueln beſtaͤndig den groͤßten Abſchen
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aufgedrungenen, Kalviniſten, gewiß wuͤrden haben ver-
durſten muͤſſen, wenn alle andere Brauer, ſo wie
er, den weltlichen Vortheil, dem Eifer fuͤr die
Nechtglaͤubigkeit nachgeſetzt haͤtten. Nach geendigter
Leichenpredigt und verrichteter Beerdigung, kamen
ſie ſaͤmmtlich im Trauerhauſe zur Trauermahlzeit zu-
ſammen, wo dieſe Materie wieder vorgenommen,
und die Jndifferentiſterey, daß man reformirte Tauf-
zeugen zuließe, ſehr bitter geruͤgt wurde. Ehrn
Weelſteertius nahm ſich des bedraͤngten Mackli-
gius an. Der Streit ward ſehr heftig; beide Theile
ſchrien ſo ſtark, daß kein Theil den andern verſtand;
und weil die miniſterialiſche Partey die heftigſte,
und auch die ſtaͤrkſte war, ſo wuͤrde es vielleicht gar
zu Thaͤtlichkeiten gekommen ſeyn, wenn nicht die
Minoritaͤt, die ihre Schwaͤche merkte, ſich am Ende
der Mahlzeit, nach der Hausthuͤr gezogen haͤtte.
Doch hatte das Gezaͤnk auch auf der Gaſſe noch kein
Ende. Der Poͤbel lief zuſammen, nahm an dem
Streite der geiſtlichen Herren Antheil, und weil dem-
ſelben, in ſeinem Eifer fuͤr die Rechtglaͤubigkeit, eben
ein Kalviniſcher Tuchmacher ungluͤcklicher Weiſe in
den Weg kam, ſo ward derſelbe, zur Beſtaͤtigung der
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