Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 2. Berlin u. a., 1775.in Ehren. Sie sind, aufs wenigste gerechnet, ein nothwendiges Uebel. Da ist ja so vieles in der Bi- bel, aus dem man sich sogleich nicht finden kann, und man würde seine ganze Lebenszeit untersuchen müssen, was man glauben soll, wenns nicht in der Augspur- gischen Konfession vorgeschrieben wäre. Seb. Schön! Aber dieß ist eben dasselbe Argu- Mackl. Behüte mich Gott! was reden Sie? Seb. Ja! dem Buchstaben nach, aber nicht der
in Ehren. Sie ſind, aufs wenigſte gerechnet, ein nothwendiges Uebel. Da iſt ja ſo vieles in der Bi- bel, aus dem man ſich ſogleich nicht finden kann, und man wuͤrde ſeine ganze Lebenszeit unterſuchen muͤſſen, was man glauben ſoll, wenns nicht in der Augſpur- giſchen Konfeſſion vorgeſchrieben waͤre. Seb. Schoͤn! Aber dieß iſt eben daſſelbe Argu- Mackl. Behuͤte mich Gott! was reden Sie? Seb. Ja! dem Buchſtaben nach, aber nicht der
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0250" n="238"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> in Ehren. Sie ſind, aufs wenigſte gerechnet, ein<lb/> nothwendiges Uebel. Da iſt ja ſo vieles in der Bi-<lb/> bel, aus dem man ſich ſogleich nicht finden kann, und<lb/> man wuͤrde ſeine ganze Lebenszeit unterſuchen muͤſſen,<lb/> was man glauben ſoll, wenns nicht in der Augſpur-<lb/> giſchen Konfeſſion vorgeſchrieben waͤre.</p><lb/> <p><hi rendition="#fr">Seb.</hi> Schoͤn! Aber dieß iſt eben daſſelbe Argu-<lb/> ment, das die Katholiken fuͤr die <hi rendition="#fr">unfehlbare Au-<lb/> toritaͤt der Kirche</hi> anfuͤhren. Wir ſelbſt koͤnnen, ſa-<lb/> gen ſie, die Bibel nicht hinlaͤnglich erklaͤren, dieß thut<lb/> die Kirche fuͤr uns; darum muͤſſen wir glauben, was<lb/> die Kirche glaubt. Alſo haͤtten wir bey der Reformation<lb/> nur Eine Unfehlbarkeit mit der andern verwechſelt,<lb/> der wir blindlings trauen muͤßten. Wenn alſo der<lb/> Pabſt die Augſpurgiſche Konfeſſion gemacht haͤtte, ſo<lb/> wuͤrden Sie, Herr Paſtor, ohne Bedenken ein Pa-<lb/> piſt ſeyn.</p><lb/> <p><hi rendition="#fr">Mackl.</hi> Behuͤte mich Gott! was reden Sie?<lb/> Herr Magiſter! Herr Magiſter! Sie wiſſen ja, daß<lb/> ich der aͤchten ungeaͤnderten evangeliſchen Lehre zu-<lb/> gethan bin.</p><lb/> <p><hi rendition="#fr">Seb.</hi> Ja! dem Buchſtaben nach, aber nicht<lb/> dem wahren Geiſte nach. Eine blinde Unterwuͤrfig-<lb/> keit unter die Ausſpruͤche der geiſtlichen Obern iſt<lb/> nicht der wahre Geiſt des Proteſtantiſmus. Von<lb/> <fw place="bottom" type="catch">der</fw><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [238/0250]
in Ehren. Sie ſind, aufs wenigſte gerechnet, ein
nothwendiges Uebel. Da iſt ja ſo vieles in der Bi-
bel, aus dem man ſich ſogleich nicht finden kann, und
man wuͤrde ſeine ganze Lebenszeit unterſuchen muͤſſen,
was man glauben ſoll, wenns nicht in der Augſpur-
giſchen Konfeſſion vorgeſchrieben waͤre.
Seb. Schoͤn! Aber dieß iſt eben daſſelbe Argu-
ment, das die Katholiken fuͤr die unfehlbare Au-
toritaͤt der Kirche anfuͤhren. Wir ſelbſt koͤnnen, ſa-
gen ſie, die Bibel nicht hinlaͤnglich erklaͤren, dieß thut
die Kirche fuͤr uns; darum muͤſſen wir glauben, was
die Kirche glaubt. Alſo haͤtten wir bey der Reformation
nur Eine Unfehlbarkeit mit der andern verwechſelt,
der wir blindlings trauen muͤßten. Wenn alſo der
Pabſt die Augſpurgiſche Konfeſſion gemacht haͤtte, ſo
wuͤrden Sie, Herr Paſtor, ohne Bedenken ein Pa-
piſt ſeyn.
Mackl. Behuͤte mich Gott! was reden Sie?
Herr Magiſter! Herr Magiſter! Sie wiſſen ja, daß
ich der aͤchten ungeaͤnderten evangeliſchen Lehre zu-
gethan bin.
Seb. Ja! dem Buchſtaben nach, aber nicht
dem wahren Geiſte nach. Eine blinde Unterwuͤrfig-
keit unter die Ausſpruͤche der geiſtlichen Obern iſt
nicht der wahre Geiſt des Proteſtantiſmus. Von
der
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |