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Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 2. Berlin u. a., 1775.

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dieser Bibel viele tausend Stellen ganz anders seyn,
als in unserer Lutherischen Bibel! Nun sehen Sie
einmal selber, was das für eine Verwirrung in un-
serm guten Holstein geben würde, wenn man nicht
schon wüßte, was man zu glauben hätte.

Seb. Jch habe von dieser Bibel auch gehört; ich
glaube aber, sie wird ganz und gar keine Verwirrung
anrichten. Sie kann vielmehr einen sehr großen Nut-
zen haben. Denn wenn die Theologen, wie es nicht
unterbleiben wird, über die Menge der Varianten,
die der arbeitsame Engländer, für seine funfzigtau-
send Pfund Sterlings, zusammengelesen hat, sich
hundert Jahre lang werden müde disputirt haben,
so wird man endlich wohl einsehen, daß die Glückse-
ligkeit des menschlichen Geschlechts, die Gott bey sei-
ner Offenbarung zum Zwecke gehabt haben muß,
nicht auf Schreibfehlern und Varianten, Muthmaßun-
gen und Wortklaubereyen beruhen könne. Also auch
von dieser Untersuchung über Varianten will ich nie-
mand abschrecken. Jch glaube, die wahre Religion
könne und werde die strengsten Untersuchungen von
aller Art aushalten; darum mag man in Gottes Na-
men fortfahren, alle Meinungen der Menschen zu
sichten, und den Weizen von der Spreu zu sondern.

Mackli-



dieſer Bibel viele tauſend Stellen ganz anders ſeyn,
als in unſerer Lutheriſchen Bibel! Nun ſehen Sie
einmal ſelber, was das fuͤr eine Verwirrung in un-
ſerm guten Holſtein geben wuͤrde, wenn man nicht
ſchon wuͤßte, was man zu glauben haͤtte.

Seb. Jch habe von dieſer Bibel auch gehoͤrt; ich
glaube aber, ſie wird ganz und gar keine Verwirrung
anrichten. Sie kann vielmehr einen ſehr großen Nut-
zen haben. Denn wenn die Theologen, wie es nicht
unterbleiben wird, uͤber die Menge der Varianten,
die der arbeitſame Englaͤnder, fuͤr ſeine funfzigtau-
ſend Pfund Sterlings, zuſammengeleſen hat, ſich
hundert Jahre lang werden muͤde diſputirt haben,
ſo wird man endlich wohl einſehen, daß die Gluͤckſe-
ligkeit des menſchlichen Geſchlechts, die Gott bey ſei-
ner Offenbarung zum Zwecke gehabt haben muß,
nicht auf Schreibfehlern und Varianten, Muthmaßun-
gen und Wortklaubereyen beruhen koͤnne. Alſo auch
von dieſer Unterſuchung uͤber Varianten will ich nie-
mand abſchrecken. Jch glaube, die wahre Religion
koͤnne und werde die ſtrengſten Unterſuchungen von
aller Art aushalten; darum mag man in Gottes Na-
men fortfahren, alle Meinungen der Menſchen zu
ſichten, und den Weizen von der Spreu zu ſondern.

Mackli-
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[240/0252] dieſer Bibel viele tauſend Stellen ganz anders ſeyn, als in unſerer Lutheriſchen Bibel! Nun ſehen Sie einmal ſelber, was das fuͤr eine Verwirrung in un- ſerm guten Holſtein geben wuͤrde, wenn man nicht ſchon wuͤßte, was man zu glauben haͤtte. Seb. Jch habe von dieſer Bibel auch gehoͤrt; ich glaube aber, ſie wird ganz und gar keine Verwirrung anrichten. Sie kann vielmehr einen ſehr großen Nut- zen haben. Denn wenn die Theologen, wie es nicht unterbleiben wird, uͤber die Menge der Varianten, die der arbeitſame Englaͤnder, fuͤr ſeine funfzigtau- ſend Pfund Sterlings, zuſammengeleſen hat, ſich hundert Jahre lang werden muͤde diſputirt haben, ſo wird man endlich wohl einſehen, daß die Gluͤckſe- ligkeit des menſchlichen Geſchlechts, die Gott bey ſei- ner Offenbarung zum Zwecke gehabt haben muß, nicht auf Schreibfehlern und Varianten, Muthmaßun- gen und Wortklaubereyen beruhen koͤnne. Alſo auch von dieſer Unterſuchung uͤber Varianten will ich nie- mand abſchrecken. Jch glaube, die wahre Religion koͤnne und werde die ſtrengſten Unterſuchungen von aller Art aushalten; darum mag man in Gottes Na- men fortfahren, alle Meinungen der Menſchen zu ſichten, und den Weizen von der Spreu zu ſondern. Mackli-

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Zitationshilfe: Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 2. Berlin u. a., 1775, S. 240. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nicolai_nothanker02_1775/252>, abgerufen am 25.11.2024.