Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 2. Berlin u. a., 1775.ein Gespötte sey, wo niemand in die Kirche gehe, wo ein jeder rechtschaffner Christ verachtet werde, und wo Rotten und Ketzereyen regierten. Er beklagte den Sebaldus recht geflissentlich, weil er, als ein Fremdling, der sich nicht in den besten Umständen befinde, in dieser Stadt voll Jrrgläubigkeit und voll Unglaubens, ganz gewiß werde umkommen müssen. ,Jch habe, sagte Sebaldus, bessere Hoffnung. ,Nein! Nein! rief der Pietist mit erhabener Er sagte dieses mit so vieler Dreistigkeit, und ver- ,Jch gestehe, sagte er, nach einiger Ueberlegung, "Landes,
ein Geſpoͤtte ſey, wo niemand in die Kirche gehe, wo ein jeder rechtſchaffner Chriſt verachtet werde, und wo Rotten und Ketzereyen regierten. Er beklagte den Sebaldus recht gefliſſentlich, weil er, als ein Fremdling, der ſich nicht in den beſten Umſtaͤnden befinde, in dieſer Stadt voll Jrrglaͤubigkeit und voll Unglaubens, ganz gewiß werde umkommen muͤſſen. ‚Jch habe, ſagte Sebaldus, beſſere Hoffnung. ‚Nein! Nein! rief der Pietiſt mit erhabener Er ſagte dieſes mit ſo vieler Dreiſtigkeit, und ver- ‚Jch geſtehe, ſagte er, nach einiger Ueberlegung, ”Landes,
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ein Geſpoͤtte ſey, wo niemand in die Kirche gehe, wo
ein jeder rechtſchaffner Chriſt verachtet werde, und
wo Rotten und Ketzereyen regierten. Er beklagte
den Sebaldus recht gefliſſentlich, weil er, als ein
Fremdling, der ſich nicht in den beſten Umſtaͤnden
befinde, in dieſer Stadt voll Jrrglaͤubigkeit und voll
Unglaubens, ganz gewiß werde umkommen muͤſſen.
‚Jch habe, ſagte Sebaldus, beſſere Hoffnung.
”Jch weiß aus der Erfahrung, daß bey dem, was
”viele Leute Unglauben und Ketzerey nennen, die
”Liebe des Naͤchſten ſehr wohl beſtehen kann.‛
‚Nein! Nein! rief der Pietiſt mit erhabener
”Stimme, wo Glauben iſt, da iſt auch Liebe! die
”findet man aber in dieſer Stadt, ja im ganzen Lande,
”gar nicht. Da herrſcht lauter Eigennutz und Betrug,
”da gehen alle Laſter im Schwange, da iſt die Ruch-
”loſigkeit aufs hoͤchſte geſtiegen, da iſt alle chriſtliche
”Liebe erloſchen.‛
Er ſagte dieſes mit ſo vieler Dreiſtigkeit, und ver-
ſicherte ſo oft, er kenne Berlin, wo er ſich oft aufge-
halten habe, ſo genau, und es ſey uͤberhaupt eine
weltbekannte Sache, daß Sebaldus anfieng dar-
uͤber nachdenkend zu werden.
‚Jch geſtehe, ſagte er, nach einiger Ueberlegung,
”wenn die Einwohner dieſer Stadt, ja dieſes ganzen
”Landes,
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